Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Rz. 10
Nutzungen und Leistungen von bestimmter Dauer liegen dann vor, wenn das Ende kalendermäßig noch nicht feststeht (z. B. zeitlich begrenzter Nießbrauch, Zeitrente).
Rz. 11
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert zu berechnen. Er wird nach Tabelle 6 des Kapitalisierungserlasses vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810) – entspricht Anlage 9a zum BewG –, unter Annahme eines Zinssatzes von 5,5 % als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise errechnet. Der Vervielfältiger ist deshalb unabhängig davon anzusetzen, ob die Zahlungen vorschüssig oder nachschüssig, jährlich oder unterjährig entrichtet werden. Maßgebend ist die Laufzeit zum Besteuerungszeitpunkt.
Tabelle 6 stimmt bis auf die Beschränkung auf das 18,6-Fache mit Tabelle 2 überein. Bis auf diese Beschränkung entspricht die Bewertung sinngemäß der Bewertung von in Raten fälligen unverzinslichen Kapitalforderungen (Tilgungsforderungen, s. § 12 BewG).
Einzelheiten (Interpolation, Aufschubzeiten) enthält der Kapitalisierungserlass vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810).
Rz. 12
Der Zinssatz von 5,5 % ist in § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG vom Gesetzgeber verbindlich vorgeschrieben worden und daher grds. auch dann maßgeblich, wenn sich der durchschnittliche Zinssatz für längerfristige Kapitalanlagen über dem Zinssatz von 5,5 % bewegt. Der festgelegte Zinssatz ist ein Normalzinssatz, der sich als mittlerer Wert bewährt hat und der die üblichen Schwankungen des Zinsniveaus am Kapitalmarkt berücksichtigt (vgl. z. B. BFH vom 17.10.1980, BStBl II 1981, 247).
Der (Durchschnitts-)Zinssatz von 5,5 % beherrscht das gesamte Bewertungsrecht (vgl. z. B. § 12 Abs. 3 Satz 2, § 14 Abs. 1 oder § 15 Abs. 1 BewG). Sein Sinn ist darin zu sehen, "zu verhindern, dass sich die dem Kapitalmarkt immanenten Zinsschwankungen auf die Bewertung, die längere Zeitspannen umfasst, in einem nicht vertretbaren Ausmaß auswirken" (BFH vom 17.10.1980, BStBl II 1981, 247). Die Anwendung des einheitlichen Zinssatzes von 5,5 % dient so der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens als Massenverfahren. Denn die exakte Ermittlung des jeweils maßgeblichen "üblichen" Zinssatzes bereitet Schwierigkeiten, zumal es einen einheitlichen Zinssatz für die vielfältigen Kapitalanlagen nicht gibt. Die Maßgeblichkeit des gesetzlich normierten einheitlichen Zinssatzes von 5,5 % dient überdies der Gleichmäßigkeit der Bewertung und Besteuerung (vgl. auch BFH vom 26. August 1955, BStBl III 1955, 278).
Dementsprechend hat der BFH mit Urteil vom 26.11.1986 (BStBl II 1987, 271) darauf hingewiesen, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG nicht bestehen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Er habe im Interesse der gleichmäßigen Anwendung der Steuergesetze eine Regelung getroffen, die für die Bewertung aller wiederkehrenden Leistungen in gleicher Weise gelte und damit zugleich der Vorausberechenbarkeit der Steueransprüche sowie der Verwaltungsvereinfachung diene. Angesichts der Verpflichtung des Staates, bei seinen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Preisstabilität beizutragen, könne der Zinssatz von 5,5 v. H. nicht als sachwidrig angesehen werden.
Rz. 13
Beispiel 1:
Zum Besteuerungszeitpunkt 01.03.20 ist eine vierteljährlich zu zahlende private Rente i. H. v. 500 EUR zu bewerten. Die letzte Zahlung der Rente erfolgt am 01.07.20.
Lösung:
Eine Rente, die nur eine bestimmte Dauer läuft, ist eine Zeitrente. Die Bewertung erfolgt nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG mit ihrem Kapitalwert. Maßgebend ist die (Rest-)Laufzeit zum Besteuerungszeitpunkt. Somit bestimmt sich die Laufzeit von Zeitrenten nach den Anteilen ihrer Jahresleistungen, ausgehend vom Besteuerungszeitpunkt bis zum letzten Fälligkeitstag. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Raten die Laufzeit bestimmt. Der Kapitalwert berechnet sich nach der Formel:
Jahreswert × Vervielfältiger (Kapitalisierungsfaktor) = Kapitalwert
Die Summe der Zahlungen innerhalb eines Jahres ergibt den Jahreswert. Der maßgebende Vervielfältiger ergibt sich aus Tabelle 6 des Kapitalisierungserlasses vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810). Die Laufzeit beträgt 6 Jahre und 6 Monate (26/4; Raten jeweils am 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10.). Da die Laufzeit nicht ganze Jahre umfasst, ist zwischen den Vervielfältigern zu interpolieren:
Jahreswert |
|
2.000 EUR |
Vervielfältiger für 7 Jahre |
5,839 |
|
Vervielfältiger für 6 Jahre |
5,133 |
|
Differenz |
+ 0,706 |
|
× 6/12 |
+ 0,353 |
|
Vervielfältiger interpoliert: 5,133 + 0,353 |
|
× 5,486 |
Kapitalwert zum 01.03.20 |
|
10.972 EUR |
Vergleicht man zur Kontrolle den Nennwert der Zeitrente = 13.000 EUR (26 × 500 EUR) mit ihrem Kapitalwert zum Besteuerungszeitpunkt = 10.972 EUR, so lässt sich erkennen, dass Kapitalwerte nichts anderes sind als abgezinste Nennwerte. Dem Kapitalisieren i. R.d. § 13 BewG liegen dieselben Grundsätze zugrunde wie dem Abzinsen des § 12 Abs. 3 BewG.
Beispiel 2:
Eine private Zeitrente ist in vierteljährlichen Zahlunge...