2.2.5.1 Einführung in die erbrechtliche Thematik

 

Rz. 152

Wie so häufig, hat der Gesetzgeber im 5. Buch des BGB dem Zweipersonenverhältnis (hier: Erblasser und Alleinerbe) den (Regelungs-)Vorrang eingeräumt. Anders als im Schuldrecht nimmt aber das erbrechtliche Mehrpersonenverhältnis – die Miterben(-gemeinschaft) – kein Schattendasein ein. Sie ist in den §§ 20322057 BGB geregelt.

 

Rz. 153

Bei mehreren Miterben liegt nach den §§ 2032 ff. BGB eine Gesamthandsgemeinschaft vor. Der entscheidende Unterschied zum sonstigen Recht der Gesamthandsgemeinschaft liegt in der erbrechtlichen "Geburtsstunde" der Miterbengemeinschaft durch den Tod des Erblassers, die insoweit als Zufallsgemeinschaft charakterisiert werden kann. Wiederum anders als bei den Personengesellschaften (inkl. der OHG und KG) besteht ihre Hauptaufgabe darin, den ungeteilten Nachlass nur bis zu seiner Abwicklung am Rechtsverkehr teilhaben zu lassen. Mit der Auseinandersetzung, auf deren sofortige Durchführung jeder Erbe einen Anspruch hat (s. § 2042 BGB), ist ihre Aufgabe erfüllt.

Es handelt sich bei der Miterbengemeinschaft um eine Zwischenherrschaft – bezogen auf den Nachlass –, die sich allerdings in der Praxis nicht selten einer (unerwünscht) langen Lebensdauer erfreut.

2.2.5.2 Die Charakterisierung der Miterben(-gemeinschaft)

 

Rz. 154

Folgende Stichworte sind am besten geeignet, die Miterbengemeinschaft zu charakterisieren (nachfolgende Paragrafen in der Zusammenstellung sind solche des BGB):

2.2.5.3 Die Unterscheidung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

 

Rz. 155

Zusätzlich spielt die erbrechtliche Subsumtion in der Beurteilung des Erbanfalles des einzelnen Miterben eine wichtige Rolle. Die Unterscheidung ist insbesondere für das Einkommensteuerrecht und für das Erbschaftsteuerrecht von großer Bedeutung.

In der Einzelzuwendung seitens des Erblassers kann einmal ein Vorausvermächtnis und ein anderes Mal eine Teilungsanordnung angenommen werden (s. Rn. 133 f.).

 
Praxis-Beispiel

A und B sind Miterben zu je 50 %. Zum Nachlass gehören zwei gleichwertige Betriebe (je 1 Mio. EUR Verkehrswert) und ein Aktienpaket im Wert von 100 TEUR. Das Testament sieht vor, dass jeder der Erben einen Betrieb erhalten soll und A zusätzlich das Aktienpaket, wofür er an B 50 TEUR zu zahlen hat.

Lösung:

Rein gesetzestechnisch ist der Unterschied einfach:

Beim Vorausvermächtnis (s. § 2150 BGB) erhält der Erbe zusätzlich zu seinem Erbteil einen Vermögensvorteil vom Erblasser; bei der Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) nimmt der Erblasser Einfluss auf die Aufteilung des Nachlassvermögens.

In der Auslegungspraxis hat sich nachfolgendes Kriterium als nützlich erwiesen: Nur, wenn einer der Erben einen zusätzlichen Zuwendungsgegenstand (Aktienpaket) ohne Anrechnung auf die Quote erhält, liegt ein Vorausvermächtnis (s. § 2150 BGB) vor. Andererseits wird bei interner Ausgleichverpflichtung (vorliegender Fall) nur eine Teilungsanordnung angenommen.

 

Rz. 156

Heute bereiten vor allem die Fragen der Auseinandersetzung von Steuerfunktionseinheiten Schwierigkeiten, wenn sie in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regelungen gelöst werden (müssen). Das Einkommensteuerrecht (exakt: die Rechtsprechung des BFH) hat in der Folge das zivilrechtliche Institut der Miterbengemeinschaft maßgeblich beeinflusst.

Hinweis: Im Unterschied zur Altfassung der Steuervergünstigung bei Betriebsübertragungen (§ 13a Abs. 3 ErbStG a. F.) spielt die Unterscheidung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung nach neuem Recht (§ 13a Abs. 5 ErbStG n. F.) keine Rolle mehr.

2.2.5.4 Die einkommensteuerliche Dimension der Miterbengemeinschaft

 

Rz. 157

Unter einkommensteuerlichen Gesichtspunkten stellte sich seit jeher die Frage, ob der einzelne Erbe bei (nach) Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft hinsichtlich des zugewiesenen Anteils unmittelbar in die Rechtsstellung des Erblassers einrückt (1. Alternative) oder ob er diesen Anteil rechtsgeschäftlich von der Miterbengemeinschaft (2. Alternative) erhält.

 

Rz. 158

Kommt die 1. Alternative in Betracht, so ist der einzelne Miterbe unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers – mit allen Konsequenzen. Kommt die 2. Alternative zum Tragen, so liegt ein Erwerbsvorgang mit diametral unterschiedlichen Rechtsfolgen vor.

Es dauerte knapp 80 Jahre (!), bis die Frage entschieden wurde. Es ist unerlässlich, die Entwicklung in Grundzügen nachzuzeichnen, da ansonsten die heutige Rechtslage nicht nachvollziehbar ist.

2.2.5.4.1 Die Entwicklung der Rechtsprechung

 

Rz. 159

Der RFH hat in ständiger Rechtsprechung, beginnend mit einem Urteil von 1933 (RStBl 1934, 295) die Erbauseinandersetzung als letzten Bestandteil eines einheitlichen privaten (und damit unentgeltlichen) Erbvorgangs betrachtet (sog. Einheitsbetrachtung). Die Folge war, dass die Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft einkommensteuerrechtlich irrelevant war.

Seit dem Jahre 1957 hat der BFH vorübergehend – zur Auseinandersetzung von Privatvermögen – die Einzelübertragung als entgeltlichen Vorgang behandelt, wobei dieser Entgeltstatbestand sogar über die Abfindungen hinaus ausgedehnt wurde (s. BFH vom 06.12.1957, BStBl 1958, 33).

 

Rz. 160

Für den betrieblichen Teil kehrte der BFH am 16.08.1962 (BStBl III 1963, 480) für weitere zweieinhalb Jahrzehnte zur Einheitsbetrachtung des RFH zurück und der einzelne Miterbe w...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?