Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
2.3.6.1 Grundzüge
Rz. 47
§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erweitert den klassischen Anwendungsbereich um entsprechendes Betriebsvermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient. So definieren H E 13b.5 ErbStH für Personenunternehmen und H E 13b.6 ErbStH für Kapitalgesellschaften exakt die Einbeziehung ausländischer Betriebsstätten (vgl. Rz. 70 ff).
Rz. 48
Entscheidend ist, dass das ausländische Betriebsvermögen einer EU-/EWR-Betriebsstätte dienen muss. Demnach kommt es nicht auf den Ort/Geschäftssitz des ausländischen Unternehmens an, sondern nur auf die Frage, ob dieses (im Ausland belegene) Betriebsvermögen einer EU-/EWR-Betriebsstätte dient. Demnach kann Drittlands-Vermögen (z. B. aus der Schweiz, den USA oder China) durchaus in die Privilegierung einbezogen werden, wenn die Zugehörigkeit zur EU-/EWR-Betriebsstätte gegeben ist (so auch R E 13b.5 Abs. 4 S. 4 ErbStR).
2.3.6.2 Betriebsstättendefinition, insbesondere bei ausländischen Personengesellschaften
Rz. 49
Definiert ist die Betriebsstätte sowohl im nationalen Steuerrecht (s. § 12 AO) als auch in den DBA (s. Art. 5 OECD-MA 2017). Wegen der vorrangigen Geltung der DBA gegenüber nationalem Recht sind die Begriffsbestimmungen des jeweiligen DBA zu beachten. Inhaltlich stimmt der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff mit dem des § 12 AO allerdings weitgehend überein. National und auch international ist für die Annahme einer Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung Voraussetzung. Sie liegt vor, wenn sie örtlich fixiert und auf eine gewisse Dauer (länger als sechs Monate) angelegt ist. Für die Annahme einer Betriebsstätte gem. OECD-MA genügt es (unter bestimmten Voraussetzungen), wenn eine Person in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen tätig ist (s. Artikel 5 Abs. 5 OECD-MA 2017). An den folgenden vier Punkten lassen sich die Unterschiede in den Definitionen laut OECD-MA und § 12 AO verdeutlichen:
Betriebsstätte gem. § 12 AO |
Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA |
1. Die feste Geschäftseinrichtung muss der Tätigkeit des Unternehmens lediglich dienen. |
1. Die Tätigkeit des Unternehmens muss durch die feste Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. |
2. Bauausführungen und Montagen begründen nach § 12 Nr. 8 AO nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate dauern. |
2. Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie die Dauer von zwölf Monaten überschreitet. |
3. Gem. § 12 Nr. 5 und 6 AO gelten Warenlager und Einkaufsstellen nach nationalem Recht als Betriebsstätte. |
3. Geschäftseinrichtungen unterstützender und vorbereitender Art, wie z. B. Warenlager/Einkaufsstellen, gelten wegen ihres bloßen Hilfscharakters nicht als Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA). |
4. § 13 AO definiert lediglich den Begriff des ständigen Vertreters. |
4. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA qualifiziert den ständigen Vertreter als Betriebsstätte. |
Rz. 50
Aus der Aufzählung dieser vier Punkte lässt sich unschwer erkennen, dass der Betriebsstättenbegriff nach den DBA enger definiert ist. Ist somit nach den DBA von einer Betriebsstätte auszugehen, liegt sie stets auch nach nationalen Bestimmungen der AO vor. Sowohl in den DBA als auch in § 12 AO ist die Betriebsstätte als unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens umschrieben. In ihrem Betriebsstättenbericht vom 17.07.2008 (Authorized OECD Approach, kurz AOA) hat sich die OECD auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte festgelegt mit der weiteren Folge der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Transaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Bereits im JStG 2013 (AmtshilfeRLUmsG) und fortgeführt im JStG 2014 hat der Gesetzgeber die nationale, gesetzliche Grundlage für die Umsetzung des OECD-Berichtes geschaffen.
Rz. 51
Nach deutschem Rechtsverständnis sind Personengesellschaften (steuer-)transparente Gebilde, weil die Einkünfte der Gesellschaft den Gesellschaftern als Mitunternehmer zugeordnet werden. Steuersubjekte sind danach die Gesellschafter. Beteiligt sich ein Inländer an einer ausländischen Personengesellschaft, wird diese Beteiligung nach deutschem Rechtsverständnis grundsätzlich als Unternehmen dieser Person i. S. d. Art. 7 OECD-MA behandelt. Da die Personengesellschaft im Ausland für ihre Geschäftstätigkeit i. d. R. eine feste Einrichtung unterhält, führt dies dazu, dass der Inländer als Mitunternehmer eine (anteilige) Betriebsstätte im Ausland begründet (s. BFH vom 27.02.1991, BStBl II 1991, 444). Durch die Mitunternehmerschaft wird sozusagen eine ausländische Betriebsstätte vermittelt, unabhängig davon, ob der inländische Gesellschafter im Inland ein gewerbliches Unternehmen betreibt oder nicht.
Rz. 52
Hieraus ergibt sich zwangsläufig für die erbschaftsteuerliche Behandlung die Auslegungsfrage, ob das EU-/EWR-Vermögen eine steuerfunktionelle Einheit (Betrieb/Teilbetrieb/Mitunternehmeranteil = enge Auslegung) wie beim inländischen Betriebsvermögen (s. § 13b Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. ErbStG) sein muss; eine weite Auslegung schließlich lässt jedwedes Betriebsvermögen, also auch Einzelwirtschaftsgüter, gen...