Rz. 68
Die Freistellung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 vorletzter HS ErbStG bezieht sich auf die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in einem der bei Rn. 66 genannten Grundstücksarten ("soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird").
Rz. 69
Unter einer Wohnung ist eine Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist (§ 181 Abs. 9 Satz 1 BewG). Diese Zusammenfassung muss eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden und einen selbständigen Zugang haben (§ 181 Abs. 9 Satz 2 BewG). Weiter ist erforderlich, dass die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume (Küche, Bad oder Dusche, Toilette; § 181 Abs. 9 Satz 3 BewG) und eine Mindestwohnfläche von mindestens 23 qm (§ 181 Abs. 9 Satz 4 BewG) vorhanden sind.
Die Nutzung nur eines Zimmers stellt somit keine Wohnung dar und ist nicht begünstigt.
Eigengenutzt ist die Wohnung, wenn eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Eheleute und der zur Familie gehörenden Kinder und Enkelkinder oder einer Haushaltshilfe erfolgt. Die insoweit aus der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG i. d. F. bis Ende 2008 gewonnenen Erkenntnisse dürften weiterhin Geltung behalten.
Rz. 70
Gemäß der Definition der FinVerw in R E 13.3 Abs. 2 Satz 4 ErbStR muss sich in dem Gebäude bzw. der Wohnung der Mittelpunkt des familiären Lebens befinden. In negativer Abgrenzung ist eine Befreiung somit nicht für Zweit-, Ferien- oder Wochenendwohnungen möglich (bestätigt durch BFH vom 18.07.2013, BStBl II 2013, 1051).
"Familiär" bedeutet die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Eheleute und der zur Familie gehörenden Kinder und Enkelkinder oder einer Haushaltshilfe. Schädlich wäre jedoch eine Nutzung nur durch eines oder mehrere Kinder. Laut Entscheidung des FG Berlin vom 28.01.2003 (DStRE 2004, 217) ist auch die Nutzung nur durch einen Ehegatten und gemeinsame Kinder begünstigt, sofern das Objekt früher der gemeinsame Lebensmittelpunkt der Eheleute war und die familiäre Bindung noch besteht. Das Finanzgericht hat jedoch nicht dazu Stellung genommen, ob der entschiedene Fall anders zu sehen wäre, wenn die (vormals) Eheleute geschieden wären. In der Fachliteratur werden hierzu konträre Meinungen vertreten (vgl. Schlünder/Geißler, DStR 2006, 260). Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für ein Familienheim gegeben sind, kommt es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung an. Es ist nicht zusätzlich erforderlich, dass es sich bereits bei der Anschaffung oder Herstellung um ein Familienwohnheim gehandelt hat. Dies gilt sowohl für die Übertragung des Eigentums oder Miteigentumsanteils an dem Familienheim als auch bei der Freistellung von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung des Familienheims (s. BFH vom 27.10.2010, BStBl II 2011, 134).
Rz. 71
Begünstigt sind laut Finanzverwaltung i. d. R. Ein- oder Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen oder auch Dreifamilienhäuser, sofern alle Wohnungen von der Familie genutzt werden. Die Befreiung bezieht sich dabei ebenfalls auf Garagen und sonstige Nebengebäude, die sich auf dem Grundstück befinden (s. R E 13.3 Abs. 2 Satz 8 ErbStR). Es ist nicht entscheidend, ob das Gebäude auf eigenem Grund und Boden steht oder ob es sich z. B. um ein Erbbaurecht handelt (kritisch s. Hardt, ZEV 2004, 408).
Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob auch das Konstrukt der sog. mittelbaren Grundstücksschenkung (hierzu s. § 7 Rn. 159) i. R.d. Nr. 4a begünstigt ist. Betroffen hiervon sind insbesondere die Fälle, in denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Vermögen zur Verfügung stellt, damit dieser davon ein Haus oder eine Eigentumswohnung erwirbt, das/die zukünftig als Familienheim genutzt werden soll. Kritisch in Frage zu stellen ist hierbei die Voraussetzung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, da diese im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs i. d. R. noch nicht erfüllt sein dürfte. Es sei denn, dass das Familienheim angemietet ist und daher bereits als solches im Zeitpunkt des Erwerbs genutzt wird. Jedoch sollte auch für ein Objekt, das nach dem Erwerb sogleich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG möglich sein (s. Kien-Hümbert in M/W, § 13 Rn. 35a).
Rz. 72
Wird ein Gebäude nicht nur zu begünstigten Zwecken genutzt, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung die gesetzliche "soweit-Einschränkung" großzügig auszulegen. Die gilt auch dann, wenn bei mehreren Wohnungen in einem Gebäude alle oder mehrere selbst von der Familie in einem gemeinsamen Haushalt genutzt werden.
Der Ehemann ist Alleineigentümer eines Zweifamilienhauses mit einer 150 qm großen und einer 50 qm großen Wohnung. Das gesamte Gebäude bewohnt der Ehemann zusammen mit seiner Ehefrau. Er überträgt das hälftige Miteigentum am Grundstück auf seine Ehefrau. ...