Ausgewählte Rechtsprechung:
BFH vom 02.03.1994, BStBl II 1994, 366;
BFH vom 30.03.1994, BFH/NV 1995, 70.
Rz. 448
Eine freigebige Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist nur gegeben, wenn neben den objektiven Voraussetzungen des Zuwendungstatbestands auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Während § 40 ErbStG 1919 (RGBl 1919, 1543) noch ausdrücklich den Willen des Zuwendenden zur Bereicherung des Bedachten verlangte, ist der subjektive Tatbestand heute im Gesetz nur noch in der Bezeichnung "freigebige" Zuwendung angedeutet. Der Reichsfinanzhof hat aber bereits in seinem Urteil vom 19.12.1925 (RStBl 1926, 126) die Freigebigkeit vornehmlich als subjektives Tatbestandsmerkmal verstanden. Dies ist bis heute allgemein anerkannt (s. Weinmann in M/W, § 7 Rn. 109; Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 267; Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 85), wenngleich ein Bereicherungswille in der Form des § 40 ErbStG 1919 heute nicht mehr erforderlich ist.
Rz. 449
Das Tatbestandsmerkmal der Freigebigkeit grenzt zunächst den Anwendungsbereich der Schenkungsteuer von dem der Einkommensteuer ab (s. Klein-Blenkers, Die Bedeutung subjektiver Merkmale im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 1992, Rn. 86 ff.), in dem es den Willen des Zuwendenden fordert, den Bedachten unentgeltlich zu bereichern. Des Weiteren grenzt es die freigebige Zuwendung von der zivilrechtlichen Schenkung nach § 516 BGB ab, in dem für Erstere ausschließlich einseitig auf die Freigebigkeit des Zuwendenden abgestellt wird, während bei Letzterer die Einigung über die Unentgeltlichkeit zwischen den Parteien vorliegen muss (s. auch R E 7.1 Abs. 3 ErbStR).
Rz. 450
vorläufig frei
2.6.1 Wille zur Freigebigkeit
Rz. 451
Was im Einzelnen unter dem Willen zur Freigebigkeit zu verstehen ist, ist in der Vergangenheit unter verschiedensten Begriffen (Bereicherungswille, Wille zur Unentgeltlichkeit, Wille zur Freigebigkeit, Bewusstsein der Unentgeltlichkeit) diskutiert worden. Nach der objektivierenden Theorie von Schulze-Osterloh (StuW 1977, 122) soll der subjektive Tatbestand einer freigebigen Zuwendung bereits erfüllt sein, wenn Kenntnis des Zuwendenden über die Tatsachen besteht, aus denen sich die objektive Un- oder Teilentgeltlichkeit der Zuwendung ergibt. Der subjektive Zuwendungstatbestand wird demnach auf ein bloßes Wissenselement reduziert.
Rz. 452
Nach Klein-Blenkers (a. a. O.) und Petzoldt (in FS für Günther Felix, Köln 1989, 331) ist der Oberbegriff des Willens zur Freigebigkeit in drei Elemente unterteilt:
- den Willen zur Bereicherung,
- den Willen zur Unentgeltlichkeit und
- den Willen zur schenkweisen Zuwendung.
Rz. 453
Der Wille zur Bereicherung soll vorliegen, wenn der Zuwendende den Bedachten durch die Zuwendung wirtschaftlicher Vorteile begünstigen will. Der Wille zur Unentgeltlichkeit als zweites Willenselement umfasst das Bewusstsein und den Willen des Zuwendenden, die Zuwendung unentgeltlich, also nicht um einer Gegenleistung willen oder in Erfüllung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Als drittes Element soll für den Willen zur Freigebigkeit der Wille einer schenkweisen Zuwendung erforderlich sein, der dann vorliegt, wenn die Zuwendung um der Bereicherung des Empfängers willen geschieht und nicht zur Regelung arbeitsrechtlicher, familienrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Beziehungen. Durch das dritte Element, den Willen zur schenkweisen Zuwendung, wird ermöglicht, dass auch Motivationen und Zielsetzungen der Zuwendungsbeteiligten in den subjektiven Tatbestand mit einbezogen werden können.
Rz. 454
Zwischen diesen beiden in der Theorie vorhandenen Extrempolen hat sich der BFH eingependelt. Mit Urteil vom 02.03.1994 (BStBl II 1994, 366), in dem er über die Steuerpflicht ehebedingter unbenannter Zuwendungen zu entscheiden hatte, hat er detailliert zum subjektiven Tatbestand freigebiger Zuwendungen Stellung genommen und Klein-Blenkers und Petzoldt eine Absage erteilt. Danach reicht dem BFH der (einseitige) Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit aus, um die Freigebigkeit zu bejahen. Ein auf die Bereichung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht (animus donandi) und ein "Wille zur schenkweisen Zuwendung" ist nicht erforderlich. Dem hat sich die FinVerw angeschlossen (R E 7.1 Abs. 3 ErbStR).
Rz. 455
Nach ständiger Rspr. des BFH (BFH vom 02.03.1994 BStBl II 1994, 366; vom 30.03.1994, BFH/NV 1995, 70 m. w. N.) liegt der Wille zur Unentgeltlichkeit vor, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit der Zuwendung derart bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und sei es auch nur in Bezug auf eine Naturalobligation und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung (ohne einen Gemeinschaftszweck) erbringt. Anders ausgedrückt ist der Wille zur Unentgeltlichkeit dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu erhalten. Ermittelt wird der "Wil...