M will testamentarisch neben den Kindern S und T auch die Lebensgefährtin L berücksichtigen. Zum Nachlass gehören drei Mietshäuser (alle mit einem Verkehrswert von 1 Mio. EUR und je einem Steuerwert von 0,8 Mio. EUR). M setzt S und T zu je 1/2 als Erben ein und verfügt gleichzeitig, dass L eines dieser Mietshäuser zu einem festgelegten Preis von 0,6 Mio. EUR erwerben kann. Zwei Jahre nach dem Tode des M (01) teilt L das ihr zustehende Kaufangebot den Waisen S und T in 03 mit. Rein wirtschaftlich betrachtet ist es offensichtlich, dass beim Abschluss des Kaufvertrages die Erben verpflichtet sind, einen Nachlassgegenstand mit einem Verkehrswert von 1 Mio. EUR zu einem Kaufpreis von 0,6 Mio. EUR zu verkaufen. Der objektive Vermögensnachteil aus diesem Geschäft beträgt für S und T insgesamt 0,4 Mio. EUR und umgekehrt ist dies der Vermögensvorteil der L. Wie werden Anspruch (der L) und Verpflichtung (der Erben) angesetzt?
Lösung:
a) Ansatz des Anspruchs bei L
Die richtige Behandlung des Sachleistungsanspruches bei Kaufrechtsvermächtnissen war heftig umstritten. Die Verwaltung sprach sich – im Ergebnis – in verschiedenen Ländererlassen für eine Verkehrswert-Beurteilung des Erwerbsrechts aus (s. Ländererlass vom 10.05.1993, BStBl I 1993, 487). Demgegenüber haben sich einige Finanzgerichte für den Steuerwert als Grundlage der Besteuerung der L ausgesprochen. Danach hätte L einen aktiven Wert von 0,8 Mio. EUR erhalten, dem eine Schuld von 0,6 Mio. EUR gegenübersteht. Der BFH hat mit drei Urteilen vom 06.06.2001 dem Streit – mit einer zusätzlichen überraschenden Erkenntnis – ein Ende bereitet (BStBl II 2001, 605; BStBl II 2001, 725; BFH/NV 2001, 1564).
Als Nachlassgegenstand wird bei einem Sachleistungsanspruch das Gestaltungsrecht (das Übernahmerecht) – und nicht der Gegenstand selbst (Steuerwert) – definiert.
Damit korrespondierend stellt der gemeine Wert des Übereignungsanspruchs die Bereicherung des Vermächtnisnehmers dar. Dieser richtet sich nach dem Verkehrswert des Gegenstandes (1 Mio. EUR) abzüglich der Kaufpreisverpflichtung (0,6 Mio. EUR) und beträgt demnach 0,4 Mio. EUR.
Neuland betrat der BFH, als er die Steuer hierfür – analog zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG (und gegen den Wortlaut von § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG!) – erst mit der Geltendmachung des Anspruches entstehen lässt (so auch R B 9.1 Abs. 1 Satz 4 ErbStR: Zeitpunkt des Vertragsabschlusses; vgl. auch § 9 Rn. 26).
b) Bewertung der Verpflichtung
Für die Frage, mit welchem Wert die Verpflichtung bei den Erben anzusetzen ist, liegt eine nunmehr gesicherte Rechtsprechung vor. Der BFH hat in den ersten Entscheidungen zur Kategorie der Sachleistungsverpflichtungen (noch nicht erfüllte Ansprüche aus einem Kaufvertrag bzw. aus einem Vermächtnis) auf den gemeinen Wert der Verpflichtung abgestellt (s. BFH vom 24.08.1962, BStBl II 1962, 526). Nachdem dies zwischenzeitlich anders gesehen wurde, kehrt der BFH mit zwei Entscheidungen aus den Jahren 1990 und 1997 (zuletzt vom 15.10.1997, BStBl II 1997, 820) und mit ihm die Verwaltung (s. R B 9.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR) – zu den ersten Entscheidungen zurück und berücksichtigt Sachleistungsverpflichtungen mit dem gemeinen Wert.
Während das Grundstück im Erwerbsfall mit dem Steuerwert (0,8 Mio. EUR) angesetzt wird, ist die Sachleistungsverpflichtung mit 0,4 Mio. EUR von der Miterbengemeinschaft anzusetzen.