Rz. 190
Berücksichtigungsfähig sind auch Schulden, die erst mit dem Erbfall entstehen, in ihrer Grundlage aber noch vom Erblasser herrühren.
Rz. 191
Dazu gehört z. B. auch die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten, falls dieser nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist (s. § 1371 Abs. 2 BGB). Zwar ist diese nicht zu Lebzeiten des Erblassers entstanden, aber sie hat ihren Grund in der vom Erblasser geschlossenen Ehe ohne Güterstandsvereinbarung. Ist nicht damit zu rechnen, dass der überlebende Ehegatte die Zugewinnausgleichsforderung fordern wird, so stellt diese keine wirtschaftliche Belastung dar und ist damit nicht abzugsfähig (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 10 Rn. 43); diese erst dann zum Abzug zu bringen, wenn sie geltend gemacht worden ist (s. Moench, DStR 1992, 1186), würde aber zu weit gehen. Die Zugewinnausgleichsschuld ist eine Zahlungsverpflichtung. Ebenso wie die Pflichtteilsschuld ist sie daher auch dann mit dem Nennwert anzusetzen, wenn sich der Erbe mit dem Zugewinnausgleichsberechtigten darauf einigt, die Schuld durch Übertragung von Grundstücken zu erfüllen (s. BFH vom 10.03.1993, BStBl II 1993, 368; s. auch BFH vom 22.07.2015, BStBl II 2016, 230: Ansatz mit dem Nennbetrag; auch, wenn sich die Beteiligten verglichen haben; s. auch Bayerisches FinMin vom 12.04.2016, DStR 2016, 1750 zum ungekürzten Abzug bei § 13a-begünstigtem Vermögen).
Rz. 192
Entgelte für vom Erwerber erbrachte Unterhalts-, Hilfs- oder Pflegeleistungen sind nur dann abzugsfähig, wenn auch zivilrechtlich ein Schuldverhältnis zwischen Erblasser und Erwerber vorhanden war, kraft dessen der Erwerber berechtigt war, eine vereinbarte Vergütung zu fordern. Leben die Betroffenen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen, so werden Unterhalts- und Pflegeleistungen grundsätzlich unentgeltlich erbracht, die Vereinbarung einer Gegenleistung stellt daher eine Schenkung dar. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die vereinbarten Pflegeleistungen über das hinausgehen, was üblicherweise im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu erwarten ist (s. OLG Köln vom 22.11.1996, FamRZ 1997, 1113 m. w. N.). Dementsprechend lehnt die Rechtsprechung in diesen Konstellationen auch einen Schuldabzug in Bezug auf die erbrachten Leistungen bei der Erbschaftsteuer ab (s. BFH vom 15.06.1988, BStBl II 1988, 1006; FG München vom 18.01.1995, UVR 1995, 116). Eine entgeltliche Leistung kommt nach dieser Rechtsprechung nur in Betracht, wenn der Pflegende und der Erblasser nicht in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenleben, oder wenn spezielle Pflegeleistungen erbracht werden, die den Rahmen einer solchen Gemeinschaft sprengen. In diesen Fällen empfiehlt sich der Abschluss eines schriftlichen Vertrages, um Zweifel an der Entgeltlichkeit auszuräumen. Ein solcher Vertrag ist auch nicht gem. § 2302 BGB nichtig, weil es sich dabei um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt, bei dem lediglich der Zahlungszeitpunkt auf den Tod hinausverzögert wurde, und nicht um eine Verfügung von Todes wegen (s. hierzu Kanzleiter in Staudinger, § 2302 Rn. 9). Liegt keine bloße Verzögerung des Zahlungszeitpunktes vor, sondern verspricht der Erblasser dem Pflegenden, dass er diesen als Entgelt für die von ihm erbrachten Leistungen von Todes wegen durch Erbeinsetzung oder Vermächtnis bedenken wird, so geht die zivilrechtliche Rechtsprechung des BAG und des BGH davon aus, dass in diesem Fall nicht ein gem. § 2303 BGB nichtiger Vertrag vorliegt, sondern dass es sich um eine gültige Dienstvereinbarung handelt, verbunden mit der Erwartung einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen. Wird diese Vergütungserwartung nicht erfüllt, so soll der Dienstleistungserbringer beim Tod des Erblassers einen Anspruch auf übliche Vergütung gem. § 612 BGB haben (s. hierzu kritisch Richardi in Staudinger, § 612 Rn. 26 ff. m. w. N.). Ist dies der Fall, so kann der Erbe den Vergütungsanspruch gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehen. Sofern eine zivilrechtlich gültige Vereinbarung vorliegt, kommt es auch nicht darauf an, ob die Vereinbarung den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen über den Fremdvergleich entspricht (s. BFH vom 25.10.1995, BStBl II 1996, 11 zur Rückforderung von Darlehen). Falls eine abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit vorliegt, so kann für Erwerbe von Todes wegen zugunsten des Pflegenden der Steuerfreibetrag gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht gewährt werden (s. BFH vom 28.06.1995, BStBl II 1995, 784). Der Pflegende hat in diesen Fällen keinen Erwerb gem. ErbStG zu versteuern, sondern muss die Vergütung ggf. der Einkommensteuer unterwerfen.
Rz. 193
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Schuldenabzug gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aber auch möglich sein soll, wenn eine Erb- oder Vermächtniseinsetzung tatsächlich erfolgt ist. Aus § 10 Abs. 3 ErbStG ergebe sich, dass der Anspruch auf Vergütung nicht erloschen sei und deshalb die übliche Vergütung bereicherungsmindernd zu berücksichtigen sei (obiter dictum des BFH vom 09.11.1994, BStBl II 199...