Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 177
Gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d) ErbStG sind Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile und Grundstücksgleiche Rechte und Bauten nicht als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren, wenn
- sie zum Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers, einer Kapitalgesellschaft oder zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören
- und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen i. S. d. § 181 Abs. 9 BewG besteht
- und die Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach § 14 AO erfordert.
Liegen die genannten Voraussetzungen kumulativ vor, werden alle Grundstücke, die zur Nutzung überlassen werden, als Produktivvermögen qualifiziert. Von der positiven Infektionswirkung werden somit auch solche Grünstücke erfasst, die nicht zu Wohnzwecken sondern zu gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken genutzt werden (vgl. R E 13b.17 Abs. 2 S. 5 ErbStR). Die Prüfung der Voraussetzungen hat dabei immer betriebsbezogen zu erfolgen und nicht für das gesamte auf den Erwerber übergehende Vermögen (vgl. Korezkij in BeckOK, ErbStG § 13b Rz. 156; s. a. R E 13b.17 Abs. 2 S. 6 ErbStR).
6.2.6.1 Betriebliche Immobilien
Rz. 178
Während die Voraussetzung betrieblicher Grundstücke bei gewerblichen Personengesellschaften sowie den Kapitalgesellschaften immer gegeben ist, da diese kein Privatvermögen kennen, erfordert die Annahme von Betriebs-Immobilien bei einem Einzelunternehmer eine Einzelfallentscheidung. Der Begriff "Betrieb" beschreibt in Verbundkonstellationen nicht die gesamte wirtschaftliche Einheit mit allen Beteiligungsgesellschaften, sondern vielmehr den Betrieb der jeweiligen zum Verbund gehörenden Gesellschaften (vgl. Hannes/Holtz in M/H/H ErbStG § 13b Rz. 57). Zudem scheiden Grundstücke aus, die sich im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters befinden. Dabei handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die im zivilrechtlichen Eigentum des Gesellschafters stehen und der Gesellschaft zur Nutzung überlassen werden (vgl. Jülicher in T/G/J/G, ErbStG § 13b Rz. 291). Hingegen ist es nicht erforderlich, dass das Wohnungsunternehmen zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks ist. Folglich sind die Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens auch dann erfüllt, wenn sich das Wohnungsunternehmen eines Erbbaurechts bedient (vgl. Stalleiken in von Oertzen/Loose ErbStG Rz. 131).
6.2.6.2 Wohnungsvermietung als Hauptzweck
Rz. 179
Der Hauptzweck des Betriebes muss in der Vermietung von eigenen Wohnungen i. S. d. § 181 Abs. 9 BewG liegen. Das ist der Fall, wenn die Vermietung den überwiegenden Teil der betrieblichen Tätigkeit ausmacht (vgl. R E 13b.17 Abs. 2 S. 1 ErbStR). Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, sind vermietete Grundstücke (bzw. Grundstücksteile), die entsprechend der Funktions- und Nutzungsdefinition von R 4.2 Abs. 9 EStR fremdgewerblich oder zu fremden freiberuflichen (und sonstigen nicht privaten) Zwecken genutzt werden, ebenfalls nicht verschonungsschädlich (vgl. R E 13b.17 Abs. 2 S. 5 ErbStR).
Rz. 180
Ob die Vermietung den überwiegenden Teil der betrieblichen Tätigkeit ausmacht, ermittelt sich anhand der 50 %-Grenze (vgl. Korezkij in BeckOK, ErbStG § 13b Rz. 158). Als Maßstab gilt dafür die Summe der Grundbesitzwerte aller zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke oder Grundstücksteile im Verhältnis zur Summe der Grundbesitzwerte aller vermieteten Grundstücke (vgl. R E 13b.17 Abs. 2 S. 4 ErbStR). Im Falle des Leerstands eines zur Vermietung bestimmten Grundstücks aufgrund eines Mieterwechsels oder aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen ist die Zweckbestimmung maßgeblich (vgl. R E 13b.17 Abs. 2 S. 3 ErbStR).
Rz. 181
Der qualifizierte Wohnungsbegriff i. S. d. § 181 Abs. 9 BewG setzt voraus, dass die vermieteten Wohnungen eine Mindestgröße von 23m2 haben und die Führung eines eigenständigen Haushalts ermöglichen (vgl. Stalleiken in von Oertzen/Loose ErbStG Rz. 127). Die Grundbesitzwerte der vermieteten Grundstücke werden anhand der einschlägigen Vorschriften des Bewertungsgesetzes (§§ 158ff. BewG) ermittelt. Geck weist jedoch zu Recht daraufhin, dass der Begriff des Grundbesitzwerts mehrdeutig ist und anhand verschiedener Bewertungsverfahren ermittelt werden kann, so dass er vorschlägt, das Ertragswertverfahren für sämtliche Immobilien anzuwenden (vgl. Geck in K/E, ErbStG § 13b Rz. 117). Das Vorgehen der Finanzverwaltung ist in der Praxis aber eine strenge Befolgung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Die Behandlung einer Instandhaltungsrücklage bei Wohnungs- und Teileigentum i. S. d. § 93 BewG ist nicht eindeutig geklärt. Grundsätzlich sollte sie als sonstige Kapitalforderung den Grundstückswert nicht beeinflussen (vgl. Korezkij in BeckOK, ErbStG § 13b Rz. 158; s. d. OFD Frankfurt vom 09.06.2020, ZEV 2020).
6.2.6.3 Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs
Rz. 182
Zudem ist die steuerliche Privilegierung an das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i. S. d. § 14 AO geknüpft. § 14 AO stellt ab auf eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinau...