Ausgewählter Literaturhinweis:

Stöckel, Sind Windfarmen/-parks dem Grundvermögen zuzurechnen?/Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Grundvermögen, NWB 2013, 292.

1 Bewertungsgegenstand wirtschaftliche Einheit

1.1 Begriff

 

Rz. 1

Die Bedarfsbewertung ist die Grundlage einer Erbschaft- und Schenkungsteuerfestsetzung. So ist z. B. bei einer Erbschaft zunächst der Vermögensanfall (Nachlass) zu ermitteln, der dann nach den Vorschriften des BewG bewertet werden muss. Bewertungsgegenstand innerhalb der jeweiligen Vermögensart ist immer die sog. wirtschaftliche Einheit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG). Jede wirtschaftliche Einheit muss als solche erkannt und sodann für sich bewertet werden.

 

Rz. 2

Eine wirtschaftliche Einheit kann aus nur einem oder auch aus mehreren Wirtschaftsgütern bestehen. Der Begriff WG ist ein rein steuerlicher Begriff. Er ist gesetzlich nicht definiert, sondern wurde vom BFH entwickelt. Er hat den Begriff in seinem Urteil vom 19.06.1997 (BStBl II 1997, 808) wie folgt erläutert: "Wirtschaftsgüter sind Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können."

Wirtschaftsgüter sind also selbstständig bewertungsfähige Güter, die einen Geldwert haben, im wirtschaftlichen Verkehr eingesetzt werden und diesem nicht entzogen sind. So ist bspw. ein Mensch, wie auch ein Grabstein auf dem Grab oder eine angepasste Prothese, kein WG. Wirtschaftsgüter können durch Herstellung (Realakt), durch Vertrag (Rechtsakt, z. B. eine Forderung/Verbindlichkeit) oder durch Gesetz (z. B. Umsatzsteuerschuld) entstehen.

 

Rz. 3

Vergleicht man den Begriff WG mit dem Begriff Gegenstand i. S. d. Umsatzsteuer oder des BGB, so lässt sich feststellen, dass diese Begriffe nicht immer identisch sind. Gegenstände i. S. d. BGB sind Sachen (§ 90 BGB) und Rechte (z. B. Forderungen, Patentrechte) sowie andere Werte (z. B. Geschäftswert einer Firma). So ist z. B. ein Gebäude kein eigener Gegenstand i. S. d. BGB, sondern wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks (s. § 94 BGB); das Gebäude ist aber sehr wohl ein WG i. S. d. BewG. Gas oder Wärme können Gegenstand einer Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG sein, sind aber weder ein Gegenstand nach dem BGB noch ein WG nach dem BewG.

1.2 Einzelbewertung vs. Gesamtbewertung

 

Rz. 4

Besteht die wirtschaftliche Einheit aus nur einem WG, so wird diese wirtschaftliche Einheit einzeln bewertet (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG). Durch den sog. Bewertungsmaßstab wird der Bedarfswert dieser wirtschaftlichen Einheit ermittelt.

Gehören hingegen mehrere Wirtschaftsgüter zu der wirtschaftlichen Einheit, so kommt grds. die Gesamtbewertung zur Geltung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BewG). Das hat zur Folge, dass – wie z. B. beim Grundvermögen – die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit "bebautes Grundstück" in einem pauschalierten Verfahren (z. B. Ertragswertverfahren) durchgeführt wird. Der dadurch ermittelte (pauschalierte) Grundbesitzwert beinhaltet alle Wirtschaftsgüter, die zu der wirtschaftlichen Einheit "bebautes Grundstück" gehören (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG), ohne dass der einzelne Wert des WG eine Rolle spielt (dazu z. B. § 184 Abs. 3 BewG). Bilden viele Wirtschaftsgüter die wirtschaftliche Einheit, kommt nur in Ausnahmefällen eine Einzelbewertung in Betracht, so z. B. i. R.d. Bewertung eines Gewerbetriebs (BV), wenn es bspw. zur Substanzbewertung kommt (§ 2 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG) oder wenn bei Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens "besondere" Wirtschaftsgüter Berücksichtigung finden (§ 2 Abs. 3 i. V. m. § 200 Abs. 2 bis 4 BewG).

1.3 Mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit

 

Rz. 5

Befindet sich bspw. ein Doppelhaus im Eigentum einer Person, so stellt sich bei deren Tod die Frage, wie viele wirtschaftliche Einheiten vererbt werden und wie viele demnach bewertet werden müssen? Klar ist nur, dass die Vermögensart Grundvermögen angesprochen ist. Über § 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG lässt sich jedoch nicht die Frage klären, wie viele wirtschaftliche Einheiten vorhanden sind.

Mehrere Wirtschaftsgüter können nur dann zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Eigentümeridentität

    Die Wirtschaftsgüter müssen demselben Eigentümer gehören (§ 2 Abs. 2 BewG). Eigenes Eigentum kann insoweit nicht mit fremdem Eigentum vermischt werden, was logisch erscheint, denn nicht im eigenen Eigentum befindliches Vermögen kann z. B. auch nicht vererbt werden (§ 1922 Abs. 1 BGB). Das Erbschaftsteuerrecht knüpft grds. an den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff an (§ 1922 Abs. 1 BGB und § 39 Abs. 1 AO; Ausnahme z. B. beim Zeitpunkt der Schenkung eines Grundstücks, R E 9.1 ErbStR). Das bedeutet, dass Gegenstände dem Eigentümer, Forderungen dem Gläubiger, Schulden dem Schuldner und Rechte (z. B. Nießbrauch) dem Berechtigten zuzurechnen sind. Wirtschaftliches Eigentum spielt also insoweit keine Rolle.

  2. Zugehörigkeit zur gleichen Vermögensart

    In vielen Fällen sieht ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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