Abzug von Schuldzinsen nach Veräußerung

Schuldzinsen sind als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abziehbar, soweit der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der Darlehen ausreicht.

Hintergrund
X erwarb 1994 ein Wohngebäude zur Vermietung. Den Kaufpreis von 1.8 Mio. EUR finanzierte er teilweise über Darlehen. 2001 veräußerte er das Objekt für 1.1 Mio. EUR. Da der Erlös nicht ausreichte, um die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden Darlehen abzulösen, fielen im Streitjahr 2004 noch Schuldzinsen von 21.000 EUR an, die X als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machte. Das Finanzamt und das Finanzgericht verweigerten den Abzug unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung. Danach wurde nach der Veräußerung des Objekts oder der Aufgabe der Vermietungsabsicht der erforderliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart VuV verneint, und zwar auch dann, wenn der Veräußerungserlös nicht ausreichte, um das zur Anschaffung aufgenommene Darlehen abzulösen.

Entscheidung
Der BFH hält an der bisherigen restriktiven Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus VuV nicht mehr fest. Die bisherige Rechtsprechung war nur im Hinblick auf den "Spekulationscharakter" steuerpflichtiger Veräußerungsgeschäfte bei der früheren "Spekulationsfrist" von 2 Jahren gerechtfertigt.

Die Notwendigkeit der Fortentwicklung der Rechtsprechung ergibt sich insbesondere aus der mit dem Jahressteuergesetz 1996 eingeführten Regelung, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen zu berücksichtigen sind (§ 23 Abs. 3 EStG). Damit wird die Gewinnermittlung bei einem steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäft strukturell der Gewinnermittlung bei der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt. Außerdem wurde mit der Verlängerung der Veräußerungsfrist ab 1999 auf 10 Jahre der Besteuerungszugriff wesentlich ausgedehnt. Aufgrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist es folgerichtig, nachträgliche Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften gleich zu behandeln. Der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Anschaffung wird daher auch nach der Veräußerung des Objekts bejaht, sofern der Erlös nicht ausreicht, um das Darlehen abzulösen (Grundsatz des Vorrangs der Schuldtilgung).

Hinweis
Mit der Veräußerung wird sonach kein "neuer" Veranlassungszusammenhang mit den sonstigen Einkünften (i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG) geschaffen. Es bleibt bei der bisherigen Veranlassung mit den Einkünften aus VuV. Der BFH weist noch darauf hin, dass die Gewinnermittlung bei Veräußerungsgeschäften zeitpunktbezogen ist. Aufgrund dieser Besonderheit können Schuldzinsen, die nicht innerhalb der Veräußerungsfrist (10 Jahre) angefallen sind, nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht vor der Veräußerung nicht aufgegeben wurde, vom Fortbestand des Veranlassungszusammenhangs auszugehen. Im Schrifttum wird teilweise vertreten, auch bei einem Verkauf außerhalb der 10-Jahresfrist müssten die Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar sein, da auch insoweit der Veranlassungszusammenhang mit den bisherigen Einkünften aus VuV fortbestehe.

Urteil v. 20.6.2012, IX R 67/10, veröffentlicht am 5.9.2012