Aufrechnung eines Rechtsanwalts mit Honoraransprüchen

Hintergrund: Fremdgeld als durchlaufender Posten oder Betriebseinnahme
Der Rechtsanwalt (R) ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. In 2011 erstritt er für eine Mandantin eine Vergleichszahlung. Der Vergleichsbetrag (290.000 EUR) wurde im Januar 2011 auf ein Konto des R, über das er betriebliche und private Zahlungen abwickelt, überwiesen. R leitete lediglich 240.000 EUR an die Mandantin weiter. 50.000 EUR behielt er mit der Begründung ein, ihm stünden nicht erfüllte Honorarforderungen zu, mit denen er gegen den Herausgabeanspruch aufrechne.
In dem anschließenden Zivilrechtsstreit entschied das Landgericht (LG), der Honoraranspruch des R sei bereits im Wesentlichen erfüllt worden. Er habe nur in Höhe eines Restbetrags (4.802 EUR) wirksam aufrechnen können. R wurde daher zur Zahlung weiterer 45.197 EUR an die Mandantin verurteilt. Das Urteil wurde in 2014 rechtskräftig.
Bei einer USt-Sonderprüfung ermittelte das FA, dass R den von ihm beanspruchten Differenzbetrag (50.000 EUR) in seiner Einnahmen-Überschussrechnung nicht erfasst hatte, und erhöhte die ESt entsprechend. Die dagegen gerichtete Klage, mit der R die Minderung seiner freiberuflichen Einkünfte um 45,197 EUR begehrte, wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, R habe sich mit der Aufrechnung des streitigen Geldbetrags als Honorar bemächtigt.
Entscheidung: Kein durchlaufender Posten bei fehlender Verklammerung von Einnahme und Ausgabe
Der BFH bestätigte das FG-Urteil und wies die Revision des R zurück. Bei dem Fremdgeld handelt es sich um eine Betriebseinnahme, die nicht als durchlaufender Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG aus der Gewinnermittlung auszuscheiden ist.
Begriff des durchlaufenden Postens
Voraussetzung für die Beurteilung zu- und abfließender Geldbeträge als durchlaufender Posten in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist die Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang, d.h. es müssen beide Geldbewegungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung geschehen (BFH v. 18.12.1975, IV R 12/72, BStBl II 1976, 370). Sind beide Geldbewegungen in dieser Weise verklammert, scheiden sie bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung aus Vereinfachungsgründen aus der Ermittlung des Betriebsergebnisses aus, da sie wirtschaftlich betrachtet nicht in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gelangen. Danach ist im Streitfall nur der weitergeleitete Betrag (240.000 EUR) als durchlaufender Posten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG aus der Gewinnermittlung auszuscheiden.
Kein durchlaufender Posten bei Aufgabe des Weiterleitungswillens
Für die Verklammerung beider Geldbewegungen zu einem einheitlichen Vorgang ist erforderlich, dass zwischen dem Zahlungsverpflichteten (dem Steuerpflichtigen) und dem Zahlungsberechtigten durchgehend eine unmittelbare, nach außen erkennbare Rechtsbeziehung besteht, nach der der Steuerpflichtige zur Weiterleitung des Fremdgelds schuldrechtlich verpflichtet ist und er bis zur Verausgabung an den Berechtigten den Willen zur Weiterleitung des Gelds nicht nach außen erkennbar aufgibt (BFH v. 16.12.2014, VIII R 19/12, BStBl II 2015, 643, Rz. 19). R hat jedoch durch die Erklärung der Aufrechnung mit eigenen Honorarforderungen gegen den Herausgabeanspruch der Mandantin die Verklammerung des Fremdgelds mit einer künftigen Verausgabung an den Zahlungsberechtigten (die Mandantin) endgültig gelöst. Er hat das Fremdgeld nicht mehr für fremde Rechnung verwahrt, sondern als ihm zustehende Honorareinnahme behandelt.
Die Weiterleitungsverpflichtung begründet für sich keinen durchlaufenden Posten
Die rechtliche Verpflichtung des R, den Betrag an die Mandantin zu zahlen, steht der Erfassung als Betriebseinnahme nicht entgegen. Die Verklammerung zwischen Einnahme und Ausgabe besteht dadurch nicht fort, wenn der Steuerpflichtige – wie hier R – den Willen zur Weiterleitung nach außen erkennbar aufgegeben hat. Denn das endgültige "Behaltendürfen" eines vereinnahmten oder dem Betriebsvermögen zugeordneten Betrags ist nicht Merkmal des Zuflusses einer Betriebseinnahme (BFH v. 2.8.2016, VIII R 4/14, BStBl II 2017, 310, Rz 21). Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige bereits im Zuflusszeitpunkt einer drohenden Rückzahlungsverpflichtung unterliegt. Erst die tatsächliche Rückzahlung einer zuvor vereinnahmten Zahlung führt zu einer Betriebsausgabe im Jahr des Abflusses (BFH v. 13.10.1989, III R 30, 31/85, BStBl II 1990, 287). Danach steht auch die durch das rechtskräftige Urteil des LG gegenüber der Mandantin bestätigte Zahlungsverpflichtung des R der Annahme einer Betriebseinnahme durch den Wegfall der Verklammerung im Streitjahr nicht entgegen.
Hinweis: Entnahme außerhalb der Einkünfteerzielung bei Untreue
Der BFH weist auf den Unterschied zur Veruntreuung von Fremdgeldern hin. Der BFH hat eine Entnahme des Fremdgelds direkt aus dem Fremdbetriebsvermögen ohne Durchgang als Betriebseinnahme durch das Betriebsvermögen des Rechtsanwalts bejaht, weil dieser wie ein fremder Dritter "in die Kasse" seines Unternehmens gegriffen hatte und die Vereinnahmung des Fremdgelds außerhalb des Tatbestands der Einkünfteerzielung lag (BFH v. 16.12.2014, VIII R 19/12, BStBl II 2015, 643). Im Streitfall wurde der Wegfall der Verklammerung jedoch nicht durch einen strafbaren Zugriff des R auf das Fremdgeld verwirklicht. Die Aufrechnung mit eigenen Honoraransprüchen gegen den Herausgabeanspruch der Mandantin erfüllt nicht den Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB). R hat die Aufrechnung mit seinen abgerechneten Honorarforderungen nicht in der Absicht erklärt, sich rechtswidrig zu bereichern. Bei Abgabe der Aufrechnungserklärung im Rahmen seiner Klageerwiderung vor dem LG ging er davon aus, dass ihm Honoraransprüche in Höhe des aufgerechneten Betrags zustünden.
BFH Urteil vom 29.09.2020 - VIII R 14/17 (veröffentlicht am 25.02.2021)
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