Keine Steuersatzermäßigung für Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld
Hintergrund: Wechsel zu einer Transfergesellschaft mit Aufstockung des Transferkurzarbeitergelds
X war mehr als 24 Jahre bei der B-AG beschäftigt. Wegen Stilllegung eines Werks der B-AG wurde das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31.3.2015 aufgehoben. Mit dem Aufhebungsvertrag wurde in derselben Urkunde zudem ein auf 2 Jahre befristetes Arbeitsverhältnis zwischen X und der A-Transfer-GmbH begründet. Die Transfer-GmbH ist ein rechtlich selbständiges Unternehmen ohne gesellschaftsrechtliche Verbindung zur B-AG. Geschäftsgrundlage dieses Arbeitsverhältnisses war die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III. Die Transfer-GmbH verpflichtete sich zur Zahlung eines Zuschusses zum Transferkurzarbeitergeld. Einen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber der Transfer-GmbH hatte X nicht. Mit dem Arbeitsverhältnis bei der Transfer-GmbH sollten Qualifizierungsmöglichkeiten eröffnet und die Arbeitsmarktchancen für X verbessert werden.
X erhielt im Streitjahr 2015 von der B-AG bis 31.3.2015 laufenden Arbeitslohn sowie die vereinbarte Abfindung (rund 157.000 EUR). Zudem erhielt er Transferkurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit. Die Transfer-GmbH zahlte dazu Aufstockungsbeträge (Zuschüsse) von rund 7.000 EUR in 2015. Das FA unterwarf lediglich die Abfindung als außerordentliche Einkünfte dem ermäßigten ESt-Tarif. Die Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld erfasste es dagegen als laufenden Arbeitslohn.
Nach Auffassung des FG wurde der Zuschuss mangels tatsächlicher Tätigkeit nicht als Arbeitslohn gezahlt
Das FG gab der Klage statt. Es ging davon aus, die Aufstockungsbeträge seien nicht die Gegenleistung für laufende Arbeitsleistungen des X, sondern Teil der begünstigten Gesamtabfindung. Denn X habe keinen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber der Transfer-GmbH gehabt und er sei auch tatsächlich nicht beschäftigt worden.
Entscheidung: Auch bei einem Verzicht auf die Arbeitsleistung kann ein Arbeitsverhältnis vorliegen
Eine steuerbegünstigte Entschädigung muss u.a. unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt, d.h. durch den Fortfall der erwarteten oder zu erwartenden Einnahmen sachlich begründet sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen und auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (vgl. z.B. BFH v. 13.3.2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709).
Das FG hat den unmittelbaren Zusammenhang damit begründet, die Zahlungen könnten nicht Gegenstand einer laufenden Einkünfteerzielung sein, da X keinen Beschäftigungsanspruch gehabt habe und auch tatsächlich nicht tätig geworden sei.
Dem widerspricht der BFH. Zum einen kann ein Arbeitgeber gänzlich auf die Arbeitsleistung verzichten, ohne dass dies der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegenstände. Zum anderen trafen X aus dem mit der Transfer-GmbH geschlossenen Vertrag zahlreiche aktive Mitwirkungs- und Teilnahmepflichten. Auch hatte er den Weisungen der Transfer-GmbH zu folgen. Ein Pflichtenverstoß hätte die Transfer-GmbH zur Kündigung des Transfer-Arbeitsverhältnisses berechtigt. Dass sich die Verpflichtungen des X in erster Linie auf Maßnahmen zur Qualifizierung und Verbesserung seiner Arbeitsmarktchancen bezogen, spricht – wie ein Ausbildungsdienstverhältnis verdeutlicht - nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.
Grundlage der Aufstockungsbeträge ist das Arbeitsverhältnis
Der BFH hob demzufolge das diesen Grundsätzen widersprechende FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Die Aufstockungsbeträge flossen X aus dem mit der Transfer-GmbH vereinbarten Arbeitsverhältnis zu. Der allenfalls mitursächliche Zusammenhang zwischen der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses wird durch das Arbeitsverhältnis mit der Transfer-GmbH überlagert und rechtfertigt nicht die Annahme einer Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Der einfache Kausalzusammenhang i.S. einer "conditio sine qua non" genügt nicht dem Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhangs.
Hinweis: Die Aufstockungsbeträge fließen auch ohne tatsächliche Beschäftigung als Arbeitslohn zu
Der BFH hatte mit dem Urteil v. 20.7.2010, IX R 23/09 (BStBl II 2011, 218) den für eine begünstigte Abfindung erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang in einem Fall verneint, in dem der Arbeitnehmer von einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übernommen wurde und dort tatsächlich (in Kurzarbeit) beschäftigt war. Davon unterscheidet sich der Streitfall dadurch, dass X keinen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber der Transfer-GmbH hatte und dort auch tatsächlich nicht beschäftigt war. Der BFH bekräftigt, dass damit allerdings ein Arbeitsverhältnis nicht ausgeschlossen ist. Denn X war zur Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen verpflichtet. Die Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld stellen sich somit – jedenfalls im weitesten Sinne – als Gegenleistung für diese Mitwirkungspflichten dar. Sie sind steuerrechtlich Arbeitslohn, ebenso wie die Vergütung im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses (BFH v. 18.7.1985, VI r 93/80, BStBl 1985, 644). Die Mitursächlichkeit durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses wird dadurch überlagert.
BFH Urteil vom 12.03.2019 - IX R 44/17 (veröffentlicht am 13.06.2019)
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