Keine Erbschaftsteuerbefreiung als Familienheim bei einem Eigentumsanwartschaftsrecht
Hintergrund: Vermächtnisweise Zuwendung einer Eigentumswohnung
Die verstorbene Ehefrau (Erblasserin) eines Steuerpflichtigen erwarb 2007 eine noch zu errichtende Eigentumswohnung. Am 28.1.2008 wurde zugunsten der Erblasserin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Im Dezember 2008 zogen der Steuerpflichtige, die Erblasserin und die beiden gemeinsamen Töchter in die Wohnung ein. Mit privatschriftlichem Testament vom 9.7.2009 verfügte die Erblasserin, der Steuerpflichtige solle bei ihrem Ableben die Eigentumswohnung allein erhalten. Für das restliche Vermögen bestimmte sie die gesetzliche Erbfolge.
Die Erblasserin verstarb am 16.7.2009. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht als Eigentümerin der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen. Das Amtsgericht wies in einem gemeinsamen Erbschein den Steuerpflichtigen zu 1/2 und die Töchter jeweils zu 1/4 als Erben aus. Bezüglich der Eigentumswohnung gingen der Steuerpflichtige und seine Töchter davon aus, dass das Testament insoweit ein Vermächtnis zugunsten des Steuerpflichtigen beinhalte. Dieser erhielt im Wege des Vermächtnisses das Alleineigentum an der Eigentumswohnung und wurde im Februar 2010 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Er nutzt die Wohnung seit dem Einzug ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken.
In der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Steuerpflichtige für den Erwerb der Eigentumswohnung die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b EStG in der für 2009 maßgebenden Fassung. Das Finanzamt gewährte die beantragte Steuerbefreiung nicht, da es annahm, der Steuerpflichtige habe von der Erblasserin nicht das Eigentum an einem Familienheim, sondern einen mit dem Verkehrswert anzusetzenden Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (Eigentumsverschaffungsanspruch) erworben.
Entscheidung: Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht erfüllt
Der BFH entscheid, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht gegeben sind.
Der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten ist nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit. Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe "Eigentum" und "Miteigentum" sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen.
Der Erwerb eines anderen Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die Immobilie, wie z. B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs oder eines dinglichen Wohnrechts genügt nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 EStG.
Der Erwerb anderer Rechte und Ansprüche, wie z. B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs, steht dem Erwerb von Eigentum oder Miteigentum nicht gleich. Durch die Auflassungsvormerkung entsteht zwar zugunsten des Käufers der Immobilie ein sogenanntes vormerkungsgestütztes Anwartschaftsrecht, wenn die Auflassung mit bindender Wirkung (§ 873 Abs. 2 BGB) erklärt ist. Der Steuerpflichtige hat von der Erblasserin durch Vorausvermächtnis kein Eigentum an der Wohnung, sondern einen durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruch erworben. Das Anwartschaftsrecht begründet aber kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinn.
Hinweis: Anspruch auf Verschaffung des Eigentums ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen
Der Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an einem Familienheim ist nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten.
BFH, Urteil v. 29.11.2017, II R 14/16; veröffentlicht am 4.4.2018.
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