Darlehen mit steigendem Zins

Für ein Darlehen mit steigenden Zinssätzen ist wegen des wirtschaftlichen Erfüllungsrückstands grundsätzlich eine (abzuzinsende) Verbindlichkeit oder eine Rückstellung auszuweisen.

Hintergrund

Die X-GmbH erwarb im Februar 2008 von einer luxemburgischen Gesellschaft Anteile an einer GmbH. Die Kaufpreisschuld wurde in ein Darlehen mit Laufzeit bis 2017 umgewandelt, wobei jährlich anfallende Zinsen ansteigend von 1,8 % im ersten Jahr bis 10,8 % im neunten Jahr vereinbart wurden. 

X bildete in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 für die Zinsverpflichtung eine Rückstellung, die sie mit 5 % der Darlehenssumme ansetzte, d.h. in Höhe des auf die Gesamtlaufzeit bezogenen durchschnittlichen Zinssatzes. Davon entfielen 10/12 auf die Zeit von Vertragsbeginn (März) bis zum Bilanzstichtag 2008.  

Das FA berücksichtigte die Rückstellung lediglich mit dem für das erste Jahr festgelegten Zinssatz von 1,8 %. Ebenso entschied das FG mit der Begründung, die Passivierungspflicht gelte nur für den Teil der Zinsen, der auf die Kapitalüberlassung bis zum Bilanzstichtag entfalle.  

Entscheidung

Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften sind nicht zu passivieren. Das Passivierungsverbot ist jedoch durchbrochen, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist. Ob ein Erfüllungsrückstand vorliegt, beurteilt sich nicht nur nach bürgerlichem Recht, sondern nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Jedenfalls setzt ein Erfüllungsrückstand voraus, dass mit der vertraglich geschuldeten künftigen Leistung Vergangenes abgegolten und nicht nur an Vergangenes angeknüpft wird. Die rückständige Gegenleistung muss der bereits früher erbrachten Vorleistung gegenseitig zweckgerichtet und bei zeitbezogenen Leistungen auch zeitlich zuordenbar sein. Besteht ein Erfüllungsrückstand und ist dessen Höhe sicher, ist eine Verbindlichkeit auszuweisen. Ist die zu erfüllende Leistung der Höhe nach ungewiss, ist eine Rückstellung zu bilden. Dabei setzt ein Erfüllungsrückstand nicht die Fälligkeit der noch geschuldeten Leistungen zum Bilanzstichtag voraus. 

Hiervon ausgehend war die X-GmbH am 31.12.2008 in einem Erfüllungsrückstand. Das betrifft jedenfalls die Zinsen in Höhe von 1,8 % für das erste Jahr. Der Darlehensgeber hatte das Kapital zum Bilanzstichtag (für 10 Monate) überlassen und ist insoweit in Vorleistung getreten, während sich die X-GmbH mit der Gegenleistung (Zinszahlung) im Rückstand befand. Dass die Zinsverbindlichkeit noch nicht fällig war, ist unerheblich. 

Entgegen der Auffassung des FG geht der BFH davon aus, dass für die Höhe des Erfüllungsrückstands darüber hinaus auf die Durchschnittsverzinsung und damit auf die ansteigenden - zivilrechtlich ebenfalls noch nicht fälligen - Zinsverbindlichkeiten der Folgejahre abzustellen ist. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung stellen die am Bilanzstichtag noch geschuldeten zukünftigen Zinszahlungen die Gegenleistung für die gesamte neunjährige Kapitalüberlassung dar. Der gesamte Zinsaufwand wird anteilig durch den am jeweiligen Bilanzstichtag zurückliegenden Zeitraum wirtschaftlich verursacht. Mit der noch ausstehenden Gegenleistung wird anteilig auch die bereits vom Darlehensgeber erbrachte Vorleistung abgegolten. Dass die aufgrund der progressiven Verzinsung ansteigenden Zinsansprüche für die Folgejahre noch nicht fällig waren, spielt keine Rolle. 

Bei der Bewertung der sonach zu passivierende Zinsverbindlichkeit ist das Abzinsungsgebot zu beachten. Die Zinsverbindlichkeit aus einem Darlehensverhältnis tritt selbständig neben die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kapitals. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Für die Abzinsung ist unerheblich, dass eine Vereinbarung über die Verzinsung fälliger Zinsen zivilrechtlich nichtig ist (Zinseszinsverbot, § 248 Abs. 1 BGB).  

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses muss zum einen noch die Abzinsungsberechnung vornehmen. Zum anderen hat das FG auch noch zu prüfen, ob der Darlehensvertrag unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs - im Hinblick auf die progressive Zinsabrede und den Bindungszeitraum - steuerrechtlich anzuerkennen ist.

Hinweis

Der BFH lehnt damit die rein zivilrechtliche Betrachtungsweise (Maßgeblichkeit des für das erste Vertragsjahr schuldrechtlich vereinbarten Zinssatzes) ab. In Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum hält er die wirtschaftliche Betrachtung für sachgerecht. Danach stellen die am Bilanzstichtag noch geschuldeten zukünftigen Zinsen die Gegenleistung für die gesamte Laufzeit des Darlehens dar. Anders kann es sein, wenn der Darlehensnehmer, der anfangs von (zu) niedrigen Zinsen profitiert, bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung keinem Nachforderungsanspruch des Darlehensgebers ausgesetzt ist. Die fehlende Nachfordenbarkeit der Zinsen im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung ist jedoch unschädlich, wenn - wie im Streitfall - keine Anhaltspunkte für eine vorzeitige Kündigung vorliegen.

BFH, Urteil v. 25.5.2016, I R 17/15, veröffentlicht am 12.10.2016

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Schlagworte zum Thema:  GmbH, Darlehen, Rückstellung, Zinsen