Entgelt für die drittnützige Verpfändung eines Bankguthabens und die Einräumung eines Abrufdarlehens

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
- Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
- Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Als Veräußerung gilt u. a. die Abtretung der Kapitalforderung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG).
- Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i. S d. § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören.
Rechtsfragen
Führt eine vereinnahmte Bürgschaftsprovision aus der Verpfändung einer Kapitalforderung zu Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder § 22 Nr. 3 EStG?
Sachverhalt: Kläger stellen Sicherheiten für GmbH
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute (Kläger) vereinbarten im Jahr 2015 die Gestellung von Sicherheiten für die N GmbH. Die N GmbH beabsichtigte, für ein bestimmtes Bauvorhaben Fremdkapital in Anspruch zu nehmen, und hatte dafür Sicherheiten zu leisten. Die Kläger gestatteten vertraglich der N GmbH, der X Bank (sicherungsnehmende Bank) ein Bankguthaben der Klägerin bei der Y Bank (kontoführende Bank) in Höhe von 200.000 EUR für 2 Jahre als Sicherheit zu stellen. Des Weiteren vereinbarten die Kläger mit der N GmbH, dass diese einen Girokredit bis zur Höhe von 250.000 EUR in beliebigen Teilbeträgen abrufen könne. Als Gesamtentgelt wurde ein Betrag von 50.000 EUR vereinbart. Das Entgelt war nach Abschluss des Bauvorhabens sowie der Rechnungsstellung durch den bzw. die Kläger von der N GmbH zu zahlen. Die Kläger waren und sind an der N GmbH nicht beteiligt.
In Vollzug der Sicherheitengestellung verpfändete die Klägerin das ihr zustehende Guthaben bei der kontoführenden Bank in Höhe von 200.000 EUR an die sicherungsnehmende Bank. Nach Freigabe des verpfändeten Betrags durch die sicherungsnehmende Bank stellte der Kläger am 8.2.2017 der N GmbH „für die zur Verfügungsstellung von Sicherheiten i. H. v. 450.000 EUR“ eine Rechnung über 50.000 EUR, die am 24.22.2017 beglichen wurde. Den von den Klägern eingeräumten Girokredit hatte die N GmbH während der Laufzeit nicht in Anspruch genommen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger nach § 32d Abs. 3 EStG das Entgelt als Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen.
Das Finanzamt (FA) folgte dem nicht und unterwarf das Entgelt im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr als Einnahme aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung. Der Einspruch und die nachfolgende Klage blieb erfolglos.
Entscheidung: BFH weist Revision als unbegründet zurück
Der BFH entscheidet, dass das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden hat, dass die von der N GmbH erhaltene Zahlung beim Kläger nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen geführt hat, sondern zu Einkünften aus Leistungen.
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG setzt Überlassung von privatem Geldvermögen voraus
Eine Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist jede auf eine Geldleistung gerichtete Forderung, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Wie der Senat zu einer früheren Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bereits entschieden hat, setzt der Tatbestand die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte voraus. Auch die im Streitjahr anzuwendende Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG verlangt ein Entgelt, das „für die Überlassung des Kapitalvermögens“ zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist. Kapital kann auf unterschiedliche Art und Weise überlassen werden. Unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung sind.
Kein Kapitalvermögen zur Nutzung überlassen
Soweit die Kläger im Interesse der N GmbH das Bankguthaben der Klägerin an die sicherungsnehmende Bank verpfändet haben, haben sie der N GmbH allerdings kein Kapitalvermögen zur Nutzung überlassen.
Unstreitig hatte die Klägerin gegen die kontoführende Bank einen Anspruch auf Auszahlung in Höhe des Bankguthabens und mithin eine Kapitalforderung i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Kläger (Sicherungsgeber) haben der N GmbH (Sicherungsbestellerin) dieses Kapital aber nicht i. S. d. gesetzlichen Tatbestands zur Nutzung überlassen. Eine Überlassung läge eindeutig bei darlehensweiser Ausreichung des Guthabens oder bei einer Abtretung der Forderung vor. In der drittnützigen Verpfändung eines Bankguthabens an die sicherungsnehmende Bank (Pfandgläubigerin) liegt aber bis zum Eintritt des Sicherungsfalls auch bei wirtschaftlicher Betrachtung noch nicht die Überlassung von Geldvermögen zur Nutzung an die Sicherungsbestellerin und an die Pfandgläubigerin vor.
Hinweis: Auch kein Kapitalertrag bei Bejahung einer Kapitalüberlassung
Das von der N GmbH gezahlte Entgelt wäre auch kein Kapitalertrag, wenn der Senat eine Kapitalüberlassung bejahen würde. Maßgeblich ist auch bei den Einkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, ob das Entgelt nach dem Veranlassungsprinzip, d. h. bei wertender Beurteilung des auslösenden Moments, durch die Kapitalüberlassung veranlasst ist. Im Fall einer fremdnützigen Sicherheitengestellung wird das Entgelt aber nach der objektiv verstandenen Zwecksetzung der Beteiligten vom Sicherungsbesteller an den Sicherungsgeber nicht für eine Überlassung von Kapital zur Nutzung gezahlt, sondern ist Gegenleistung für die vorübergehende Übernahme der dinglichen Haftung. Auch dies würde der Zuordnung des Entgelts zu den Kapitaleinkünften entgegenstehen.
Abrufdarlehen nicht in Anspruch genommen
Soweit das Entgelt für die Einräumung des von der N GmbH nicht in Anspruch genommen Abrufdarlehens gezahlt worden ist, handelt es sich ebenfalls nicht um einen Ertrag aus der Kapitalforderung für die Überlassung von Kapital. Denn mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Darlehensvertrags wird dem Darlehensnehmer nur eine künftige Nutzungsmöglichkeit am Kapitalvermögen des Darlehensgebers eingeräumt. Das Kapitalvermögen wird aber noch nicht zur Nutzung überlassen. Bei wertender Betrachtung des die Entgeltzahlung auslösenden Moments wird, ähnlich wie im Fall von Bereitstellungszinsen, nicht für die Inanspruchnahme von Fremdkapital gezahlt, sondern für die Abrufmöglichkeit und das Bereithalten des Kapitals. Ein dafür gezahltes Entgelt hat keinen zinsähnlichen Charakter.
Kein Einkünfte aus Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehören auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art. Als Veräußerung gilt u. a. die Abtretung der Kapitalforderung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Kläger haben weder durch die Verpfändung des Bankguthabens der Klägerin an die sicherungsnehmende Bank noch durch die Bereitstellung eines Geldbetrags als Abrufdarlehen eine sonstige Kapitalforderung veräußert oder abgetreten.
Entgelt führt zu Einkünften aus Leistungen
Der von der N GmbH erhaltene Betrag i. H. v. 50.000 EUR gehört vielmehr zu den Einkünften des Klägers aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG. Eine Leistung in diesem Sinne ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Hierunter fällt auch die Sicherheitengestellung für Dritte. Die Verpfändung eines Kontoguthabens (§§ 1279 ff. BGB) sowie die Bereitstellung eines Girokredits zum Abruf betreffen weder rechtlich noch wirtschaftlich eine Veräußerung und mangels endgültiger Aufgabe der Vermögenswerte auch keinen veräußerungsähnlichen Vorgang.
Der Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG steht auch nicht die Subsidiarität der Vorschrift entgegen. Die in § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG aufgeführten vorrangigen Normen sind im Streitfall nicht einschlägig.
BFH, Urteil v. 22.10.2024, VIII R 7/23; veröffentlicht am 6.2.2025
Alle am 6.2.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
666
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
645
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
515
-
Abzug von Fahrtkosten zur Kinderbetreuung
508
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
488
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
444
-
Selbst getragene Kraftstoffkosten bei der 1 %-Regelung
373
-
Teil 1 - Grundsätze
334
-
Ortsübliche Vermietungszeit für eine Ferienwohnung
290
-
5. Gewinnermittlung
271
-
Bewertung von Grundstücken als Verwaltungsvermögen eines Unternehmens
25.04.2025
-
Keine steuerliche Förderung nach der Wohnraumoffensive für Ersatzneubauten
25.04.2025
-
Zurechnungsbesteuerung für Stiftungen nach dem AStG europarechtswidrig
24.04.2025
-
Alle am 24.4.2025 veröffentlichten Entscheidungen
24.04.2025
-
Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer in Sachsen
24.04.2025
-
Schuldzinsenabzug bei unentgeltlicher Übertragung eines Teils des Vermietungsobjekts
22.04.2025
-
Abzweigung von Kindergeld bei mangelnder Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes
22.04.2025
-
Aufwendungen für die Ablösung eines Zinsswaps
22.04.2025
-
Abzugsfähigkeit von Umzugskosten wegen Einrichtung eines Arbeitszimmers
22.04.2025
-
Alle am 17.4.2025 veröffentlichten Entscheidungen
17.04.2025