Fiktive Säumnis bei Scheckeinreichung
Hintergrund
Die Sache erreichte wegen sage und schreibe gerade mal 8,50 EUR den BFH. Und das geschah folgendermaßen: Die Unternehmerin X reichte die USt-Voranmeldung für das III. Quartal 2010 über 860 EUR ein und stellte dem FA über diesen Betrag einen Scheck aus, der dort am 8.11. einging und am 10.11. dem Konto der Finanzverwaltung gutgeschrieben wurde. Gleichwohl verlangte das FA einen Säumniszuschlag in Höhe von 1 % für den angefangenen Monat der Säumnis (1 % für den auf 850 EUR abgerundeten Säumnisbetrag = 8,50 EUR). Es berief sich auf die AO-Regelung (§ 224 Abs. 2 Nr. 1 AO). Danach gilt bei der Übersendung von Schecks die Zahlung erst drei Tage nach dem Eingang des Schecks als entrichtet.
Im Streitfall war die Steuer am 10.11. fällig. Bei der Scheckeinreichung am 8.11. gilt jedoch die Zahlung als erst am 11.11. (am dritten Tag) entrichtet und damit als verspätet, obwohl sie bereits am 10.11. - und damit rechtzeitig - gutgeschrieben wurde.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG meinte, es liege eine Gesetzeslücke vor. Es legte die Drei-Tage-Fiktion im Sinne von "spätestes drei Tage" aus, sodass kein Säumniszuschlag anfällt, wenn die Gutschrift noch am Fälligkeitstag erfolgt. Das FG ließ die Revision zu. Das FA legte das Rechtsmittel ein und so gelangte die 8,50-EUR-Sache an den BFH.
Entscheidung
Der BFH gab dem FA Recht: Das FG-Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Wie das FA stützt sich der BFH auf den Gesetzeswortlaut. Dieser ist klar und eindeutig und somit nicht auslegungsfähig. Der Gesetzgeber wollte eine generalisierende Regelung treffen, wann eine Scheckzahlung als entrichtet anzusehen ist. Er hat dabei in Kauf genommen, dass eine Zahlung in Fällen der vorliegenden Art nicht als entrichtet anzusehen ist, obwohl das FA bereits über den Betrag verfügen kann. Diese Fiktion des Zahlungszeitpunkts ist - so der BFH - vom Gesetzgeber gewollt und damit hinzunehmen.
Anmerkung
Wegen des eindeutigen Gesetzeswortlaut lehnt es der BFH ab, die Vorschrift einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur eingreift, wenn die tatsächliche Zahlung später als am dritten Tag nach der Scheckeinreichung bewirkt wird. Dem FA wird somit nicht auferlegt, bei Scheckzahlungen den Zeitpunkt der Gutschrift zu ermitteln. Der BFH weist allerdings darauf hin, dass dies der Finanzverwaltung durch ein entsprechendes Programm durchaus möglich sein dürfte. Die Erhebung der Säumniszuschläge in den betreffenden Fällen könne damit gerechter gestaltet werden. Der Gesetzgeber sei aber nicht verpflichtet, stets die gerechteste aller möglichen Lösungen eines Regelungsproblems zu finden.
Dagegen ist einzuwenden, dass der Säumniszuschlag - ein Druckmittel mit Zinsersatzcharakter - seinen Zweck verfehlt, wenn die Zahlung nachweislich und leicht nachprüfbar rechtzeitig eingeht. Auch wenn es der Steuerzahler durch einen anderen Zahlungsweg in der Hand hat, Säumniszuschläge bei rechtzeitiger Zahlung zu vermeiden, kann eine Regelung, die ihm trotz rechtzeitiger Zahlung den Zuschlag auferlegt, nicht zur Anwendung kommen. Es ist zu wünschen, dass die Problematik noch dem BVerfG unterbreitet wird. Das sind die 8,50 EUR wert!
Urteil v. 28.8.2012, VII R 71/11, veröffentlicht am 21.11.2012
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