Geerbter Pflichtteilsanspruch unterliegt der Erbschaftsteuer

Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass und unterliegt der Erbschaftsteuer.

Hintergrund: Erbe eines Pflichtteilsanspruchs

X ist Alleinerbe nach seinem im September 2008 verstorbenen Vater V. V hatte mit seiner im April 2008 vorverstorbenen Ehefrau (EF) im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Sein Erbe nach dem Tod der EF hatte er ausgeschlagen und den Pflichtteil nicht verlangt. In 2009 machte X den infolge der Erbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch des V am Nachlass der EF in Höhe von 400.000 EUR geltend.

Bei der Festsetzung der ErbSt gegen X rechnete das FA den Pflichtteilsanspruch dem Erwerb des X auf den Todeszeitpunkt des V hinzu. X wandte ein, der Pflichtteilsanspruch sei von V nicht geltend gemacht worden und daher im Zeitpunkt des Erbfalls nicht zu berücksichtigen. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, der Pflichtteilsanspruch des V sei Bestandteil des auf X übergegangenen Nachlasses. Die Geltendmachung des Anspruchs sei für den Ansatz der Bereicherung des Erben unerheblich.

Entscheidung: Pflichtteilsanspruch als Vermögen des Pflichtteilsberechtigten

Welche Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des Erblassers zuzuordnen sind und als Nachlassvermögen auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, entscheidet sich nach Zivilrecht nicht nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, der bereits mit dem Erbfall als Vollrecht entsteht (§ 2317 Abs. 1 BGB) und von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten (hier: V) gehört, und zwar unabhängig davon, ob er gegen den Erben geltend gemacht wird. Der Erbe des Pflichtteilsberechtigten (hier: X) kann den durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch geltend machen, selbst wenn der verstorbene Pflichtteilsberechtigte dies unterlassen hatte.

Bei einem ererbten (derivativen) Pflichtteilsanspruch ist für die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. ErbStG die Geltendmachung des Anspruchs nicht erforderlich. Das Vermögen des Erblassers geht als Ganzes auf den Erben über. Dazu gehört auch ein dem Erblasser zustehender Pflichtteilsanspruch, da dieser vererblich ist. Für die Besteuerung ist es nicht erforderlich, dass der Erbe den geerbten Anspruch geltend macht.

Anders ist es beim originären Pflichtteilsanspruch, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3.Alt. ErbStG erst dann der ErbSt unterliegt, wenn er vom Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht wird. Das Erbschaftsteuerrecht weicht damit vom Zivilrecht ab. Mit dem Hinausschieben der Besteuerung bis zur Geltendmachung des Anspruchs wird die Entschließungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten respektiert.

Diese erbschaftsteuerrechtliche Besonderheit (Besteuerung des Anspruchs nur bei dessen Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten) gilt jedoch nicht für den Erwerb des Anspruchs durch Erbanfall (derivativer Erwerb). Für diesen Erwerb entsteht die Steuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. ErbSt bereits mit dem Tod des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt.

Der von X ererbte Pflichtteilsanspruch des V in Höhe von 400.000 EUR unterliegt demnach der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt ErbStG. Die Revision des X wurde daher zurückgewiesen.

Hinweis: Keine Doppelbesteuerung

Bei der Zugewinngemeinschaft bleibt dem Ehegatten das Pflichtteilsrecht trotz der Ausschlagung der Erbschaft erhalten. Für die Besteuerung des nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs spricht der Gesetzeswortlaut, der lediglich für die 3. Alt. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Geltendmachung des Anspruchs verlangt. Die Gefahr einer doppelten Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs besteht bei dieser Auslegung nicht. Der originär in der Person des Pflichtteilsberechtigten entstandene und von diesem geltend gemachte Anspruch wird nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt ErbStG mit der Geltendmachung besteuert, während sich die Besteuerung eines ererbten (derivativen), durch den Pflichtteilsberechtigten nicht geltend gemachten Anspruchs beim Erben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1.Alt. ErbStG richtet. Macht der Erbe des Pflichtteilsberechtigten später den Anspruch geltend, entsteht dafür keine ErbSt. Es kommt somit nicht zu einer doppelten Besteuerung des Erwerbs des Anspruchs. Der Wert des Pflichtteils kann allerding zweimal der Besteuerung unterfallen, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch geltend macht, so dass bei ihm nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. ErbStG Steuer anfällt und der Wert später auf seinen Erben übergeht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. ErbStG).

BFH, Urteil v. 7.12.2016, II R 21/14; veröffentlicht am 29.3.2017

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