Grunderwerbsteuer beim Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks
Hintergrund
A und seine Eltern schlossen 1997 mit einer GmbH einen Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück der GmbH auf die Dauer von 66 Jahren. Das Erbbaurecht stand A und seinen Eltern zu je 1/3 als Berechtigten zu. Als Erbbauzins wurden 32.500 DM/Jahr (5 % des Verkehrswerts von 650.000 DM) vereinbart.
Im Dezember 2007 verkaufte die GmbH das Grundstück an A für 235.000 EUR. Zugleich wurde die Aufhebung des Erbbaurechtes vereinbart.
Das FA setzte gegen A die GrESt ausgehend von dem Kaufpreis (235.000 EUR) mit 3,5 % (= 8.225 EUR) fest.
Das FG teilte dagegen den Kaufpreis (235.000 EUR) im Verhältnis des gemeinen Werts des unbelasteten Grundstücks (650.000 DM = 332.339 EUR) zu dem am 11.12.2007 gegebenen Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs von 294.951 EUR (32.500 DM = 16.619 EUR x 17,750) auf und ermittelte den Grundstücksanteil mit 124.503 EUR (unbelastetes Grundstück 332.339 EUR + Kapitalwert Erbbauzins 294.951 = 627.290 EUR; 235.000 EUR : 627.290 EUR = 0.3746273 x 332.339 EUR = 124.503 EUR).
Mit der Revision trug das FA vor, der gesamte Kaufpreis unterliege wegen der gleichzeitig vereinbarten Aufhebung des Erbbaurechts der GrESt. A meinte dagegen, der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs (294.951 EUR) müsse von dem vereinbarten Kaufpreis (235.000 EUR) abgezogen werden, sodass gar keine Steuer anfalle.
Entscheidung
Der mit dem Erbbaugrundstück verbundene Erbbauzinsanspruch ist grunderwerbsteuerrechtlich nicht Teil des Grundstücks. Der auf den Erwerb des Erbbauzinsanspruchs entfallende Teil der Gegenleistung unterliegt daher nicht der GrESt. Bei dem Erbbauzinsanspruch handelt es sich, obwohl er bürgerlich-rechtlich (nicht grunderwerbsteuerrechtlich) Bestandteil des Grundstücks ist, um eine bloße Geldforderung, deren Erwerb keinen Grundstücksumsatz darstellt. Das gilt auch dann, wenn der Erbbauberechtigte aus Gründen, die in seinem Verhältnis zum Käufer begründet sind, auf das Erbbaurecht verzichtet. Denn ein solcher Verzicht berührt ausschließlich das Verhältnis des Erbbauberechtigten zum Käufer und rechtfertigt es nicht, den gesamten Kaufpreis der GrESt zu unterwerfen. Ebenso ist es, wenn - wie hier - der Erbbauberechtigte selbst das belastete Grundstück erwirbt, und zwar unabhängig davon, ob der Erbbauberechtigte beabsichtigt, das Erbbaurecht aufzuheben. Die Absicht des Käufers, das Erbbaurecht aufzuheben, berührt ausschließlich seine Sphäre und kann die Höhe der GrESt, die auch der Veräußerer schuldet, nicht beeinflussen.
Entgegen der Auffassung des FG entfällt jedoch der Kaufpreis in vollem Umfang auf den Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs, so dass die GrESt auf 0 EUR festzusetzen ist. Liegt beim Grundstückskauf eine Gesamtleistung vor, die Entgelt sowohl für das Grundstück als auch für nicht der GrESt unterliegende Gegenstände ist, so ist diese zwar im Regelfall nach der sog. Boruttau´schen Formel aufzuteilen. Diese Verhältnisrechnung braucht aber ausnahmsweise dann nicht vorgenommen zu werden, wenn Gegenstand eines Erwerbsvorgangs unter Vereinbarung einer Gesamtgegenleistung ein Grundstück und eine Geldforderung ist. Hier reicht es grundsätzlich aus, in Höhe der erworbenen Geldforderung einen Abzug von der Gesamtgegenleistung vorzunehmen, weil Kapitalforderungen im Regelfall mit dem Nennwert anzusetzen sind. Gleiches gilt auch für den Erwerb des Anspruchs auf den Erbbauzins beim Kauf eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks. Dieser Anspruch ist ebenfalls eine Geldforderung. Bei der Aufteilung ist daher der Kapitalwert vom Kaufpreis abzuziehen. Da im Streitfall der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs (294.951 EUR) höher war als der vereinbarte Kaufpreis (235.000 EUR), war dem Grundstück kein Teil des Kaufpreises zuzurechnen und die GrESt auf 0 EUR festzusetzen. Soweit der BFH bisher die Ansicht vertreten hat, die Boruttau´sche Formel sei auch für die Aufteilung des Kaufpreises für ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück anwendbar, wird daran nicht festgehalten.
Hinweis
In Fällen, in denen der Grundstückserwerber bereits im Erwerbszeitpunkt die Aufhebung des Erbbaurechts beabsichtigt, ist der Grundstücks- und der Erbbaurechtskaufvertrag von vornherein darauf gerichtet, dass der Käufer das nicht belastete Grundstück erwirbt. Hier unterliegt der Gesamtpreis der GrESt. Der Käufer hat im Ergebnis die GrESt zu zahlen, die angefallen wäre, wenn das Erbbaurecht vor dem Verkauf aufgehoben worden wäre (BFH v. 11.6.2013, II R 30/11, BStBl II 2013, 1632).
Der BFH weist noch darauf hin, dass das FG die Boruttau'sche Formel für die Aufteilung des Kaufpreise falsch angewandt hat. Nach dieser Formel ist der Kaufpreis für das Grundstück nicht im Verhältnis des gemeinen Werts des unbelasteten Grundstücks zum Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs aufzuteilen, sondern im Verhältnis des ohne den Anspruch auf den Erbbauzins ermittelten gemeinen Werts des belasteten Grundstücks zum Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs. Diese Formel ist jedoch für die Frage, welche Teile des Kaufpreises auf das Grundstück einerseits und auf den Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs andererseits entfallen, nicht anwendbar.
BFH, Urteil v. 6.5.2015, II R 8/14, veröffentlicht am 8.7.2015
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