Häusliches Arbeitszimmer eines Selbstständigen

Der BFH hat Selbstständigen die Möglichkeit eröffnet, Arbeitszimmerkosten bis zu 1.250 EUR als Betriebsausgaben abzuziehen.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie Kosten der Ausstattung des Zimmers den Gewinn nicht mindern. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt das Abzugsverbot aber nicht, wenn für die betriebliche Tätigkeit kein "anderer" Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dann sind bis zu EUR der Arbeitszimmerkosten als Betriebsausgaben abziehbar.

"Kein anderer Arbeitsplatz" bei Selbständigen

Nach Auffassung des BFH (Urteil v. 22.2.2017, III R 9/16, Haufe Index 10602476) ist das Kriterium "kein anderer Arbeitsplatz" auch dann erfüllt, wenn ein Selbstständiger den Arbeitsplatz im Betrieb nachweislich nicht im erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Weise für betriebliche Zwecke nutzen kann. Im Streitfall war der Kläger als selbstständiger Logopäde mit vier Angestellten in angemieteten Räumen in zwei Gemeinden tätig. Nach einer Außenprüfung strich das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug für das häusliche Arbeitszimmer.

Das FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil v. 1.3.2016, 4 K 362/15, Haufe Index 9454433) gab der Klage statt, und der BFH hat die Revision des FA mit als unbegründet zurückgewiesen.

Ob das Kriterium "kein anderer Arbeitsplatz" erfüllt ist, muss anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Im konkreten Fall sprachen nach Auffassung des FG und des BFH folgende Kriterien und Argumente für einen auf 1.250 EUR begrenzten Betriebsausgabenabzug:

Beschaffenheit  und Lage der Räume in der Praxis (im Betrieb)

Die Praxis des selbstständigen Logopäden war 47 km einfach von seinem Haushalt entfernt. Es konnte ihm also nicht zugemutet werden, diese Strecke nur deshalb außerhalb der Öffnungszeiten zurückzulegen, damit er dort Büroarbeiten erledigt. Er hatte vor Ort auch keine Schränke, um sensible Daten wegsperren zu können. Da wegen der Größe, Lage und Ausstattung der Räume in der Praxis eine Nutzung auch für notwendige Büroarbeiten nicht möglich war, benötigte der Kläger das häusliche Arbeitszimmer, um die Büroarbeiten dort erledigen zu können. FG und BFH haben übereinstimmend festgestellt, dass die Praxisräume genutzt wurden um Patienten zu therapieren. Es war dort nicht möglich, während der Arbeitszeit Büroarbeiten zu verrichten.

Büroarbeitsplatz in der Praxis

In den angemieteten Praxisräumen war zwar ein Büroarbeitsplatz eingerichtet, welcher aber von Angestellten genutzt wurde. Das Finanzamt kann nach Auffassung des BFH jedoch nicht unterstellen, dass der Selbstständige hier einen "anderen" Arbeitsplatz hat. 

Kein Widerspruch zur bisherigen BFH-Rechtsprechung

Der BFH ist der Auffassung, dass die Würdigung des FG nicht in Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung steht. Im Streitfall sei es dem Kläger nicht zumutbar gewesen, Unterlagen, Geschäftspapiere und Literatur jeweils aus dem häuslichen Arbeitszimmer in die Praxis zu schaffen, um dort zu arbeiten, oder die Arbeiten statt im häuslichen Arbeitszimmer nach Feierabend oder am Wochenende an dem anderen Arbeitsplatz zu verrichten.

Unterschied zum Arbeitnehmer

Der BFH betont, dass auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Ein anderer Arbeitsplatz steht nur dann zur Verfügung, wenn die konkret durchgeführten Tätigkeiten in den tatsächlich nutzbaren Räumlichkeiten in zumutbarer Weise verrichtet werden können. Dabei besteht ein Unterschied zwischen Arbeitnehmer und Selbstständigen. Der Arbeitnehmer ist regelmäßig in der Ausgestaltung seines Arbeitsplatzes nicht frei und kann dort üblicherweise nur während der Bürozeiten Arbeiten verrichten. Anders ist es beim Selbstständigen, der die Einrichtung seiner Betriebsräume und deren Nutzung auch außerhalb der Bürozeiten grundsätzlich selbst bestimmen kann. Im Regelfall wird der Selbstständige seinen Betrieb so organisieren können, dass ihm dort jederzeit ein tauglicher Schreibtisch zur Verfügung steht.

Insofern handelt es sich im Streitfall um eine Ausnahme. Aufgrund des offenen Praxiskonzepts bzw. Zuschnitts der Räume und der Nutzung durch die Angestellten für die laufenden Behandlungen, stand dem Kläger neben seinem häuslichen Arbeitszimmer kein anderer Arbeitsplatz in den Praxen zur Verfügung. Aus der Entscheidung ergibt sich im Übrigen, dass vom Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes im Betrieb nicht nur dann auszugehen ist, wenn dieser dort tatsächlich eingerichtet ist, sondern auch dann, wenn er in zumutbarer Weise dort geschaffen werden könnte.

Achtung: Aufdeckung stiller Reserven

Befindet sich das Arbeitszimmer nicht in einer gemieteten Wohnung, sondern im Eigenheim, ist zu beachten, dass dieser Raum nicht ungewollt zum Betriebsvermögen wird und Jahrzehnte später bei Betriebsaufgabe die sich im Laufe der Jahre gebildeten stillen Reserven versteuert werden müssen. Eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile brauchen nicht als Betriebsvermögen behandelt zu werden, wenn ihr Wert nicht mehr als ein Fünftel des gemeinen Werts des gesamten Grundstücks und nicht mehr als 20.500 EUR beträgt (§ 8 EStDV). Der Wert des betrieblichen Grundstücksanteils ist nach Auffassung der Finanzverwaltung (R 4.2 Abs. 8 S. 4 bis 6 EStR) wie folgt zu ermitteln:  

Grundsätzlich werden die entsprechenden Nutzflächen zueinander ins Verhältnis gesetzt. Führt der Ansatz der Nutzflächen zu einem unangemessenen Wertverhältnis der beiden Grundstücksteile, ist bei der Wertermittlung der Rauminhalt oder ein anderer zu einem angemessenen Ergebnis führender Maßstab zugrunde zu legen.

Zubehörräume (z.B. Kellerräume, Waschküchen und Garagen) brauchen in die Berechnung des eigenbetrieblich genutzten Anteils nicht einbezogen werden. Die Aufteilung kann also nach dem Verhältnis der Haupträume erfolgen (H 4.2 Abs. 8 "Zubehörräume" EStH).


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