Schadensersatzleistungen als Werbungskosten
Hintergrund: Vorstandsmitglied fälscht Bilanz
V war Vorstandsmitglied einer AG. Aus seiner Beteiligung floss ihm eine Dividende für 1997 zu. Ende 1998 veräußerte er seine Beteiligung und schied aus dem Vorstand aus. In 2001 wurde er von der AG unter dem Vorwurf auf Schadensersatz verklagt, er habe für 1997 eine falsche Bilanz erstellt mit der Folge, dass auch für 1998 eine unrichtige Bilanz erstellt worden sei. Die unzutreffenden Bilanzen hätten für 1997/1998 zu Dividendenausschüttungen geführt, obwohl kein Gewinn erzielt worden sei. Der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, in dem sich V verpflichtete, in 2009 1,2 Mio. EUR und den Restbetrag von 400.000 EUR in jährlichen Raten zu entrichten.
V machte für 2009 die Zahlung von 1,2 Mio. EUR vergeblich als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, es fehle an der ausschließlichen beruflichen Veranlassung, da V wegen der erhaltenen Dividende auch pflichtwidrig im eigenen Interesse gehandelt habe.
Entscheidung: Bereicherungsabsicht überlagert erwerbsbezogene Veranlassung
Auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, können Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten/Betriebsausgaben führen. Das folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern auch aus dem Grundsatz, dass es für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein Verhalten gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 40 AO). Das Vorliegen von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die - die Aufwendungen auslösenden - schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen/beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten Umständen beruhen, die den betrieblichen/beruflichen Zusammenhang aufheben. Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang besteht daher nicht, wenn der Eingriff außerhalb des beruflichen Pflichtenfeldes liegt und die Erwerbstätigkeit lediglich eine Gelegenheit für die Straftat verschafft oder wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigt oder einen Dritten bereichert.
Hiervon ausgehend fehlt es an einem ausschließlichen Erwerbsbezug der unrichtigen Bilanzerstellung. Denn V zog daraus auch selbst einen wirtschaftlichen Vorteil, da die Gewinnausschüttung, an der er teilhatte, ohne den überhöhten Gewinnausweis nicht möglich gewesen wäre. Dadurch wurde außerdem der Wert der Beteiligung verfälscht, sodass V bei der Veräußerung seiner Aktien einen überhöhten Preis erlangte. Durch die Aufbesserung der Bilanz wurde das die Ausschüttung auslösende Moment von ihm gesetzt.
Hinweis: Abzug nur bei Schädigung im beruflichen Aufgabenbereich
Schadensersatzleistungen aufgrund einer Tätigkeit als Arbeitnehmer sind grundsätzlich Werbungskosten. Der Verschuldensgrad ist unerheblich. Voraussetzung ist aber, dass die schädigende Handlung noch im Aufgabenbereich des Arbeitnehmers liegt und nicht auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Vorgängen beruht. Die Berufstätigkeit darf demnach nicht lediglich eine Gelegenheit zu einer Straftat verschaffen. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird immer aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorsätzlich schädigt oder Vorteile für sich oder einen Dritten verfolgt. Diese vom BFH entwickelten Grundsäte decken sich mit den Stimmen im Schrifttum. Allerdings können hier auch Sonderfälle denkbar sein. Stiehlt der Arbeitnehmer einmalig am Arbeitsplatz und muss er den Schaden wieder gutmachen, fehlt es wegen seiner Bereicherungsabsicht an einer erwerbsbezogenen Veranlassung. Stiehlt er aber laufend und veräußert er das Diebesgut z. B. an einen Hehler, müsste der zu leistende Schadensersatz von seinen Verkaufserlösen abziehbar sein - ebenso wie z. B. bei einem "Berufseinbrecher" die Kosten für das Einbruchswerkzeug nach § 40 AO Betriebsausgaben darstellen.
BFH, Beschluss v. 20.10.2016, VI R 27/15, veröffentlicht am 21.12.2016
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Ein Kassierer, der laufend Beträge unterschlägt, hat Einnahmen, die er bekanntlich versteuern muss, da das Steuerecht auf strafrechtliche oder moralische Gesichtspunkte keine Rücksicht nimmt ("non olet", s. § 40 AO). Legt der Kassierer nun gelegentlich, um seine Unterschlagungen zu vertuschen, Beträge wieder ein, sind diese Einzahlungen als Ausgaben von seinen Einnahmen abzuziehen. Denn andernfalls müsste er etwas versteuerun, was er gar nicht "verdient" hat. So wird das durch das grundlegende Nettoprinzip bestimmt.
Frage: Warum soll das bei einem AG-Vorstandsmitglied, der in gleicher Weise den Schaden wieder gut macht, anders sein? Klar ist, es liegen natürlich keine Werbungskosten im klassischen Sinne vor. Gleichwohl ist durch das objektive Nettoprinzip ein Ausgleich gefordert.