Keine Einkünfteerzielungsabsicht bei geplanter Übertragung der Einkunftsquelle auf Rechtsnachfolger
Hintergrund: Unentgeltliche Weiterübertragung einer verlustbringenden KG-Beteiligung in ein Niedrigsteuerland
S errichtete im Dezember 2006 eine in Liechtenstein ansässige Stiftung und stellte dieser Darlehen zur Verfügung. Die Stiftung beteiligte sich daraufhin als Kommanditistin an der vermögensverwaltenden X-GmbH & Co. KG mit Sitz im Inland. In 2006/2007 erwarb die KG von zwei Bankhäusern emittierte Schuldverschreibungen, die sie durch Bankdarlehen finanzierte. Für 2006/2007 erklärte sie negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Zum 31.12.2008 übertrug die Stiftung ihre Beteiligung an der KG unentgeltlich auf eine (offenbar auf den British Virgin Islands ansässige) Ltd., die kurz zuvor (im November 2008) errichtet wurde. Die Stiftung war alleinige Gesellschafterin der Ltd.
In seinen ESt-Erklärungen für die Streitjahre (2006/2007) machte S jeweils ein negatives Einkommen aus der Stiftung nach § 15 Abs. 1 AStG geltend und wies auf ab 2016 zu erwartende positive Erträge hin. Das FA und ihm folgend das FG lehnten die Zurechnung eines negativen Einkommens mit der Begründung ab, mangels Einkünfteerzielungsabsicht habe die Stiftung kein Einkommen im steuerrechtlichen Sinn erzielt.
Entscheidung: Fehlende Einkünfteerzielungsabsicht der Stiftung
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG (in der bis 2012 geltenden Fassung) wird für Zwecke der ESt das Einkommen einer Familienstiftung, die Sitz und Geschäftsleitung im Ausland hat, dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter zugerechnet. Auf der Ebene der Stiftung müssen allerdings die Voraussetzungen der Einkünfteerzielungsabsicht gegeben sein. Der Stiftung sind als Kommanditistin die Einkünfte der KG aus den erworbenen Schuldverschreibungen, d.h. aus Kapitalvermögen, zuzurechnen, so dass die Stiftung mittelbar über die KG Einkünfte erzielen kann und hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht auf die Verhältnisse der KG abzustellen ist. Bei Kapitaleinkünften setzt die Einkünfteerzielungsabsicht voraus, durch die Vermögensnutzung ein positives Ergebnis, d.h. einen Totalüberschuss der (steuerpflichtigen) Kapitaleinnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Maßgebend ist die anhand objektiver Umstände zu treffende Prognose über (1.) die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, (2.) die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielten Erträge und (3.) die in dieser Zeit voraussichtlich anfallenden Erwerbsaufwendungen.
Die Prognose umfasst nur in Ausnahmefällen die Nutzung durch den Rechtsnachfolger
Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung hat sich die Überschussprognose regelmäßig an der Nutzung des Vermögensgegenstands durch den Steuerpflichtigen zu orientieren. Denn die ESt ist eine Personensteuer, die an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Person anknüpft. Nur in den folgenden Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung ausnahmsweise den Grundsatz der der Individualbesteuerung durchbrochen und bei der Prognose auch die Nutzung durch einen (unentgeltlichen) Rechtsnachfolger berücksichtigt:
- Generationenbetriebe in der Land- und Forstwirtschaft (Erleichterung der Generationennachfolge)
- Einkünfte aus VuV (typisierender Prognosezeitraum von 30 Jahren)
- Vereinbarung der Hinterbliebenenversorgungen bei der Begründung von Rentenansprüchen unter Ehegatten
Bei Übertragung nach Verlustphase in ein Niedrigsteuerland liegt keine vergleichbare Ausnahme vor
Aus diesen Fällen lässt sich nicht folgern, dass bei unentgeltlicher Übertragung einer Einkunftsquelle der Zeitraum der Nutzung durch den Rechtsnachfolger für die Prognose generell zu berücksichtigen sei. Im Streitfall liegt keine mit den vorgenannten Fällen vergleichbare Ausnahmesituation vor. Demnach ist die von S erstrebte personenübergreifende Prognose ausgeschlossen. Denn die Wertpapiergeschäfte waren lediglich auf 10 Jahre angelegt und bereits bei Eingehung der Investments durch die Stiftung war geplant, die Einkunftsquelle vor dem Eintreten positiver Einkünfte unentgeltlich auf die im Niedrigsteuerland ansässige Ltd. zu übertragen.
Hinweis: Personenübergreifende Prognose ist auf Ausnahmesituationen beschränkt
Der BFH hält damit an seiner Rechtsprechung fest, nach der den Entscheidungen, in denen ausnahmsweise in Durchbrechung des Grundsatzes der Individualbesteuerung bei der Prognose auch die Nutzung durch einen (unentgeltlichen) Rechtsnachfolger berücksichtigt wurde, keine allgemeine Bedeutung zukommt. Es handelt sich um eng begrenzte Ausnahefälle, deren Geltung nicht darüber hinaus ausgedehnt werden kann.
Die Entscheidung ist zu § 15 Abs. 1 AStG in der Fassung bis 2012 ergangen. Nach der Neufassung ab 2013 ist nicht mehr das Einkommen, sondern sind die Einkünfte den Begünstigten zuzurechnen.
Der BFH entschied nicht durch Urteil, sondern nach § 126a FGO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Von dieser Möglichkeit kann der BFH Gebrauch machen, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
BFH, Beschluss v. 18.4.2018, I R 2/16; veröffentlicht am 18.7.2018.
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