Keine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für Berechnungen eines Statikers
Hintergrund: Statische Berechnungen vor Ausführung von Dacharbeiten
Streitig war, ob Aufwendungen für statische Berechnungen (bzw. Gutachten), die für eine Handwerkerleistung notwendig sind, als Teil einer einheitlichen Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigt sind.
Die Eheleute bewohnen ein ihnen je hälftig gehörendes Einfamilienhaus. Das Dach musste ausgebessert werden. Schadhafte Holzpfosten sollten durch Stahlstützen ersetzt werden. Die beauftragte Firma K hielt eine statische Berechnung vor Ausführung der Arbeiten für erforderlich. Die Berechnung wurde von der Firma M (durch einen Ingenieur) durchgeführt.
M stellte den Eheleuten für die Berechnung 535 EUR in Rechnung. Das FA lehnte den Abzug dieser Aufwendungen als Handwerkerleistungen i.S.v. § 35a Abs. 3 EStG ab.
Das FG was großzügiger und gab der Klage statt. Bei der engen sachlichen Verzahnung der Arbeiten handele es sich bei der Berechnung um einen Teil einer einheitlichen Handwerkerleistung. Es sei daher unerheblich, dass K die Berechnung nicht selbst ausgeführt hat, sondern M im Auftrag der Eheleute.
Entscheidung: Die Kosten für statische Berechnung sind nicht begünstigt
Der BFH teilt nicht die Auffassung des FG. Das FG-Urteil wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Leistung eines Statikers ist keine handwerkliche Leistung
Ein Statiker ("Tragwerksplaner") ist nicht handwerklich tätig. Denn er erbringt lediglich Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der baulichen Gesamtsituation.
Getrennte Betrachtung einzelner Leistungen
Der Austausch der schadhaften Pfosten stellt unstreitig eine Handwerkerleistung dar. Der Umstand, dass für diese Leistung eine weitere Leistung, die vorherige statische Beurteilung durch M, erforderlich war, führt nicht dazu, die Statikerleistung als anteilige Handwerkerleistung i.S.v. § 35a EStG zu charakterisieren. Die beiden Leistungen sind jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Handwerkerleistungen zu beurteilen.
Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung
Diese Betrachtung entspricht dem Rechtsgedanken der BFH-Urteile v. 13.5.2020, VI R 4/18 (BStBl II 2021, 669) und VI R 7/18 (BFH/NV 2021, 180). Danach ist eine von einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in der Werkstatt des Handwerkers erbracht wird, nur insoweit nach § 35a EStG begünstigt, als die Leistung tatsächlich einen (unmittelbaren) räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt aufweist. Ist eine von einem Unternehmer erbrachte Leistung hinsichtlich § 35a EStG dementsprechend aufzuteilen, sind erst recht zwei getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern (wie im Streitfall) erbrachte Leistungen jeweils für sich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen.
Kein Widerspruch zu dem Urteil VI R 1/13 (betr. Funktionsprüfung als Handwerkerleistung)
Dort hat der BFH entschieden, dass die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker ebenso Handwerkerleistung i.S. des § 35a Abs. 3 EStG sein kann wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder vorbeugende Maßnahmen zur Schadensabwehr (BFH v. 6.11.2014, VI R 1/13, BStBl II 2015, 481). Davon unterscheidet sich der Streitfall erheblich. Denn M unterhält weder einen Handwerksbetrieb noch liegt eine handwerkliche Leistung des M vor. Seine statischen Berechnungen sind keine handwerkliche Tätigkeit. Allein der Zusammenhang mit der Handwerkerleistung des K reicht nicht aus, die statischen Berechnungen des M als Handwerkerleistung einzustufen. Im Unterschied dazu war im Fall des Urteils VI R 1/13 der Handwerker bei der Prüfung der Funktionsfähigkeit der Anlage tatsächlich handwerklich tätig. Die Prüfung der Funktionsfähigkeit fällt – anders als eine statische Berechnung – in den handwerklichen Tätigkeitsbereich.
Hinweis: Einzelbetrachtung der verschiedenen Tätigkeiten
Im Streitfall waren zwei Unternehmen tätig, der Handwerker K und der Statiker M. Dass die Ausführung der Handwerkerleistung durch K die vorherige Begutachtung durch M voraussetzte, macht die Statikerleistung nicht zu einer (weiteren) Handwerkerleistung. Das Gleiche ergibt sich, wenn nur ein Unternehmen eingeschaltet ist, d.h. wenn der Handwerker nicht nur die eigentliche Handwerkerleistung, sondern auch die (nicht begünstigte) ingenieurmäßige Begutachtung übernimmt. Dann müssen in der Rechnung die unterschiedlichen Leistungen ebenso getrennt ersichtlich sein (§ 35a Abs. 5 Satz 3 EStG; BMF v. 9.11.2016, BStBl I 2016, 1213 Rz. 40). Eine Begünstigung des auf die Begutachtung entfallenden Kostenanteils ist nur möglich, wenn sich die Begutachtung selbst als handwerkliche Leistung darstellt, was allerdings häufig der Fall sein dürfte.
BFH Urteil vom 04.11.2021 - VI R 29/19 (veröffentlicht am 03.03.2022)
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