Kindergeldanspruch bis zum Abschluss des dualen Studiums
Hintergrund
Ein Kind wird für das Kindergeld grundsätzlich bis zum 25. Lebensjahr berücksichtigt, solange es eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium noch nicht abgeschlossen hat. Wird die Erstausbildung vorher abgeschlossen und beginnt das Kind eine weitere Ausbildung, kann es auch künftig berücksichtigt werden, aber nur, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht bzw. wenn die Erwerbstätigkeit 20 Wochenstunden nicht überschreitet (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Da der Sohn im Streitfall mehr als 20 Wochenstunden erwerbstätig war, stellte sich die Frage, ob er bereits eine Erstausbildung abgeschlossen hatte.
Der Sohn nahm nach dem Abitur ein duales Hochschulstudium zum Bachelor im Studiengang Steuerrecht auf. Parallel dazu absolvierte er eine studienintegrierte Ausbildung zum Steuerfachangestellten, die er im Juni 2011 erfolgreich beendete. Ab August 2011 arbeitete er mehr als 20 Stunden in einer Steuerberaterkanzlei. Im März 2013 schloss er das Bachelorstudium ab.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung nach dem Abschluss der Steuerfachangestelltenausbildung mit der Begründung auf, die Erstausbildung sei mit der Steuerfachangestelltenprüfung beendet. Die grundsätzlich mögliche Weitergewährung bis zum Abschluss des Bachelorstudiums sei ausgeschlossen, da der Sohn mehr als 20 Wochenstunden gearbeitet habe. Dem widersprach das FG und gab der Klage statt.
Entscheidung
Ebenso wie das FG ist auch der BFH der Meinung, dass ein Kind, das ein duales Studium durchführt, seine Erstausbildung nicht schon mit der erfolgreichen Absolvierung der studienintegrierten praktischen Ausbildung im Lehrberuf (hier zum Steuerfachangestellten) beendet, sondern dass die Erstausbildung bis zum Abschluss des parallel zum Studium durchgeführten Bachelorstudiums fortdauert.
Nicht jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme, wie z.B. der Besuch der allgemeinbildenden Schule, kann zum Verbrauch der Erstausbildung führen. Voraussetzung ist vielmehr zum einen, dass es sich um eine Ausbildung handelt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigt. Zum anderen muss der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt werden und der Ausbildungsgang muss durch eine Prüfung abgeschlossen werden. Ein schlichter Computerkurs kann daher nicht als Erstausbildung angesehen werden.
Für die Frage, ob bereits der erste berufsqualifizierende Abschluss (hier die Steuerfachangestelltenprüfung) zum Verbrauch der Erstausbildung führen soll oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren erworbener Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, ist darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Das ist der Fall, wenn die mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll, und das Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Ausgehend von dem Berufsziel bildet die Ausbildung zum Steuerfachangestellten einen Bestandteil der im Rahmen des Studiengangs Steuerrecht des Bachelorstudiums angestrebten Ausbildung, die auf dasselbe Berufsfeld - wenn auch auf unterschiedlicher Qualifikationsstufe - vorbereiten. Der weitergehende Bachelorabschluss stellt somit noch einen Teil der Erstausbildung dar. Somit ist es unerheblich, dass der Sohn neben dem Studium mehr als 20 Wochenstunden gearbeitet hat.
Hinweis
Der BFH stellt zu Recht auf das von den Eltern und dem Kind definierte Berufsziel ab. Denn der Ausbildungsweg bestimmt die Belastung der Eltern und ist für die kindergeldrechtliche Entlastung maßgeblich. Zu fragen ist allerdings, ob die vom BFH aufgestellte Voraussetzung, dass es sich bei dem Erstabschluss um einen integralen Bestandteil einer mehraktigen Ausbildung handeln muss, nicht zu eng gefasst ist. Sachgerecht dürfte sein, darauf abzustellen, ob es sich bei der Gesamtschau des frei gewählten Berufsziels lediglich um einen Zwischenschritt im Rahmen eines sinnvollen Ausbildungswegs handelt. Von der Entscheidung dürften daher auch die häufigen Fälle betroffen sein, in denen das das Kind zunächst eine mehr praktisch ausgerichtete, aber schon berufsqualifizierende Ausbildung durchläuft und anschließend noch ein Studium "draufsattelt", um - entsprechend dem von Anfang an verfolgten Berufsziel - eine höhere Berufsqualifikation zu erreichen, z.B. wenn das Kind vor dem Medizinstudium eine Ausbildung zum Krankenpfleger abschließt. Es sollte dann unschädlich sein, wenn das Kind neben dem Studium mehr als 20 Wochenstunden im bereits erlernten Beruf arbeitet und dadurch sein Studium finanziert.
Schließlich betont der BFH noch, dass das nicht gelten kann, wenn sich das Kind nicht ernsthaft und nachhaltig dem Studium widmet. Eltern von nur "pro forma" eingeschriebenen Scheinstudenten sind nicht begünstigt.
Urteil vom 03.07.2014 - III R 52/13 (veröffentlicht am 05.11. 2014)
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