Lieferort bei Einschaltung eines inländischen Warenlagers

Welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen es hat, wenn Lieferungen eines spanischen Unternehmers über ein Warenlager in Deutschland abgewickelt werden, hat das Hessische Finanzgericht näher untersucht.

Sachverhalt:

Fraglich war, ob über ein inländisches Warenlager abgewickelte Lieferungen einer spanischen Aktiengesellschaft (AG) umsatzsteuerbare Inlandslieferungen oder in Spanien steuerbare innergemeinschaftliche Lieferungen waren. Die AG hatte zentrale Lieferverträge mit einem inländischen Kunden geschlossen, der die Entnahme von Waren aus einem sog. Call-Off-Lager im Gutschriftsverfahren abgerechnet hatte, ohne dabei deutsche Umsatzsteuer auszuweisen. Das Finanzamt sah die Verbringung der Waren in das Warenlager als steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe der AG (bei Gewährung des Vorsteuerabzugs in gleicher Höhe) an und behandelte die Entnahmen aus dem Lager als steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferungen.

Entscheidung:

Das Finanzgericht verneinte eine deutsche Umsatzbesteuerung für den Teil der Lieferungen, für den bereits bei Beginn der Beförderung der Liefergegenstände in Spanien verbindliche Bestellungen vorgelegen hatten. Große Teile der Fachliteratur legen das BFH-Urteil vom 30.7.2008 (XI R 67/07) dahingehend aus, dass sich der Ort und der Zeitpunkt der Lieferung auch bei kurzfristiger Einlagerung in ein Lager des Lieferanten nach der Vorschrift des § 3 Abs. 6 UStG bestimmt, wenn der Kunde als Abnehmer des Gegenstands der Lieferung feststeht. Demgegenüber vertritt die Finanzverwaltung die Ansicht, dass bei Warenlieferungen aus dem Gemeinschaftsgebiet in ein inländisches Konsignationslager durch einen im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer erst dann eine in Deutschland steuerbare Lieferung vorliegt, wenn der inländische Abnehmer die Waren aus dem Lager entnimmt. Das Finanzgericht hält letztere Auffassung für nicht überzeugend, denn sofern bereits vor Beginn der Beförderung eine verbindliche Bestellung durch den Kunden vorliegt, erfolgt die Beförderung nicht mehr zur Verfügung des Lieferanten im Inland, sondern zu dem Zweck, seiner schuldrechtlich eingegangenen Lieferverpflichtung nachzukommen. Somit musste der Ort der Lieferung nach dem Beginn der Beförderung bestimmt werden (= Spanien).

Praxishinweis:

Anders fiel die umsatzsteuerliche Beurteilung für diejenigen Lieferungen aus, für die bei Beginn der Beförderung der Liefergegenstände in Spanien noch keine verbindlichen Bestellungen vorlagen (5 % der streitigen Umsätze). Für sie nahm das Finanzgericht bei Beginn der Beförderung noch kein Umsatzgeschäft an. Es hing von der Entscheidung des Kunden ab, ob er diesen Teil der Waren abnehmen wollte und es damit tatsächlich zu einer Lieferung kommt. Das Finanzamt hatte für diesen Umsatzteil also zu Recht steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen angenommen. Das letzte Wort liegt nun beim BFH, das Revisionsverfahren ist unter dem Aktenzeichen V R 31/15 anhängig.

Hessisches FG, Urteil v. 25.8.2015, 1 K 2519/10