Ortsübliche Vermietungszeit für eine Ferienwohnung

Hintergrund: Werbungskostenüberschuss bei Vermietung einer Ferienwohnung
Die Eheleute machten für 2013 negative Einkünfte aus der Vermietung einer Ferienwohnung in Höhe von 9.100 EUR geltend. Die 65 qm große Wohnung befindet sich in dem im Übrigen selbstgenutzten Wohnhaus der Eheleute in der Stadt A in Mecklenburg-Vorpommern (MV). Die Ferienwohnung wurde im Streitjahr 2013 an 75 Tagen und in den Jahren 2005 bis 2015 an 61 bis 124 Tagen vermietet.
Das FA berücksichtigte die negativen VuV-Einkünfte nicht. Die ortsübliche Vermietungszeit werde unterschritten. Die durchschnittliche Vermietung (alle Unterkünfte) liege in der Stadt A für 2013 nach den Angaben des Statistischen Amtes MV bei 104 Tagen. Bei den Eheleuten betrage die Auslastung mit 75 Tagen nur 72% (75 Tage/104 Tage). Eine Prognoserechnung für 2006 bis 2035 ergebe einen Gesamtwerbungskostenüberschuss von 154.000 EUR.
Das FG bejahte dagegen die Einkünfteerzielungsabsicht. Ausgehend von den – zwar nicht veröffentlichten, aber auf Anforderung erhältlichen – Auslastungszahlen des Statistischen Amtes MV für Ferienwohnungen und Ferienhäuser in der Stadt A werde die Auslastungsgrenze von 75% des ortsüblichen Werts erreicht.
Entscheidung: Typisierte Einkünfteerzielungsabsicht
Bei ausschließlich an Feriengäste vermieteten (und in der übrigen Zeit dafür bereitgehaltenen) Ferienwohnungen ist typisierend von der Überschusserzielungsabsicht auszugehen, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen nicht erheblich (d.h. um mindestens 25%) unterschreitet (BFH v. 19.8.2008, IX R 39/07, BStBl II 2009, 138).
Solange diese Unterschreitensgrenze von 25% eingehalten ist, entspricht die Tätigkeit dem Typus des "Dauervermieters" und rechtfertigt die Annahme, dass die Vermietung trotz anfallender Werbungskostenüberschüsse letztlich zu positiven Einkünften führt (zur Wohnungsvermietung BFH v. 30.9.1997, IX R 80/94, BStBl 1998, 771).
Ortsübliche Auslastung einer Ferienwohnung
Die Prüfung der Auslastung erfordert den Vergleich der Vermietungszeiten mit den an dem Ort (Gebiet einer oder mehrerer Gemeinden oder auch nur Teilgebiet einer Gemeinde oder Ferienhauskomplex) im Durchschnitt erzielten Vermietungszeiten. Die Vermietungszeiten müssen – soweit als möglich – repräsentativ sein. Dementsprechend stellt der BFH bei Ferienwohnungen auf die ortsübliche Vermietungszeit ab (BFH v. 26.10.2004, IX R 57/02, BStBl II 2005, 388). Individuelle Vermietungszeiten einzelner Vermieter am selben "Ort" genügen nicht (BFH v. 19.8.2008, IX R 39/07, BStBl II 2009, 138).
Ausnahmsweise Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht aufgrund einer Prognose
Liegen diese (im Vergleich zur allgemeinen Wohnungsvermietung) zusätzlichen Voraussetzungen (Unterschreitensgrenze) bei einer Ferienimmobilie nicht vor oder können ortsübliche Vermietungszeiten nicht festgestellt werden, fehlt es an der Basis für die Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht. Diese muss dann durch eine Prognose überprüft werden. Ob eine Prognose in Betracht kommt, hängt somit davon ab, ob die Unterschreitensgrenze von 25% tangiert ist.
Im Streitfall ist die Einkünfteerzielungsabsicht zu bejahen
Nach den Feststellungen des FG lag die ortsübliche Auslastung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern in der Stadt A in 2011 bis 2015 zwischen 92 und 110 Tagen (durchschnittlich 102 Tage). Die Vermietungstage der Eheleute betrugen in diesem Zeittraum durchschnittlich 92 Tage. Damit war die ortsübliche Auslastung nicht erheblich unterschritten. Der BFH beanstandet nicht den Rückgriff auf das Material des Statistischen Amtes MV, auch wenn dieses nur auf Anfrage zugänglich gemacht wird. Die Daten zur Bettenauslastung lassen Rückschlüsse auf die Vermietungstage zu.
Hinweis: 25%-Grenze als zusätzliches Merkmal bei der Vermietung einer Ferienwohnung
Bei der allgemeinen Wohnungsvermietung geht der BFH typisiert von der Einkünfteerzielungsabsicht aus (BFH v. 30.9.1997, IX R 80/94, BStBl II 1998, 771). Bei einer ausschließlich an Feriengäste vermieteten Ferienwohnung verlangt der BFH zusätzlich, dass die ortsübliche Vermietungszeit nicht um mindestens 25% unterschritten wird (Unterschreitensgrenze). Zu einer näheren Prüfung anhand einer Prognose kommt es nicht. Denn die Einkünfteerzielungsabsicht wird dann typisierend unterstellt, auch wenn eine Prognose ergibt, dass ein Totalüberschuss nicht erreicht werden kann. Erst wenn die 25%-Grenze unterschritten wird, ist die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Prognose näher festzustellen (BFH v. 24.8.2006, IX R 15/16, BStBl II 2007, 256; BFH v. 19.8.2008, IX R 39/07, BStBl II 2009, 138).
Vergleichsobjekte in einem größeren räumlichen Bereich
Der BFH bemerkt ergänzend, dass eine Prognoseentscheidung auch in Fällen erforderlich ist, in denen ortsübliche Vermietungszeiten nicht feststellbar sind. Dieser Fall dürfte allerdings nur selten vorkommen. Denn wenn in der näheren Umgebung keine geeigneten Vergleichsobjekte vorhanden sind, kann auf einen größeren räumlichen Bereich abgestellt werden.
BFH Urteil vom 26.05.2020 - IX R 33/19 (veröffentlicht am 13.08.2020)
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