BFH erleichtert Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs
Hintergrund: Fehlende Angaben zum Leistungsgegenstand und zum Leistungszeitpunkt in Eingangsrechnungen
Die X-GmbH nahm in den Streitjahren 2005/2006 den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der A-GmbH in Anspruch. Ein Teil der Rechnungen betraf die Lieferung von PKW unter Angabe von Hersteller, Fahrzeugtyp und Fahrgestellnummer. In weiteren Rechnungen der A war der Leistungsgegenstand nicht konkret bezeichnet (z.B. "Werbungskosten lt. Absprache", "Akquisitions-Aufwand"). Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte das FA den Vorsteuerabzug aus sämtlichen Rechnungen, da die Steuernummer des Leistenden nicht angegeben war. A ergänzte darauf die Rechnungen in 2011 um die Steuernummer. Das FA ging nun allerdings davon aus, A stehe der Vorsteuerabzug erst für das Jahr der Berichtigung (2011) zu.
Das FG gab der Klage statt. Die Ergänzung der Rechnungen habe auf die Streitjahre zurückgewirkt. Außerdem habe A die Mängel der Rechnungen hinsichtlich der Angaben zum Leistungszeitpunkt und zum Leistungsgegenstand durch weitere dem FG vorgelegte Unterlagen behoben.
Entscheidung: Der Leistungszeitpunkt kann sich aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben
Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss Angaben zur Menge und Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände bzw. zum Umfang und zur Art der sonstigen Leistung sowie zum Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung enthalten.
Dienstleistungen müssen konkret bezeichnet werden
Für die erbrachten Dienstleistungen fehlt es in den Rechnungen an Angaben tatsächlicher Art, die die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Umfang und Art der Dienstleistungen sind hinreichend zu präzisieren. Dafür genügen allgemeinen Leistungsbeschreibungen wie "Werbungskosten lt. Absprache" usw. nicht. Sie erlauben keinen Rückschluss auf den Ort der Leistungserbringung und eine mögliche Steuerpflicht. Da X dazu keine ergänzenden Unterlagen eingereicht hat und daher den Mangel der ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung nicht behoben wurde, steht ihr insoweit der Vorsteuerabzug nicht zu.
Rechnungsberichtigung wirkt zurück
Anders ist es hinsichtlich der PKW-Lieferungen. Hier konnte X die Rechnungen um die fehlende Angabe der Steuernummer ergänzen. Die Berichtigung wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung (2005/2006) zurück. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Rechnung Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen USt enthält. Eine Berichtigung ist nach § 31 Abs. 5 EStDV bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG möglich (BFH-Urteil v. 20.10.2016, V R 26/15, BFH/NV 2017, S. 252).
Die Auslegung der Rechnung kann ergeben, dass das Ausstellungsdatum den Lieferzeitpunkt angibt
Weitergehende Rechnungsmängel bestanden im Streitfall für die PKW-Lieferungen nicht. Für die Angabe des Lieferzeitpunkts genügt die Angabe des Kalendermonats (§ 31 Abs. 4 UStDV), in dem die Leistung ausgeführt wird. In der Angabe des Ausstellungsdatums kann zugleich die erforderliche Angabe des Lieferzeitpunkts liegen, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistung in dem Monat bewirkt wurde, in dem die Rechnung ausgestellt wurde. Entscheidend ist, ob die Rechnung anhand der Gesamtumstände, insbesondere auch anhand der vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen in diesem Sinne ausgelegt werden kann. Das ist hier der Fall. Denn unter Berücksichtigung der ergänzenden Angaben der X wurde mit den Rechnungen über jeweils einmalige Liefervorgänge über PKWs abgerechnet, die branchenüblich mit oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechnungserstellung ausgeführt wurden. Damit folgt bei der gebotenen Auslegung der Rechnungen aus dem Ausstellungsdatum, dass die jeweilige Lieferung im Kalendermonat der Rechnungserteilung ausgeführt wurde, so dass die Angabe des Ausstellungsdatums als Angabe des Zeitpunkts der Lieferung i.S. von § 31 Abs. 4 UStDV anzusehen ist. Somit war hinsichtlich der PKW-Lieferungen der Vorsteuerabzug zu bejahen.
Hinweis: Erleichterte Anforderungen an die Angabe des Leistungszeitpunkts
Der BFH hatte bisher aufgrund einer eher formalen Betrachtung sehr strenge Anforderungen an die Angabe des Leistungszeitpunkts in der Rechnung gestellt. In der vorliegenden Entscheidung betont der BFH, dass sich das FA dabei nicht auf die bloße Prüfung der Rechnung beschränken darf, sondern auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen hat. Bei der Auslegung kann auch die Branchenüblichkeit berücksichtigt werden. Insoweit ergibt sich eine gewisse Erleichterung für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs.
Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass sich X nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist es vereinbar, wenn das FA die Steuer für bereits erbrachte Leistungen, die der Steuer hätten unterworfen werden müssen, innerhalb der Verjährungsfrist nacherhebt. Das gilt auch für die Kontrolle eines in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs. Aufgrund einer nur eingeschränkten Beanstandung durch das FA entsteht kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass das FG oder der BFH die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns auf zusätzliche Überlegungen stützt.
BFH, Urteil v. 1.3.2018, V R 18/17, veröffentlicht am 6.6.2018.
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