Keine regelmäßige Arbeitsstätte auch bei längerfristigem Einsatz im Betrieb des Kunden

Hintergrund
Ist der Arbeitnehmer außerhalb der Wohnung bzw. des Betriebs beschäftigt, ist zwischen einer Tätigkeit an einer regelmäßigen Arbeitsstätte und einer Auswärtstätigkeit (früher: Dienstreise, Einsatzwechseltätigkeit, Fahrtätigkeit) zu differenzieren: Liegt eine regelmäßige Arbeitsstätte vor, sind die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb lediglich begrenzt mit der Entfernungspauschale bzw. bei Übernachtung in einer Wohnung am Beschäftigungsort nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung abziehbar. Bei einer Auswärtstätigkeit sind dagegen die Aufwendungen (Fahrt-, Übernachtungskosten, Verpflegungsmehraufwand) uneingeschränkt abziehbar.
Im Streitfall war der Arbeitnehmer A seit 1974 bei der Firma X als Monteur beschäftigt und seit 1987 für X in einem Kraftwerk tätig. A machte für die Streitjahre 2006, 2007 seine Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Kraftwerk nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung geltend (rund 4.200 EUR pro Jahr). Da der Arbeitgeber jedoch die Aufwendungen nach den Grundsätzen einer Auswärtstätigkeit (Einsatzwechseltätigkeit) ermittelt und steuerfrei ersetzt hatte (rund 10.200 EUR pro Jahr), erhöhte das FA die Einnahmen des A aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend und berücksichtigte die Werbungskosten pauschal mit dem Werbungskosten-Pauschbetrag (920 EUR, ab 2011: 1.000 EUR). Dem folgte das FG. Es war ebenfalls der Meinung, die Tätigkeitsstätte des A im Kraftwerk sei seine regelmäßige Arbeitsstätte.
Entscheidung
Der BFH verweist auf seien neuere Rechtsprechung zum Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte. Diese liegt grundsätzlich im Betreib (Zweigbetrieb) des Arbeitgebers, nicht aber in einer Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung eines Dritten, z.B. eines Kunden des Arbeitgebers, auch wenn der Arbeitnehmer dort längerfristig eingesetzt wird. Anders ist es nur dann, wenn der Arbeitgeber in der Betriebsstätte des Kunden über eine eigene betriebliche Einrichtung (Betriebsstätte) verfügt.
Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen. Dieses muss prüfen, ob die Firma X (Arbeitgeber) im Kraftwerk eine eigene Betriebsstätte unterhielt. Ist dies nicht der Fall, sind die Arbeitgeberleistungen als Reisekostenvergütungen steuerfrei. Andernfalls sind die Arbeitgeberzahlungen insoweit steuerpflichtige Einnahmen, als sie die Sätze für Fahrten zwischen Wohnung/Arbeitsstätte bzw. doppelte Haushaltsführung überschreiten.
Hinweis
Im Streitfall war der Arbeitnehmer rund 20 Jahre an derselben Tätigkeitsstätte eingesetzt. Er konnte sich daher auf günstige Verkehrsverbindungen und Verpflegungsmöglichkeiten einstellen, sodass die Tätigkeitsstätte hätte als regelmäßige Arbeitsstätte beurteilt werden können mit der Folge des beschränkten Werbungskostenabzugs (Entfernungspauschale, doppelte Haushaltsführung). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass wegen des Direktionsrechts des Arbeitgebers gleichwohl grundsätzlich immer mit einer Änderung des Einsatzorts gerechnet werden muss. Ein Familienumzug kam deshalb nicht ohne Weiteres in Betracht.
Sachgerecht wäre es in diesen Fällen, näher auf die Gesamtumstände abzustellen. Hat der Arbeitnehmer z.B. von seinem Arbeitgeber die Zusicherung erhalten, dass er für die nächsten Jahre ausschließlich im Betrieb des Kunden eingesetzt wird, wäre es angebracht, dort entsprechend die regelmäßige Arbeitsstätte anzusiedeln.
Nach der für 2014 vorgesehenen Reform des Reisekostenrechts ist von einer dauerhaften Zuordnung zur "ersten Tätigkeitsstätte" - mit der Folge der beschränkten Abziehbarkeit - bei einem Zeitraum ab 48 Monaten auszugehen.
Urteil v. 13.6.2012, VI R 47/11, veröffentlicht am 26.9.2012.
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