Steuerfreiheit von Stipendien
Hintergrund
Streitig war, ob die Einnahmen aus einem Forschungsstipendium eines Kollegs, das von einer gemeinnützigen Stiftung getragen wird, steuerfrei sind.
A war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Juristischen Fakultät einer Universität tätig und habilitierte sich dort. Auf ihre Bewerbung gewährte ihr die Stiftung ein Forschungsstipendium des Kollegs im Rahmen eines bestimmten Projekts für die Jahre 2009/2010. Die Zahlungen betrugen im Streitjahr 2009 für 10 Monate 2.700 EUR/Monat (8.100 EUR/Jahr). Zusätzlich erhielt A eine Pauschale für Dienstreisen von 100 EUR/Monat (400 EUR/Jahr). Nach einer Bescheinigung des Kollegs erhielt sie außerdem kostenlose Unterbringung in einer möblierten Wohnung mit Arbeitsplatz im Wert von 660 EUR.
Das FA erfasste die Einnahmen aus dem Stipendium als sonstige Einkünfte - nach Abzug von Werbungskosten von 2.021 - in Höhe von 7.028 EUR.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die gewährten - das vorige Gehalt nicht übersteigenden - Leistungen seien angesichts des BAföG-Höchstsatzes (643 EUR), des Grundfreibetrags (7.834 EUR) und der Einkommensgrenze für ein Kind beim Kindergeld (7.680 EUR) über das hinausgegangen, was zur Erfüllung des Forschungsauftrags oder zum Bestreiten des Lebensunterhalts erforderlich gewesen sei. Das frühere Gehalt sei fast vollständig ersetzt worden.
Entscheidung
Der BFH vertritt demgegenüber eine sehr großzügige Auffassung.
Voraussetzung für die Steuerfreiheit eines Forschungsstipendiums ist - bezogen auf den Streitpunkt -, dass das Stipendium den "für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag nicht übersteigt" (§ 3 Nr. 44 Satz 3 EStG). Diese Regelung soll sicherstellen, dass Stipendien nur in der Höhe steuerfrei bleiben, die zur Erreichung des mit dem Stipendium verfolgten Zwecks erforderlich ist.
Zur Begrenzung auf den für den Lebensunterhalt erforderlichen Betrag verweist der BFH auf zwei frühere Entscheidungen aus 2010 bzw. 2003, in denen die Erforderlichkeit für den Lebensunterhalt bei Stipendien von 35.000 $ und 22.900 DM bejaht wurde. Dabei geht der BFH davon aus, dass unter Lebensbedarf die Gesamtheit der Mittel zu verstehen ist, die benötigt werden, um ein menschenwürdiges Leben in einem sozialen Umfeld zu sichern. Er umfasst Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Ausbildung, Gesundheit, angemessene Freizeitgestaltung und andere notwendige Ausgaben. Im Unterschied zum FG stellt der BFH nicht auf den BAföG-Höchstsatz und den Grundfreibetrag ab. Auszugehen sei vielmehr vom Alter der Stipendiaten, ihrer akademischen Vorbildung sowie deren nach der Verkehrsauffassung erforderlichen typischen Lebenshaltungskosten in ihrer konkreten sozialen Situation.
Hiervon ausgehend kann das vor der Inanspruchnahme des Stipendiums vereinnahmte und während des Stipendiums ausgefallene Entgelt ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass ein Stipendium, das betragsmäßig nicht wesentlich über die vorher bezogenen Einnahmen hinausgeht, lediglich den erforderlichen Lebensbedarf abdeckt.
Da das Stipendium der Höhe nach nur die früheren Gehaltszahlungen der A ausgleichen sollte, hob der BFH das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.
Hinweis
Es handelt sich um eine sehr generöse Entscheidung. Das Stipendium (ohne Unterbringung) entsprach in etwa dem bisherigen Nettogehalt (2.637 EUR). Es ist fraglich, ob der Hinweis auf Alter, Vorbildung und typische Lebenshaltung es rechtfertigt, einen Betrag in Höhe der üblichen Entlohnung im Berufsumfeld des Stipendiaten zu begünstigen. Nach einer Verfügung der OFD Frankfurt/Main geht ein Stipendium in Höhe des Gehalts eines Professors über den erforderlichen Betrag hinaus (OFD Frankfurt/Main v. 31.3.2015, S 2121 A - 13 - St 213, juris).
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