Über einen Betriebsfonds gezahlte Zuschüsse der EU
Hintergrund: Lieferung eines subventionierten Gegenstands an die Mitglieder einer Erzeugergemeinschaft
Die eingetragene Genossenschaft (M-eG) war in 2002, 2003 als Großhändlerin für Obst und Gemüse tätig, indem sie die von ihren Mitgliedern (Erzeugern) produzierten und an sie gelieferten Produkte vermarktete. Die M-eG war außerdem anerkannte Erzeugerorganisation i.S. der VO (EG) Nr. 2200/96. Als solche konnte sie einen sog. Betriebsfonds einrichten, dessen Mittel sich je zu 50% aus Beiträgen aller Mitglieder und aus EU-Beihilfen finanzierten. Mit den Mitteln des Betriebsfonds können u.a. Investitionen in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Erzeugerorganisation finanziert werden.
Zur Durchführung solcher Investitionen in Einzelbetrieben bestellte die M-eG ein förderfähiges Investitionsgut, übertrug dem Erzeuger aber zunächst nur das hälftige Miteigentum. Der Erzeuger verpflichtete sich, den Gegenstand innerhalb einer Zweckbindungsfrist (von 5 oder 12 Jahren) nur für über die M-eG vermarktete Produkte einzusetzen und die M-eG während der Frist mit Obst und Gemüse zu beliefern. Die M-eG stellte gegenüber dem Erzeuger lediglich 50% ihrer Netto-AK zuzüglich USt in Rechnung. Die restlichen 50% wurden vom Betriebsfonds gezahlt. Erst nach Ablauf der Zweckbindungsfrist übertrug die M-eG ihren (anderen) hälftigen Miteigentumsanteil unentgeltlich auf den Erzeuger.
Die M-eG sah die vom Betriebsfonds gezahlten Beträge nicht als Entgelte für Lieferungen an die Erzeuger an und unterwarf nur den den Erzeugern berechneten Betrag (50 %) der USt. Das FA war dagegen der Ansicht, der volle Einkaufspreis der M-eG sei Bemessungsgrundlage der USt. Bei den Beihilfen an den Betriebsfonds handele es sich zwar um nicht steuerbare Zuschüsse. Auf die Ausgangsumsätze der M-eG an ihre Mitglieder sei jedoch nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG die Mindestbemessungsgrundlage ausgehend von den Netto-Einkaufspreisen der M-eG anzuwenden.
Das FG folgte im Ergebnis dem FA. Es ging davon aus, Bemessungsgrundlage sei nicht nur das von den Erzeugern gezahlte Entgelt. Denn bei den Zahlungen aus dem Betriebsfonds (50%) handele es sich um Entgelte von dritter Seite.
Dagegen richtete sich die Revision der M-eG. Sie wandte ein, die an sie (in den Betriebsfonds) gezahlten Zuschüsse dienten strukturpolitischen und umweltpolitischen Zielen und seien daher keine Entgeltzahlungen, sondern echte (steuerfreie) Zuschüsse. Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik dem EuGH vor (BFH, Beschluss v. 13.6.2018, XI R 5/17, BFH/NV 2018, 1225). Darauf entschied der EuGH mit Urteil "C" v. 9.10.2019, C-573/18 und C-574/18), dass der Betrag, den ein Betriebsfonds an die Erzeugerorganisation für die Lieferung der Gegenstände an die Erzeuger zahlt, zur Gegenleistung für diese Lieferung zählt und als von einem Dritten gezahlte, unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängende Subvention anzusehen ist.
Entscheidung: Die über den Betriebsfonds gezahlten Zuschüsse sind Entgelt von dritter Seite
Auf der Grundlage des EuGH-Urteils war die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Der Betrag, den der Betriebsfonds an die M-eG für die Lieferung der Gegenstände an die Erzeuger gezahlt hat, zählt zur Gegenleistung für diese Lieferung.
- Die M-eG lieferte die Vertragsgegenstände bereits in den Streitjahren (2002/2003) an die Erzeuger (und hat diesen nicht nur einen hälftigen Miteigentumsanteil übertragen). Diese Lieferungen erfolgten gegen Entgelt
- Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehören zum Entgelt für diese Lieferungen nicht nur die den Erzeugern in Rechnung gestellten Beträge, sondern auch die Zahlungen aus dem Betriebsfonds.
- Bei diesen Zahlungen handelte es sich um Zahlungen eines Dritten und nicht um die Umschichtung eigener Finanzmittel, da der Betriebsfonds als Zweckvermögen körperschaftsteuerpflichtig ist und auch umsatzsteuerrechtlich rechtsfähig sein kann. Dass die EU-Zahlungen an den Betriebsfonds der Förderung der Allgemeinheit dienen, ändert an der unmittelbaren Verknüpfung der Zahlung aus dem Betriebsfonds nichts.
- Unionsrechtliche Zweifel an dieser Beurteilung bestehen nach dem EuGH-Urteil "C" v. 9.10.2019 nicht. Der EuGH geht davon aus, es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung dieser Gegenstände und der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Rz 37). Die Zahlungen aus den Betriebsfonds seien "Subventionen" von "einem Dritten" i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, denn die Betriebsfonds seien rechtsfähig und die betreffende Erzeugerorganisation dürfe das Vermögen dieser Fonds nicht zu persönlichen Zwecken nutzen (Rz 38).
Hinweis: Nicht beatwortete Vorlagefrage zu tauschähnlichem Umsatz
Der BFH hatte im Vorlagebeschluss (BFH v. 13.6.2018, XI R 5/17, BFH/NV 2018, 1225) dem EuGH auch die Frage gestellt, ob ein Tausch mit Baraufgabe vorliegt, weil sich die Erzeuger im Gegenzug für den Umsatz gegenüber der Erzeugerorganisation verpflichtet haben, diese für die Dauer der Zweckbindungsfrist mit Obst und Gemüse zu beliefern (Lieferverpflichtung). Nachdem sich der EuGH zum Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes nicht geäußert hat, konnte der BFH wegen des im finanzprozessualen Verfahren geltenden "Verböserungsverbots" (Verbot der reformatio in peius, d.h. keine Schlechterstellung im Revisionsverfahren gegenüber dem FG-Urteil) die Frage offen lassen.
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