Umsatzsteuer bei gemeinnützigen Jugendherbergen

Die Steuersatzermäßigung bei der Umsatzsteuer für Jugendherbergen gilt nicht für Leistungen an alleinreisende Erwachsene.

Hintergrund

Ein als gemeinnützig anerkannter Verein (V), der nach seiner Satzung Jugendherbergen baut, unterhält und bewirtschaftet, erbrachte im Streitjahr 2008 steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 24 UStG an Jugendgruppen und Schulklassen, daneben aber auch Beherbungsleistungen an erwachsene Einzelreisende im Alter von über 27 Jahren. Der Anteil der Übernachtungen allein reisender Erwachsener betrug 5,3 % der Gesamtübernachtungen. Erwachsene hatten für Übernachtungen einen Zuschlag von 3 EUR pro Nacht und auch für zusätzliche Leistungen (z. B. Hobbyprogramme, Wanderungen, Radtouren) höhere Preise als die anderen Gäste zu zahlen. V versteuerte die Umsätze aus der Beherbergung alleinreisender Erwachsener nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG zu ermäßigten Steuersatz.

Das Finanzamt ging nach einer Außenprüfung davon aus, dass die Leistungen an allein reisende Erwachsene dem Regelsteuersatz unterliegen, weil diese keinem Zweckbetrieb zuzuordnen seien. Die Klage des V hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, dass V an alle Gäste gleichartige Leistungen erbracht habe und die Umsätze außerhalb des satzungsmäßigen Zwecks von untergeordneter Bedeutung seien, da sie weniger als 10 % des Gesamtumsatzes betragen hätten. Mangels Abgrenzbarkeit sei deshalb auf diese Umsätze ebenfalls der ermäßigte Steuersatz anzuwenden.

Entscheidung

Der BFH gab dem Finanzamt Recht. Er entschied, dass die Leistungen bei der Beherbergung allein reisender Erwachsener nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen, weil bei der Auslegung dieser Vorschrift seit dem Jahr 1993 auch das dieser Steuerermäßigung zugrunde liegende Unionsrecht zu beachten ist.

Nach dem mit Wirkung vom 1.1.1993 geltenden Unionsrecht, das zu einer Einschränkung der für die Mitgliedstaaten bestehenden Regelungsbefugnisse führte, können die Mitgliedstaaten zwar einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden (Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL), diese sind aber "nur" aus Lieferungen und Dienstleistungen der im Anhang III genannten Kategorien anwendbar (Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL). Danach dürfen die Mitgliedstaaten insbesondere "nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden ..., sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der Sicherheit tätig sind" (EuGH, Urteil v. 17.6.2010, C-492/08). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der engen Auslegung der Steuerermäßigungen als Ausnahmetatbestand (vgl. BFH, Urteil v. 8.3.2012, V R 14/11, BStBl II 2012 S. 630, unter II.2.c.(1) (b)) folgt hieraus, dass zumindest andere als gemeinnützige Leistungen unionsrechtlich vom Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für gemeinnützige Körperschaften von vornherein ausgeschlossen sind.

Hinweis

Vor der unionsrechtlichen Harmonisierung der Steuersatzermäßigungen galt für die Beherbung alleinreisender Erwachsener in Jugendherbergen folgendes: Bei gleichartigen Leistungen an Jugendliche und Erwachsene wurden alle Leistungen immer im Rahmen eines einheitlichen Betriebs erbracht, der insgesamt entweder ein steuerbegünstigter Zweckbetrieb oder ein steuerschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein konnte. Lag die Beherbergung von Erwachsenen unter 10 % des Gesamtumsatzes war sie von untergeordneter Bedeutung und beeinträchtigte die Annahme eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs nicht (vgl. BFH, Urteil v. 18.1.1995, V R 139-142/92, BStBl II 1995 S. 446). Wurde die 10 %-Grenze überschritten, war die Jugendherberge als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandeln, dessen Umsätze dem Regelsteuersatz unterlagen. Nach altem Recht hätte der V demnach die Steuerermäßigung zugestanden, weil die Umsätze aus der Beherbergung Erwachsener lediglich 5,3 % des Gesamtumsatzes ausmachten.

Nach der unionsrechtlichen Harmonisierung, also nach der seit 1993 maßgebenden Rechtslage, spielt die 10 %-Grenze keine Rolle mehr. Vielmehr unterliegen - wie im Besprechungsfall vom BFH entschieden - alle durch die Beherbung allein reisender Erwachsener erzielten Umsätze dem Regelsteuersatz, weil sie nicht den satzungsgemäßen Zwecken des als gemeinnützig anerkannten V entsprechen. Allerdings kann die Beherbung von Erwachsenen nicht mehr zum Wegfall der Zweckbetriebseigenschaft der V führen, weil die darauf entfallenden Umsätze klar und eindeutig von den übrigen satzungsgemäßen Umsätzen getrennt werden können.

BFH, Urteil v. 10.8.2016, V R 11/15, veröffentlicht am 30.11.2016


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