Umsatzsteuerfreie Betreuungsleistungen

Betreuungsleistungen einer juristischen Person sind steuerfrei, wenn ihr die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen erteilt wurde und die Kosten über einen Träger der freien Jugendhilfe abgerechnet werden.

Hintergrund

Die X-GmbH verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Sie erbringt Betreuungsleistungen (Kinder- und Jugendhilfe) nach dem SGB VIII. Entsprechende Betriebserlaubnisse nach § 45 SGB VIII wurden ihr erteilt. Die Entgelte für diese Betreuungsleistungen stellte die GmbH als Subunternehmerin gegenüber der als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannten A-GbR in Rechnung. Diese rechnete die von der GmbH erbrachten Leistungen mit den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ab.

Das FA unterwarf für das Streitjahr 2007 die Leistungen der GmbH der USt. Denn nur solche Einrichtungen könnten als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt werden, die - anders als die GmbH - unmittelbar mit den öffentlichen Trägern der sozialen Sicherheit abrechneten. Ebenso entschied das FG. Die Leistungen seien nicht nach nationalem Recht (§ 4 Nr. 25 UStG) steuerfrei. Die GmbH könne sich auch nicht auf die MwStSystRL (Art. 132 Abs. 1 Buchst. h) berufen, da sie nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sei.

Entscheidung

Das FG hat zutreffend entschieden, dass sich die Steuerfreiheit nicht aus dem nationalen Recht ergibt. Denn zum einen fallen die Betreuungsleistungen der GmbH nicht unter die in § 4 Nr. 25 UStG aufgezählten Tätigkeiten (Fassung bis einschließlich Streitjahr 2007; Buchst. a: Lehrgänge, Freizeiten, Zeltlager, Sportveranstaltungen usw.; Buchst. b: Beherbergung, Beköstigung, übliche Naturalleistungen; Buchst. c: kulturelle und sportliche Veranstaltungen). Zum anderen gilt die Neufassung des § 4 Nr. 25 UStG erst ab 2008. Nach der Neufassung sind die Leistungen der GmbH steuerbefreit. Sie ist zwar kein Träger der Jugendhilfe, gehört aber zu den anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter. Denn sie unterhält ein Wohnheim für psychisch behinderte Kinder und Jugendliche. Die für den Betrieb erforderliche Betriebserlaubnis wurde der GmbH erteilt.

Die GmbH kann sich jedoch für die Steuerfreiheit direkt auf das Unionsrecht berufen. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL sind steuerfrei: "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen ... durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere ... als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen". Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die GmbH wird im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Sie ist auch als Einrichtung i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL anerkannt. Die Anerkennung folgt aus den spezifischen Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit (Betriebserlaubnis), der Tätigkeit im Gemeinwohlinteresse (Krankenbehandlung) sowie der (mittelbaren) Kostenübernahme (über die GbR). Die Gesamtwürdigung dieser Kriterien führt dazu, dass die GmbH als Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen ist. Diese Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter beruht somit nicht auf einer unzulässigen Rückwirkung der Neufassung des § 4 Nr. 25 UStG, sondern auf dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Der Steuerfreiheit steht nicht entgegen, dass die GmbH keine direkten vertraglichen Beziehungen zu den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe unterhielt, sondern (als Subunternehmerin) ihre Leistungen gegenüber der GbR erbrachte und abrechnete.

Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und gab der Klage der GmbH statt.

Hinweis

Der BFH hatte in dem Urteil v. 8.11.2007, V R 2/06 (BStBl 2008 II S. 634) ausgeführt, die Anerkennung als "Einrichtung mit vergleichbarer Zielrichtung" setze zumindest eine unmittelbare vertragliche Beziehung zu einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung voraus, sodass eine Tätigkeit als Subunternehmer nicht ausreichend sei. Hierzu stellt der BFH klar, dies sei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass allein bei Vorliegen unmittelbarer vertraglicher Beziehungen eine Anerkennung in Betracht komme. Eine solche Einschränkung sei nicht gemeint gewesen. Dementsprechend hat es der BFH auch schon in dem Urteil v. 18.8.2015, V R 13/14 (BFHE 251 S. 282) als unerheblich angesehen, dass keine direkten vertraglichen Vereinbarungen mit öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe bestanden.

Zu den Nachweisproblemen in Fällen der weitergeleiteten (mittelbaren) Kostentragung, wenn der Subunternehmer von der Abrechnung der vom Sozialleistungsträger erstatteten Kosten nichts erfährt, weist der BFH auf die allgemeinen Beweisgrundsätze hin. Derjenige, der die Umsatzsteuerfreiheit begehrt, trägt die Feststellungslast für die dafür entscheidungserheblichen Tatsachen. Es geht somit zu seinen Lasten, wenn die für die Steuerbefreiung erforderlichen Feststellungen nicht möglich sind.

BFH, Urteil v. 6.4.2016, V R 55/14, veröffentlicht am 25.5.2016



Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Steuerbefreiung, Betreuungsrecht