Umsatzsteuerfreie Leistungen eines Berufsbetreuers

Ein gerichtlich zur Erbringung von Betreuungsleistungen bestellter Berufsbetreuer kann sich für die Steuerfreiheit auf das Unionsrecht berufen (zur Rechtslage bis Juni 2013).

Hintergrund

Streitig war, ob die Leistungen der A als Berufsbetreuerin umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfrei sind.

A wurde von verschiedenen Vormundschaftsgerichten als Betreuerin bestellt. Ihren Antrag, die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre (2005/2006) dahingehend zu ändern, dass ihre Betreuungsleistungen steuerfrei sind, lehnte das FA ab. Ihre Klage wurde vom FG mit der Begründung zurückgewiesen, A könne sich für die Steuerfreiheit nicht auf Gemeinschaftsrecht berufen.

Wegen einer Vorlage des XI. Senats des BFH an den EuGH zu den Voraussetzungen der Steuerfreiheit eines ambulanten Pflegedienstes ordnete der im Streitfall zuständige V. Senat das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung in der Vorlagefrage an.

Entscheidung

Nach Ergehen des EuGH-Urteils in der Vorlagefrage (Urteil v. 15.11.2012, C-174/11) hat der BFH nunmehr den aktuellen Streitfall entschieden. Die Revision der A ist begründet. Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Zwar waren nach nationalem Recht die Betreuungsleistungen der A nicht steuerfrei. Denn A erbrachte weder Leistungen als Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen oder zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen noch war sie Mitglied in einem anerkannten Verband der Wohlfahrtspflege.

Entgegen der Auffassung des FG kann sich A jedoch auf das Unionsrecht berufen (Richtlinie 77/388/EWG bzw. Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Danach setzt die Steuerfreiheit eine mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung voraus, die als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt ist. Diese Erfordernisse sind im Streitfall gegeben. Für die Anerkennung des Betreuers spricht die gerichtliche Bestellung und Überwachung. Außerdem widerspricht - wegen der Steuerfreiheit für Betreuungsvereine - der Ausschluss eines Betreuers dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Eine Differenzierung zwischen Betreuungsvereinen und Vereinsbetreuern einerseits sowie der Berufsbetreuer andererseits ist nicht sachgerecht.

Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, da keine Feststellungen zu den Vergütungen der A vorlagen.

Hinweis

Die Problematik hat sich inzwischen insofern geklärt, als seit 1.7.2013 Leistungen der Betreuer auch nach nationalem Recht umsatzsteuerfrei sind. Mit dem Amtshilfe-Richtlinien-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) wurde eine entsprechende Befreiung eingefügt (§ 4 Nr. 16 Buchst. k UStG n.F.). Die Neuregelung gilt für Leistungen, die ab Juli 2013 erbracht werden.

Für die Zeit davor können sich Berufsbetreuer auf das Unionsrecht berufen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass sich der Steuerzahler unmittelbar auf eine unionsrechtliche Steuerbefreiung berufen kann, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Es ist dann Sache der nationalen Gerichte, anhand aller Umstände zu bestimmen, ob die nationale Behörde die Grundsätze des Unionsrechts eingehalten hat.