Zahlungsansprüche nach der GAP-Reform 2003 sind abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter
Hintergrund
Streitig war, ob die im Rahmen der GAP-Reform 2003 geschaffenen Zahlungsansprüche abnutzbar sind und damit bei einem entgeltlichen Erwerb der AfA unterliegen.
Der Landwirt L verpachtete ab 2000 seinen ursprünglich selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb an die Pächterin P. Den Gewinn aus der Verpachtung ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. Auf der Grundlage der in 2003 auf der Ebene der EU beschlossenen gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP-Reform 2003) und der hierzu ergangenen Verordnungen sowie der nationalen Durchführungsbestimmungen (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG - und Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV -) setzte die Landwirtschaftskammer auf Antrag der P für diese Zahlungsansprüche für Ackerland (A) und für Stilllegung (S) u.a. für die von L angepachteten Flächen fest. Die Betriebsprämien für die Prämienjahre 2005/2006 wurden an P ausbezahlt.
Im September 2006 beendete L den Pachtvertrag mit P. Er erwarb von P Zahlungsansprüche A und S zum Kaufpreis von 300 EUR je Zahlungsanspruch (Gesamtkaufpreis 27.900 EUR). Zum 15.9.2006 und mit Wirkung ab dem Prämienjahr 2007 übertrug P diese Zahlungsansprüche über das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem auf L. Ab 1.10.2006 verpachtete L landwirtschaftliche Flächen an die B-GbR. Die auf die verpachtete Fläche entfallenden Zahlungsansprüche A verpachtete ("übertrug") L unentgeltlich ab dem Prämienjahr 2007 auf die B-GbR. Diese war verpflichtet, die Ansprüche nach Ablauf der Pachtdauer unentgeltlich auf L "zurückzuübertragen".
L setzte im Jahresabschluss zum 30.6.2007 bzw. in der ESt-Erklärung 2006 die erworbenen Zahlungsansprüche zunächst mit den Anschaffungskosten (27.900 EUR) an. Im Einspruchsverfahren beantragte er sodann den Ansatz linearer AfA ausgehend von einer Nutzungsdauer von 7 Jahren und dem Beginn der AfA ab 1.9.2006. Dem widersprach das FA unter Hinweis auf das BMF-Schreiben v. 25.6.2008 (BStBl I 2008, 683, Tz. 19). Danach sind im Rahmen der GAP-Reform geschaffene Zahlungsansprüche nicht abnutzbar. Dem widersprach das FG und gab der Klage überwiegend statt. Es schätzte allerdings die Nutzungsdauer nicht mit 7, sondern mit 10 Jahren.
Entscheidung
Die Zahlungsansprüche nach der GAP-Reform 2003 sind selbständige immaterielle Wirtschaftsgüter. Denn sie eröffnen deren Inhaber die Möglichkeit, Betriebsprämien in Anspruch zu nehmen. Sie können mit oder ohne Fläche veräußert oder - wie im Streitfall - zusammen mit einer gleichwertigen Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Wege der Verpachtung übertragen werden.
Die Zahlungsansprüche sind abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter. Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist nicht abnutzbar, wenn seine Nutzung zeitlich unbegrenzt ist oder wenn - bei einer Begrenzung - regelmäßig von einer Verlängerung ausgegangen werden kann. Im Zweifel ist jedoch eine begrenzte Nutzung anzunehmen. Hiervon ausgehend sind die Zahlungsansprüche nach der GAP-Reform als abnutzbare Wirtschaftsgüter anzusehen. Sie waren zwar zeitlich nicht befristet. Daraus ergab sich jedoch zum Bilanzstichtag (30.6.2007) nicht, dass sie auf Dauer Grundlage der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU bleiben würden. Dagegen spricht bereits die Historie der seit 1992 existierenden Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Das System der neu geregelten Zahlungsansprüche stand von vornherein unter einem Änderungsvorbehalt. Die Empfänger konnten daher nicht davon ausgehen, dass die Förderbedingungen unverändert bleiben würden. Bereits im ersten Halbjahr 2010 wurden von der Kommission Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik erörtert und angeregt. Außerdem war der Finanzierungsrahmen für die GAP-Reform 2003 zunächst nur für 10 Jahre - also bis 2013 - festgelegt. Bestätigt wird dies auch durch die Abschaffung der Zahlungsansprüche zum 31.12.2014 und die Ersetzung durch inhaltlich und rechtlich neu gestaltete Zahlungsansprüche.
Der BFH bestätigt auch die vom FG vorgenommene Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer mit 10 Jahren (über 2013 hinaus). Die Nutzungsdauer der Zahlungsansprüche ist nach den bei der Bilanzerstellung gegebenen Erkenntnisquellen zu schätzen. Zwar war der Finanzierungsrahmen zunächst nur bis 2013 festgelegt. Gleichwohl hält der BFH die Schätzung typisiert mit 10 Jahren für sachgerecht. Denn am Bilanzstichtag 30.6.2007 war jedenfalls nicht konkret absehbar, ob und in welcher Ausgestaltung die Zahlungsansprüche über 2013 hinaus fortbestehen würden.
Hinweis
Der BFH widerspricht damit der Auffassung der Verwaltung, nach der die entgeltlich erworbenen Zahlungsansprüche mit den Anschaffungskosten bewertet werden und AfA mangels zeitlicher Befristung der EU-Verordnung nicht zulässig sind (BMF v. 25.6.2008, BStBl I 2008, 682, geändert durch BMF v. 13.10.2008, BStBl I 2008, 939, Tz. 19). Der BFH weist zutreffend darauf hin, dass derartige Stützungsmaßnahmen - erforderlichenfalls auch kurzfristig - an die Entwicklung angepasst werden müssen und die Empfänger daher nicht von unveränderten Förderbedingungen ausgehen können. Hinsichtlich der Schätzung der Nutzungsdauer mit 10 Jahren lehnt sich der BFH an die Rechtsprechung zu Zuckerrübenlieferungsrechten (BFH v. 17.3.2010, IV R 3/08, BStBl II 2014, 512) und Milchlieferungsrechten (BFH v. 29.4.2009, IX R 33/08, BStBl II 2010, 958) an.
BFH, Urteil v. 21.10.2015, IV R 6/12, veröffentlicht am 6.4.2016
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