Antragsfrist für Teileinkünfteverfahren bei nachträglich festgestellter vGA
Hintergrund: Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren nach Feststellung von vGA
Der als selbstständiger Rechtsanwalt tätige R war daneben Geschäftsführer der B-GmbH. Die B-GmbH war eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der A-GmbH, deren Alleingesellschafter R war. R bezog für seine Geschäftsführertätigkeit von der B-GmbH ein Gehalt und eine Tantieme sowie für seine als Rechtsanwalt erbrachten Beratungsleistungen entsprechende Honorare. Die A-GmbH schüttete keine Gewinne aus.
In seinen ESt-Erklärungen für die Streitjahre 2009 bis 2011 erklärte R die Beratungshonorare bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit und die Geschäftsführergehälter mit Tantieme als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Für 2010, 2011 stelle er Anträge auf Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG), jedoch keine Anträge auf Regelbesteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). Für den Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens sah R bei Abgabe der ESt-Erklärung keinen Anlass, da er von Einkünften aus nichtselbständiger bzw. selbständiger Arbeit ausging.
Erst nachdem sich im Rahmen einer Außenprüfung ergeben hatte, dass ein Teil des Geschäftsführergehalts, der Beratungshonorare und der Tantieme als vGA anzusehen waren, stellte der R Anträge auf Regelbesteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren. In den geänderten ESt-Bescheiden erhöhte das FA die Kapitaleinkünfte um die vGA und unterwarf diese nach Günstigerprüfung zwar der tariflichen ESt, lehnte jedoch die Regelbesteuerung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ab, da der entsprechende Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG "spätestens zusammen mit der ESt-Erklärung" zu stellen sei und nicht nachgeholt werden könne. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage des R mit der Begründung statt, die Erklärungsfrist gelte bei teleologischer Einschränkung der Fristbestimmung nicht bei erst nachträglich festgestellten vGA.
Entscheidung: Frist für den Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren gilt auch bei nachträglich erkannter vGA
R war als Alleingesellschafter unternehmerisch an der A-GmbH beteiligt und hat aus dieser Beteiligung Kapitalerträge in Form von vGA erzielt. Denn die A-GmbH bediente sich ihrer Tochtergesellschaft, der B-GmbH, um Gewinne an R verdeckt als überhöhte Gehälter, Tantiemen und Honorarzahlungen auszuschütten. Die unmittelbare Zuwendung der B-GmbH an R stellt eine über die A-GmbH "durchgeleitete vGA" dar.
Kein fristgerechter Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren
R hat jedoch den Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren nicht fristgerecht gestellt. Der Antrag ist spätestens zusammen mit der ESt-Erklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG). Durch die Verwendung des Wortes "spätestens" wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Ausübung des Wahlrechts zeitlich durch die Abgabe der ESt-Erklärung befristet ist. Mit der Abgabe der ESt-Erklärung ist die Frist zur Ausübung des Antragsrechts auch dann abgelaufen, wenn die Erklärung unrichtig und nach § 153 AO zu korrigieren ist (BFH v. 28.7.2015, VIII R 50/14, BStBl II 2015, 894).
Kein konkludenter Antrag durch den Antrag auf Günstigerprüfung
Ein fristgerechter konkludenter Antrag ergibt sich auch nicht aus der für 2010, 2011 in den ESt-Erklärungen beantragten Günstigerprüfung. Dieser Antrag kann nicht als Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens angesehen werden. Zum einen fehlt es an den notwendigen tatsächlichen Angaben, die für die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Antrags notwendig sind. Zum anderen war R sein Antragsrecht auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bekannt, er ging jedoch davon aus, ein entsprechender Antrag sei nicht veranlasst, da er irrtümlich Gehalt, Tantieme und Honorarzahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger bzw. selbständiger Arbeit ansah. Der (ausdrückliche) Antrag auf Günstigerprüfung kann daher nicht als konkludenter Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren verstanden werden.
Keine teleologische Einschränkung der Fristenregelung
Entgegen der Auffassung des FG kommt eine teleologische Reduktion des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dahin, dass die Frist nicht anzuwenden ist, wenn die Einkünfte erst vom FA nach einer Außenprüfung als vGA besteuert werden, nicht in Betracht. Eine teleologische Reduktion zielt darauf, den Geltungsbereich einer Norm im Hinblick auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Ihre Aufgabe ist es daher nicht, das Gesetz zu verbessern. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Regelung erweist sich auch für die Fälle, in denen der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - von ihm erzielte Einkünfte zunächst rechtsirrig nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen zuordnet und aus diesem Grunde keinen Anlass für eine Antragstellung sieht, nicht als planwidrig unvollständig.
Der Gesetzgeber hat sich zur Vermeidung von auf Steueroptimierungen gerichteten stündigen Wechseln des Besteuerungsregimes sowie zur Vereinfachung bewusst dafür entschieden, dass der Antrag grundsätzlich als auf 5 Veranlagungszeiträume gestellt gilt. Dafür gewährt er das fristgebundene formalisierte Antragsrecht. Dabei steht es dem unternehmerisch Beteiligten frei, den entsprechenden Antrag auch in Anbetracht der häufig rechtlich problematischen Qualifizierung von Einkünften vorsorglich zu stellen. Verzichtet er auf einen vorsorglichen Antrag, trägt er das Risiko einer unzutreffenden Qualifizierung von Einkünften im Rahmen seiner Steuererklärung. Dies erscheint, da ein solches Risiko einschätzbar ist, sachgerecht, zumal bei Fristversäumnis auch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nach § 110 AO besteht.
Keine Wiedereinsetzung nach Ablauf der Jahresfrist
Im Streitfall liegen allerdings die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor. Denn im Zeitpunkt, zu dem R den Antrag nachgeholt hat, war die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO bereits verstrichen. Auch ein Fall höherer Gewalt liegt nicht vor. Der Irrtum des R über die zutreffende Qualifizierung seiner Einkünfte ist kein außergewöhnliches Ereignis, das durch die äußerste zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte.
Hinweis: Im Zweifelsfall vorsorgliche Antragstellung
Der Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren muss nicht ausdrücklich gestellt werden, Er kann auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden. Wird allerdings ausdrücklich nur ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt, kann in diesem nicht zugleich ein konkludenter Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gesehen werden. Wichtig ist der Hinweis, dass das Antragsrecht auch vorsorglich ausgeübt werden kann.
BFH Urteil vom 14.05.2019 - VIII R 20/16 (veröffentlicht am 22.08.2019)
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