Schätzung der ortsüblichen Marktmiete
Hintergrund: Verpachtung einer Gaststätte an den Ehemann
Die Ehefrau (F) erwarb in 2006 ein Gaststättengrundstück für 140.000 EUR. In den Streitjahren 2008 bis 2010 sanierte sie das Gebäude und die Außenanlagen für über 400.000 EUR. Ab November 2008 verpachtete sie das Anwesen an ihren Ehemann für monatlich 1.000 EUR zuzüglich Nebenkosten. Das FA ging auf der Grundlage von Internet-Recherchen von einer verbilligten Überlassung aus. Es legte eine fremdübliche Kaltpacht von 1.474 EUR zugrunde und kürzte dementsprechend den von F geltend gemachten WK-Abzug aus VuV auf 68%.
Das FG holte ein Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige ermittelte die ortsübliche Marktpacht anhand einer von ihm entwickelten "Kombinationsmethode". Danach wird (1.) aufgrund statistischer Annahmen die von einem qualifizierten Betreiber zu erwirtschaftende Pacht (ertragsorientierter Pachtwert, sog. EOP-Verfahren) ermittelt und (2.) die vom Verpächter auf der Grundlage seiner Investitionen erwartete Investivpacht festgestellt. Führen diese beiden Verfahren zu einem unterschiedlichen Ergebnis, wird ein Ausgleich vorgenommen. Im Streitfall stützte sich der Sachverständige im Wesentlichen auf die EOP-Methode und bezifferte den marktangemessenen Pachtzins auf monatlich 1.540 EUR. Da das FA von einem geringeren Betrag ausgegangen ist (1.474 EUR) bzw. der Wert des Gutachtens nicht unter der vom FA angenommenen Marktpacht lag, wies das FG die Klage ab.
Entscheidung: Keine Schätzung nach der EOP-Methode
Der BFH verweist im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Danach sind die ertragsorientierte Pachtwertermittlung (EOP-Methode) und unwesentliche Abwandlungen dieser Methode (insbesondere die sog. indirekte Vergleichswertmethode) zur Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete/-pacht generell nicht geeignet (BGH Urteil vom 28.04.1999 - XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257; vom 13.06.2001 - XII ZR 49/99, NJW 2002 S. 55; vom 14.07.2004 - XII ZR 352/00, NJW 2004 S. 3553). Der BFH schließt sich dieser Auffassung des BGH an, da sich die Vergleichsgröße (örtliche Marktmiete/-pacht) im Zivilrecht und im Steuerrecht deckt. Demnach bestimmt sich der ortsübliche Preis – auch bei einer Gaststättenüberlassung – nicht nach dem von einem Gastwirt voraussichtlich zu erwirtschaftenden Ertrag, sondern nach Angebot und Nachfrage. Demgemäß kann der Preis je nachdem unterschiedlich sein, ob es sich um einen Pächter- oder Verpächtermarkt handelt.
Ertragsorientierte Preisermittlung widerspricht dem Marktwert
Die ertragsorientierte Pachtwertermittlung (EOP) des FG widerspricht somit dem rechtlich anzulegenden Maßstab der Marktüblichkeit. Zwar gibt es grundsätzlich keine Vorgaben, nach welcher Methode bei der Wertermittlung vorzugehen ist. Eine Grenze ist aber überschritten, wenn der Sachverständige aufgrund der von ihm gewählten Methode letztlich etwas anderes ermittelt als die ortsübliche Marktmiete/-pacht. Das ist hier der Fall. Denn der Sachverständige hat im Wesentlichen darauf abgestellt, welche Miete/Pacht auf der Grundlage statistischer Annahmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vom Mieter/Pächter durchschnittlich erwirtschaftet werden kann (EOP-Methode). Mit solchen Erwägungen kann der Markt allenfalls global abgebildet werden. Demgegenüber ist steuerrechtlich der örtliche Markt entscheidend.
Ermittlung der ortsüblichen Marktpacht durch das FG
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Kommt eine Einigung über den Marktpreis nicht zustande, muss das FG die ortsübliche Marktpacht nochmals feststellen. Dafür genügt eine Schätzung unter Mitwirkung eines ortskundigen, erfahrenen Sachverständigen oder Maklers. Die damit verbundene höhere Unsicherheit ist hinzunehmen. Kann sich das FG auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen nicht die für eine Schätzung erforderliche Überzeugung bilden, geht dies zu Lasten des FA, das die objektive Beweislast für einen höheren Marktpreis hat.
Hinweis: Anders als bei Wohnraumüberlassung ist die Kaltmiete entscheidend
Der BFH ergänzt, dass bei der ortsüblichen Marktmiete/-pacht grundsätzlich von der ortsüblichen Nettokaltmiete oder -pacht auszugehen ist. Denn darin liegt die Gegenleistung für die reine Nutzungsüberlassung. Anders ist es im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG bei der Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken. Dort ist bei der ortsüblichen Marktmiete auf die die Warmmiete, d.h. die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten, abzustellen (BFH Urteil vom 10.50.2016 - IX R 44/15, BStBl II 2016, 835; R 21.3 EStR). Der Unterschied beruht auf den auch im Steuerrecht anzuerkennenden Besonderheiten des Wohnraummietrechts.
BFH Urteil vom 10.10.2018 - IX R 30/17 (veröffentlicht am 20.02.2019)
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