I. Allgemeines
Tz. 1
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Steuerzahlungen (Vorauszahlungen und Abschlusszahlungen, ggf. zuzüglich Zinsen und anderer steuerlicher Nebenleistungen) können für Steuerpflichtige, somit auch für partiell steuerpflichtige steuerbefreite Körperschaften, im Einzelfall eine erhebliche Härte darstellen. Beispielsweise können gelegentlich Zahlungen nur unter erschwerten Bedingungen an den Fiskus erbracht werden, weil Nachzahlungen nach Betriebsprüfungen lange zurückliegende Jahre betreffen und zuzüglich Nachzahlungszinsen hohe Forderungen von Seiten der zuständigen Finanzämter bestehen. Generell aber gilt: Ein Steueranspruch entsteht nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, und hängt nicht von einer Steuerfestsetzung ab. Die Finanzbehörden haben somit keinen Einfluss darauf, ob ein Steuerschuldverhältnis entsteht. Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) steht der Besteuerungsanspruch somit grundsätzlich nicht zur Disposition des Finanzamts. Entsprechend begrenzt sind die Möglichkeiten, im Billigkeitswege eine "Einigung" mit dem Finanzamt über einen Steueranspruch zu erzielen.
Tz. 1a
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Für bestimmte Fallkonstellationen erlassen die zuständigen Behörden (in der Regel das BMF) Verwaltungsschreiben, die für besonders betroffene Gruppen von Steuerpflichtigen typisierend Billigkeitsmaßnahmen eröffnen. Dies betraf beispielsweise die Auswirkungen der Corona-Pandemie (zuletzt BMF vom 07.12.2021 – IV A 3 – S 0336/20/10001 :045, DOK 2021/1267982, BStBl I 2021, 2228), die Flutkatastrophe im Sommer 2021 (BMF vom 23.07.2021 – III C 2 – S 7030/21/10008 :001, DOK 2021/0845812, BStBl I 2021, 1024, verlängert durch BMF vom 23.07.2021 – III C 2 – S 7030/21/10008 :001, DOK 2021/0845812, BStBl I 2021, 1024) oder den Ukraine-Krieg (BMF vom 17.03.2022 – IV C 4 – S 2223/19/10003 :013, DOK 2022/0226401, BStBl I 2022, 330). Für eine hohe Zahl von Steuerpflichtigen praxisrelevant sind für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2022 die Erleichterungen für die Inanspruchnahme von Steuerstundungen, bei der Steuervollstreckung sowie bei Steuervorauszahlungen gemäß BMF-Schreiben zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie; siehe exemplarisch vorstehend das BMF-Schreiben vom 07.12.2021.
Tz. 2
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Zu den Billigkeitsmaßnahmen im weiteren Sinne gehört die Stundung von fälligen Steuerzahlungen. Stellen Steuernachzahlungen, die sich aus Nachforderungen ergeben können, für eine steuerbegünstigte Körperschaft eine erhebliche Härte dar, besteht für das Finanzamt die Möglichkeit, die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu stunden. Der Steueranspruch darf aber durch die Stundung nicht gefährdet erscheinen (s. § 222 AO, Anhang 1b).
Tz. 3
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Ist nach Lage des betreffenden Einzelfalls die Einziehung von Steuerforderungen unbillig, kann ggf. ein Erlass bzw. Teilerlass in Betracht kommen (s. § 227 AO, Anhang 1b).
Tz. 4
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
U.U. kann auch eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen von dem zuständigen Finanzamt vorgenommen werden (s. § 163 AO, Anhang 1b). D. h., Steuern können ggf. niedriger festgesetzt werden oder einzelne Besteuerungsgrundlagen können bei der Festsetzung der betreffenden Steuerart unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Erhebung der Steuer nach Lage des jeweiligen Einzelfalles unbillig wäre.
II. Stundung
Tz. 5
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Gründe, die eine Stundung von Steuerbeträgen nach § 222 AO (s. Anhang 1b) rechtfertigen, sind z. B.:
- vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten,
- unvorhergesehene hohe Ausgaben für notwendige Anschaffungen,
- ein erheblicher Rückgang der Einnahmen,
- oder wenn die steuerbegünstigen Zwecken dienende Körperschaft über keinerlei Finanzierungsmöglichkeiten mehr verfügt.
Eine steuerbegünstigten Zwecken dienende Körperschaft ist grundsätzlich stundungswürdig, wenn sie die mangelnde Leistungsfähigkeit nicht selbst herbeigeführt hat und mit dem Eingang der Steuerbeträge von Seiten des Finanzamts gerechnet werden kann.
Tz. 6
Stand: EL 128 – ET: 08/2022
Der Stundungsantrag soll von der steuerbegünstigten Zwecken dienenden Körperschaft im Regelfall schriftlich an das für sie zuständige Finanzamt gestellt werden. Der Stundungsantrag ist ausreichend zu begründen. Für gestundete Beträge sind Stundungszinsen zu entrichten (s. § 234 AO, Anhang 1b). Sie betragen vor 2019 0,5 % für jeden vollen Monat der Stundung (s. § 238 AO, Anhang 1b). Die Stundungszinsen werden vom Finanzamt festgesetzt und mit einem schriftlichen Bescheid (Zinsbescheid) angefordert (s. § 239 AO, Anhang 1b): Diese Verzinsung war gemäß Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 (BGBl I 2021, 4303) ab 2014 verfassungswidrig. Der Zinssatz wurde durch den Gesetzgeber ab dem 01.01.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat (1,8 % pro Jahr) gesenkt. Eine Festsetzung der Zinsen erfolgt nur dann, wenn sie, bezogen auf jede Einzelforderung, mindestens 10 EUR betragen ...