Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 des Grunderwerbsteuergesetzes gilt, weil an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. Eine zuvor bereits bestehende Beteiligung des neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist unerheblich.
Normenkette
§ 1 Abs. 2a Sätze 1, 3 und 4, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin war eine grundbesitzende KG. Die Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin stellten sich bis zum 31.12.2016 wie folgt dar: Als Komplementär ohne Kapitalbeteiligung war T beteiligt. Als Kommanditisten hielten R 10 % und die R‐GmbH 90 % der Anteile an der Klägerin. Alleingesellschafter der R‐GmbH war R. Er hielt die Anteile an der R‐GmbH treuhänderisch für die in der Schweiz ansässige L‐AG.
R übertrug mit Wirkung zum 31.12.2016 seine 100%ige Beteiligung an der R‐GmbH auf T. T verpflichtete sich, die Treuhänderstellung des R zu übernehmen, sodass im Anschluss T die Anteile an der R‐GmbH treuhänderisch für die L‐AG hielt. Gleichzeitig übertrug R mit Wirkung zum 31.12.2016 seine 10%ige Beteiligung als Kommanditist an der Klägerin auf die M‐Verwaltungs-GmbH.
Für die Klägerin als Treugeberin hielt die A‐AG als Treuhänderin eine 100%ige Beteiligung an der B‐GmbH. Dieser nachgeordnet waren über die C‐GmbH 100 % Anteile an der jeweils grundbesitzenden E‐GmbH und der F‐GmbH.
Das FA war der Auffassung, dass die Änderung im Gesellschafterbestand der Klägerin aufgrund des Übergangs der 100%igen Beteiligung an der R‐GmbH von R auf T und des Übergangs der 10%igen Kommanditistenbeteiligung nach § 1 Abs. 2a GrEStG der GrESt unterlag. Das FA erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt. Der Feststellungsbescheid listete neben dem Grundbesitz der Klägerin auch Grundstücke der E‐GmbH und der F‐GmbH auf. Der von der Klägerin hiergegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage vor dem FG hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.3.2021, 7 K 101/18, Haufe-Index 14954555, EFG 2022, 257). Nach Ansicht des FG löste der Erwerb aller Anteile an der als Kommanditistin an der Klägerin beteiligten R‐GmbH durch T keine GrESt aus. T sei nicht als "neuer Gesellschafter" i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG anzusehen, da er seit mehr als fünf Jahren an der Klägerin als Komplementär beteiligt gewesen sei.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung des FG waren die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a Satz 1 und 4 GrEStG erfüllt. Der BFH konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, da das FG nicht festgestellt hatte, ob der Grundbesitz der E‐GmbH und der F‐GmbH der Klägerin gehörten.
Hinweis
1. Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von (im Streitjahr 2016) fünf (heute zehn) Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf (heute zehn) Jahren erfolgen. Ein Übergang von Anteilen an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf Gesellschafter, die länger als fünf (heute zehn) Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an ihr beteiligt sind (sog. Altgesellschafter), reicht hingegen nicht aus.
2. Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gilt sie als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG). Dabei ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. "Neue Gesellschafter" sind danach solche Personen, die zuvor nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Eine zuvor schon bestehende Beteiligung eines neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist nicht ausschlaggebend. Es gilt bei der unmittelbaren Beteiligung der Kapitalgesellschaft an der Personengesellschaft ein horizontales "Alles- oder Nichts-Prinzip". Ein vertikales Hindurchrechnen der Beteiligungen wie bei Personengesellschaften (s. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG) ist nicht vorgesehen.
3. Nach diesen Grundsätzen hat sich mit Wirkung zum 31.12.2016 der Gesellschafterbestand der Klägerin unmittelbar vollständig i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG geändert. Dies geschah zum einen durch die Übertragung von 10 % der Anteile an der Klägerin...