BMF, Schreiben v. 22.4.2005, IV C 8 - InvZ 1271 - 11/05, BStBl I 2005, 626
Nach dem Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Auslegung des Begriffs Betrieb im Investitionszulagengesetz Folgendes (BMF-Schreiben vom 28.6.2001, BStBl 2001 I S. 379, Tz. 40):
Grundsätzlich sind die im Investitionszulagengesetz verwendeten Begriffe, die dem Einkommensteuerrecht entnommen worden sind, nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen. Dies gilt allerdings nicht, soweit sich aus dem Investitionszulagengesetz, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen lässt (BMF-Schreiben, a.a.O., vor Tz. 1 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 18.5.1999, BStBl 1999 II S. 619).
Die Auslegung des Begriffs Betrieb nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen kann im Investitionszulagenrecht zu Ergebnissen führen, die mit der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Förderung nicht vereinbar sind.
Für die investitionszulagenrechtliche Auslegung des Begriffs Betrieb ist daher die Rechtsprechung des BFH, nach der Einzelunternehmer – im Gegensatz zu Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften – mehrere gewerbliche Betriebe unterhalten können, auch bei Gesellschaften entsprechend heranzuziehen. Die Frage, ob mehrere Betriebe vorliegen, ist nach gewerbesteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Danach ist von eigenständigen Gewerbebetrieben auszugehen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, die Betriebe sachlich, insbesondere wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch getrennt geführt werden. Anhaltspunkte für die Beurteilung dieser Frage können die Gleichartigkeit/Ungleichartigkeit der Betätigungen und die räumliche Nähe/Entfernung sein (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.1989, BStBl 1989 II S. 901; Abschn. 16 Abs. 1 und 2 GewStR 1998).
Beispiel:
Eine Gesellschaft, die einen Produktionsbetrieb unterhält, erwirbt bzw. mietet Windenergieanlagen, die in großer räumlicher Entfernung zur Produktionsbetriebsstätte errichtet werden. Die Windenergieanlagen und der Produktionsbetrieb befinden sich in unterschiedlichen Gemeinden. Für diese Windenergieanlagen beantragt die Gesellschaft bzw. der Nutzungsüberlassende Investitionszulagen für Investitionen in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes. Mit den Windenergieanlagen wird elektrischer Strom erzeugt, der zum Garantiepreis nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz in das öffentliche Stromnetz abgegeben wird. Die Gesellschaft selbst verwendet für ihre Produktionszwecke elektrischen Strom zu Marktpreisen.
Lösung:
Das Betreiben der Windenergieanlage steht weder sachlich (wirtschaftlich, finanziell, organisatorisch) noch räumlich mit der betrieblichen Tätigkeit der Produktionsbetriebsstätte im Zusammenhang. Investitionszulagenrechtlich ist daher auch bei einer Gesellschaft von eigenständigen Betrieben auszugehen, die jeweils getrennt zu beurteilen sind.
Die Stromerzeugung aus Windkraft zur Verteilung ist nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige dem Abschnitt E, Unterabschnitt EA, Nr. 40.11.3 zuzuordnen. Die Windenergieanlagen verbleiben damit nicht in einem begünstigten Betrieb. Die Anschaffung oder Herstellung von Windenergieanlagen ist daher nicht investitionszulagenbegünstigt.
Die vorstehenden Grundsätze sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Normenkette
InvZulG vor § 1
Fundstellen
BStBl I, 2005, 626