Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungskosten eines Copiloten – Vertragskontrolle. Verkehrsflugzeugführer, Copilot, Musterberechtigung, Fokker 50, Ausbildungskosten, Rückzahlungsklausel, Type-Rating, Kostenbeteiligung, Inhaltskontrolle, Berufsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung, nach der der Bewerber um die Stelle eines Flugzeugführers ein Drittel der Kosten für den Erwerb der erforderlichen Musterberechtigung selbst trägt, kann der richterlichen Inhaltskontrolle auch bei einem weniger verbreiteten Flugzeugtyp standhalten.
Orientierungssatz
1. Bei einer Beteiligung des Arbeitnehmers an Ausbildungskosten außerhalb des Bereichs des BBiG ist zu prüfen, ob der Zahlung ein angemessener Gegenwert gerade für den betreffenden Arbeitnehmer in Gestalt der Ausbildung gegenübersteht.
2. In erster Linie kommt es darauf an, in welchem Ausmaß sich die beruflichen Chancen des Arbeitnehmers erhöhen.
3. Der Wert einer Musterberechtigung für Verkehrsflugzeuge hängt ua. von den mit ihr verbundenen Einsatzmöglichkeiten ab. Dazu gehört auch die Ermöglichung einer kontinuierlichen Berufsentwicklung.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 1999 – 18 Sa 56/99 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. April 1999 – 11 Ca 6207/98 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung vom Kläger anteilig übernommener Ausbildungskosten.
Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft mit etwa 260 Mitarbeitern, die für die Lufthansa CityLine (CLH) Linienflüge auf Kurzstrecken durchführt. Ihre Flotte besteht aus elf Propellerflugzeugen „Fokker 50”. Europaweit sind etwa 60 Flugzeuge dieses Typs bei einer Reihe von kleineren Fluggesellschaften im Einsatz. Auf Grund eines Vertrags der Parteien vom 11. Juli 1996 begann der Kläger am 12. August 1996 eine Ausbildung zum Erwerb der Musterberechtigung (Type-Rating) für den Flugzeugtyp „Fokker 50”. Der damals 23jährige Kläger verfügte zu diesem Zeitpunkt nur über eine auf eigene Kosten in Höhe von ca. 125.000,00 DM erworbene allgemeine Erlaubnis für Verkehrsflugzeugführer, nicht über eine Musterberechtigung für einen bestimmten Flugzeugtyp. Für die vorgesehene Tätigkeit als Flugzeugführer auf einer „Fokker 50” benötigte er eine entsprechende Musterberechtigung. Im Vertrag vom 11. Juli 1996 heißt es:
„Anstellungsvertrag für Piloten
Mit Wirkung zum |
12. August 1996 |
wird Herr |
C. S. |
…
als Flugzeugführer eingestellt.
1. Tätigkeitsbereich
…
6. Aus- und Weiterbildung
6.1 Herr S. trägt einen Teil der Kosten für das Type-Rating. Er begleicht dazu vor Antritt der Ausbildung eine Rechnung über 18.000 DM.
…
13. Laufzeit des Vertrages
13.1 Das Anstellungsverhältnis beginnt mit dem Eintrag der Typenberechtigung für Piloten.
13.2 Das Anstellungsverhältnis gilt für die Dauer von drei Monaten zur Probe; es kann während dieser Zeit ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich gekündigt werden.
13.3 Nach Ablauf der Probezeit gilt das Anstellungsverhältnis unbefristet; es kann mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. …
…
14.1 … Sollte eine Vertragsbestimmung unwirksam sein oder werden, so wird der übrige Inhalt des Vertrags hiervon nicht berührt.
15. Weitere Vereinbarungen
15.1 Muß die Ausbildung aus Gründen abgebrochen werden, die Herr S. zu vertreten hat (z.B. mangelnde Qualifikation), und kommt damit das Anstellungsverhältnis nicht zustande, zahlt er die bis dahin im Rahmen der Ausbildung entstandenen Kosten. Ein etwa verbleibender Rest aus dem geleisteten Eigenanteil an Ausbildungskosten wird zurückbezahlt.
15.2 Endet das Anstellungsverhältnis vor Ablauf von 36 Monaten ab Eintragung des Type Rating aus Gründen, die Herr S. zu vertreten hat, zahlt er je Monat, der zu dieser Frist fehlt, DM 1.000,– anteilige Ausbildungskosten zurück. Ein etwa verbleibender Rest aus dem geleisteten Eigenanteil an Ausbildungskosten wird zurückbezahlt.”
Die Beklagte hatte zuvor beschlossen, ihre Dash-8 Flugzeuge vollständig durch „Fokker 50” Maschinen zu ersetzen. Sie mietete von der CLH die dort bisher eingesetzten elf Maschinen dieses Typs. Die CLH übernahm die Schulung der Piloten, bis die Beklagte ihre eigenen Kapitäne hiermit betrauen konnte. Für die Umstellung des Flugbetriebs zahlte die CLH an die Beklagte insgesamt 5,6 Mio. DM. Ob darin auch die Kosten für das Type-Rating der Piloten enthalten sind, ist streitig geblieben.
Der Kläger zahlte seinen Anteil an den Ausbildungskosten in Höhe von 18.000,00 DM auf Grund einer Rechnung der Beklagten vom 30. Juli 1996. Er absolvierte dann ein theoretisches und praktisches Flugtraining, ua. im Flugsimulator bei der Friendship Simulation Company in Maastricht. In dieser Zeit erhielt er ein monatliches Entgelt von 2.000,00 DM. Anfang Oktober 1996 wurde seine Musterberechtigung eingetragen. Hieran schloß sich eine sog. Supervisions-Phase von etwa 100 Flugstunden bei der CLH an, während der der Kläger gravierenden Einsatzbeschränkungen unterlag. Ab dem 2. Januar 1997 setzte die Beklagte ihn in ihrem regulären Liniendienst als Co-Pilot ein. Sein Gehalt steigerte sich auf 3.700,00 DM und zuletzt auf ca. 4.600,00 DM.
Im März 1998 trat der Kläger an die Beklagte mit dem Wunsch heran, sein Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, um ein anderes Anstellungsverhältnis eingehen zu können. Der Inhalt eines diesbezüglichen Gesprächs zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten ist im einzelnen streitig. Jedenfalls unterzeichneten die Parteien mit Datum vom 25. März 1998 folgenden
„Aufhebungsvertrag
1. Auf Wunsch von Herrn S. stimmt die C A einer vorfristigen Beendigung des Anstellungsvertrags vom 11.07.1996 zum 15-04-1998 zu.
2. C A und Herr S vereinbaren Gehalts-, Spesen- und Mehrflugstunden-Verzicht für die Zeit vom 01.03.98 – 15-04-98. Damit sind jedwede C A Ansprüche aus dem Fokker 50 type-rating abgegolten.
…
5. Dieser Aufhebungsvertrag ist vollständig; Nebenabsprachen sind nicht getroffen. …
6. Herr S. verpflichtet sich, Flugeinsätze bis zum 15.04.98 so auszuführen, wie sie von Crewplanung vorgegeben sind; dabei soll die Planung der Einsätze wie bisher erfolgen, unabhängig von der Beendigung der Zusammenarbeit zum 15-04-1998.”
Mit der Ende Juli 1998 erhobenen Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung der vorab gezahlten 18.000,00 DM. Er hat geltend gemacht, Nr. 6.1 des Arbeitsvertrags sei unwirksam. Es handele sich um eine unzulässige Umgehung der Rechtsprechung zur Vereinbarung der Rückzahlung von Ausbildungskosten. Im Rahmen der allgemeinen richterlichen Vertragskontrolle stelle sich die Kostenbeteiligung als unangemessen dar. Er sei gezwungen worden, sich seinen Arbeitsplatz durch die vorherige Zahlung zu erkaufen. Die Beklagte habe selbst überhaupt keine Kosten für das Type-Rating der Piloten getragen. Die Ausbildung sei von der CLH vorgenommen und die weiteren Kosten seien von der CLH mit der Zahlung der 5,6 Mio. DM abgegolten worden. Die Beklagte habe die Höhe der pauschalierten Ausbildungskosten nicht substantiiert dargelegt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit 31. Juli 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Rechtsprechung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten sei auf die vorliegende Vertragsgestaltung einer Kostenbeteiligung nicht anwendbar. Der Kläger habe durch den Erwerb der Musterberechtigung einen beruflichen Vorteil erworben, weil er eingestellt worden sei, nach sechs Monaten eine Gehaltserhöhung erhalten und sich beruflich weiterqualifiziert habe. Auf Grund der gewonnenen Flugerfahrung habe er eine besser bezahlte Stelle bei einer großen Fluggesellschaft bekommen. Von dem Betrag, den die CLH für die Umstellung des Flugbetriebs zu entrichten hatte, seien die Kosten für Ausbildung und Flugtraining bei der CLH abgezogen worden. Ein Ausgleich für den Ausbildungsaufwand der Beklagten sei nicht erfolgt. Die tatsächlichen Kosten beim Kläger seien auf 54.000,00 DM pauschaliert worden. Neben dem Entgelt des Klägers in Höhe von 19.713,00 DM habe sie, die Beklagte, noch Ausbildungskosten in Höhe von 41.322,00 DM aufgewendet. Davon entfielen 22.680,00 DM auf die Schulung im Simulator in Maastricht, 11.618,00 DM auf Reisekosten des Klägers, 3.640,00 DM auf Schulungslandungen, 2.152,00 DM auf Funktionszulagen der Ausbilder und 1.232,00 DM auf Gebühren für Schulungen und Übungen (Erste Hilfe, Rettung und Sicherheit, Rauchschutz, Resource-Management). Entgegen dem Wortlaut seien mit dem Aufhebungsvertrag alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Type-Rating erledigt worden. Die Rückforderung des Klägers verstoße gegen Treu und Glauben. Der Kläger habe das Vertrauen erweckt, die Ansprüche seien vollständig geklärt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts.
I. Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB). Ziffer 6.1 des Anstellungsvertrags ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wirksam. Der Kläger hat die Zahlung von 18.000,00 DM für den Erwerb der Musterberechtigung mit Rechtsgrund geleistet.
1. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, nach dem die Vereinbarung einer Entschädigungszahlung für die Berufsausbildung nichtig ist, findet auf das Vertragsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Diese Bestimmung gilt nur bei betrieblicher, nicht bei schulischer Ausbildung. Sie setzt voraus, daß der Auszubildende in einen Betrieb eingegliedert ist, in einer dem Arbeitsverhältnis nahestehenden Rechtsbeziehung zum Ausbildenden steht und für den Betrieb mit einer vom Ausbildungszweck bestimmten Zielrichtung arbeitet(BAG 16. Oktober 1974 – 5 AZR 575/73 – AP BBiG § 1 Nr. 1, zu I 2 der Gründe; 24. Juni 1999 – 8 AZR 339/98 – AP BGB § 611 Ausbildungsverhältnis Nr. 36 = EzA BGB § 326 Nr. 1, zu II 1 der Gründe). Demgegenüber war der Kläger nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts während der Dauer der Ausbildung nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert. Er wurde nicht für die Beklagte tätig, sondern sollte extern eine Befähigung erwerben, die seinen Einsatz luftfahrtrechtlich erst ermöglichte(vgl. BAG 24. Februar 1999 – 5 AZB 10/98 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 45 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 32, zu II 4 c dd der Gründe). Dabei handelte es sich auch deswegen nicht um Berufsausbildung, weil mit der Musterberechtigung keine breit angelegte berufliche Grundbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG vermittelt wird.
§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG gilt nicht gem. § 19 BBiG. § 19 BBiG setzt wie § 5 BBiG eine Eingliederung in den Betrieb voraus. Die Einweisung auf einen bestimmten Flugzeugtyp stellt kein anderes Vertragsverhältnis dar, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zu erwerben. Es handelt sich nicht um ein Vertragsverhältnis zur kurzfristigen Erlangung von beruflichen Kenntnissen wie bei einem Praktikanten, Volontär oder Anlernling. Unter § 19 BBiG fällt nicht die Weiterbildung von bereits ausgebildeten Fachkräften für bestimmte Aufgaben, die im Rahmen der beruflichen Weiterbildung oder beruflichen Anpassung eng abgegrenzte betriebliche Bildungsmaßnahmen besuchen(vgl. Gedon/Spiertz BBiG § 19 Rn. 24; Weber BBiG § 19 Anm. 2). Der Kläger war ausgebildeter Pilot, der lediglich eine Spezialeinweisung auf einem bestimmten Flugzeugtyp erhielt.
2. Die Vereinbarung der Kostenbeteiligung hält der Überprüfung nach den Grundsätzen einer allgemeinen richterlichen Inhaltskontrolle stand. Sie benachteiligt den Kläger nicht unangemessen entgegen dem Gebot von Treu und Glauben.
a) Die richterliche Inhaltskontrolle resultiert aus dem Schutzauftrag an den Richter, den objektiven Wertentscheidungen der Grundrechte in Fällen gestörter Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen. Neben den spezialgesetzlichen Normen greifen ergänzend die zivilrechtlichen Generalklauseln ein, vor allem die §§ 138, 242 und 315 BGB. Ist der Inhalt eines Vertrags für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, muß korrigierend eingegriffen werden(BVerfG 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 254 ff.; 19. Oktober 1993 – 1 BvR 567,1044/89 – BVerfGE 89, 214, 231 ff.). Voraussetzung ist eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen läßt(BAG 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 76, 155, 166 ff.). Die Gerichte haben ebenso wie der Gesetzgeber den konkurrierenden Grundrechtspositionen ausgewogen Rechnung zu tragen. Die beiderseitigen durch Art. 12 GG geschützten Rechtspositionen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sind im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen(BVerfG 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 – aaO). Dabei schützt Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Die Norm umfaßt nicht nur das Recht, den gewählten Arbeitsplatz zu wechseln oder aufzugeben, sondern bezieht sich auch auf Maßnahmen, die am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern, zur Annahme eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen oder die Aufgabe eines Arbeitsplatzes verlangen(BVerfG 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133, 146 f.; BAG 27. September 1994 – GS 1/89 [A] – BAGE 78, 56, 65 f.).
b) Wird der Arbeitnehmer durch einzelvertragliche Vereinbarung an den Kosten einer Aus- oder Weiterbildung beteiligt, liegt eine gestörte Vertragsparität auf Grund struktureller Unterlegenheit des Arbeitnehmers nahe. Die erforderliche gerichtliche Inhaltskontrolle kann zunächst von dem bei den sog. Rückzahlungsklauseln angelegten Maßstab ausgehen. Auch hierbei handelt es sich um eine, allerdings erst nachträglich greifende Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers. Hier gilt nach der Rechtsprechung des Senats folgendes(vgl. nur BAG 16. März 1994 aaO, S 170 ff.):
aa) Die Interessenabwägung hat sich insbesondere daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt. Eine Kostenbeteiligung ist ihm um so eher zuzumuten, je größer der mit der Ausbildung verbundene berufliche Vorteil für ihn ist. Die Gegenleistung für die durch die Rückzahlungsklausel bewirkte Bindung kann darin liegen, daß der Arbeitnehmer eine Ausbildung erhält, die ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich seines bisherigen Arbeitgebers berufliche Möglichkeiten eröffnet, die ihm zuvor verschlossen waren. Auch bei Fortbildungsmaßnahmen erhält der Arbeitnehmer oftmals einen geldwerten Vorteil, der eine Bindung rechtfertigen kann, sei es, daß er bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Tarifgruppe erfüllt, sei es, daß die erworbenen Kenntnisse sich auch anderweitig nutzbar machen lassen. Die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch außerhalb des Betriebs des ausbildenden Arbeitgebers verwerten kann. So kann eine in der Praxis anerkannte Qualifikation berufliche Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen. Demgegenüber scheidet eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers in der Regel dann aus, wenn die Aus- oder Weiterbildung nur innerbetrieblich von Nutzen ist oder es lediglich um die Auffrischung vorhandener Kenntnisse oder die Anpassung dieser Kenntnisse an vom Arbeitgeber veranlaßte neuere betriebliche Gegebenheiten geht.
bb) Bei Rückzahlungsklauseln müssen Fortbildungs- und Bindungsdauer in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Senat hat das damit begründet, daß die Höhe der Arbeitgeberaufwendungen und die Qualität der erworbenen Qualifikation regelmäßig von der Dauer der Fortbildung abhängen. In erster Linie kommt es aber darauf an, in welchem Ausmaß sich die beruflichen Chancen des Arbeitnehmers erhöhen.
cc) Der Arbeitgeber kann höchstens den Betrag verlangen, den er tatsächlich aufgewendet hat. Anderenfalls würde eine Vertragsstrafe vorliegen. Obergrenze ist in jedem Falle der vereinbarte Betrag.
c) Bei der unbedingten Kostenbeteiligung geht es erst recht um die Frage, ob der Zahlung des Arbeitnehmers ein angemessener Gegenwert gerade für den betreffenden Arbeitnehmer in Gestalt der Aus- oder Weiterbildung gegenübersteht. Die Inhaltskontrolle hat vorausschauend die Leistung des Arbeitgebers zu bewerten. Einerseits ist der Arbeitnehmer nicht wegen einer nachträglichen Kostenbeteiligung mittelbar gebunden, das Arbeitsverhältnis gegen seinen Willen und gegen seine Interessen fortzusetzen. Andererseits hat er auch nicht die Chance, seine Gegenleistung durch Weiterführung des Arbeitsverhältnisses auf null zu reduzieren. Die Bewertung von Bindung und Option, die zusätzlich die gesamten Vertragsbedingungen einbeziehen muß, spielt keine Rolle. Bei einem etwaigen Entscheidungskonflikt des Arbeitnehmers wegen der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses und anderweitiger Chancen entfällt die Problematik der finanziellen Fesselung, da der Arbeitnehmer seine Leistung bereits endgültig erbracht hat.
Stattdessen bedeutet die Kostenbeteiligung eine unter Umständen erhebliche finanzielle Hürde, das Arbeitsverhältnis überhaupt antreten zu können. Das kann aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht dazu führen, die Vereinbarung zu Lasten des Arbeitgebers stets strenger zu bewerten als in dem Fall, daß ein Arbeitsverhältnis überhaupt nicht begründet wird. Im Gegenteil ist gerade der Vorteil, der in dem Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer liegen kann, zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Arbeitgebers, seinen über Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis hinausgehenden Aufwand zu verringern, insbesondere wenn nach einem baldigen Ausscheiden des Arbeitnehmers ein erneuter Ausbildungsaufwand entsteht. Der Arbeitgeber hat außerhalb des Berufsbildungsgesetzes ein anerkennenswertes Interesse daran, Arbeitnehmer einzusetzen, die die vertragliche Arbeitsleistung ohne weiteres erbringen können, die erforderlichen Voraussetzungen also bereits (anderweitig) auf eigene Kosten erworben haben. Die von vornherein auf Grund der zu tragenden Kosten bestehende Einschränkung, einen bestimmten Beruf auszuüben, ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer auf der anderen Seite entsprechende Vorteile infolge der Ausbildung erwachsen. Die Frage, ob ein angemessener Interessenausgleich vorliegt, beantwortet sich auch für die im voraus geleistete Kostenbeteiligung danach, ob der Arbeitnehmer eine angemessene Gegenleistung erhält(vgl. Hanau/Stoffels Beteiligung von Arbeitnehmern an den Kosten der beruflichen Fortbildung – Zulässigkeit und Grenzen S 66).
d) Das Landesarbeitsgericht hat die beiderseitigen Interessen nicht zutreffend bewertet und abgewogen. Die Beteiligung an den Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung stellt keine übermäßige Belastung für den Kläger dar, sondern ist für ihn angesichts der Interessenlage zumutbar. Seine Berufsfreiheit wird nicht unverhältnismäßig beschränkt, da er mit der Musterberechtigung für die „Fokker 50” eine angemessene Gegenleistung erhalten hat.
aa) Einerseits dient der Erwerb der Musterberechtigung dem Interesse des Arbeitgebers. Dieser benötigt Flugzeugführer, die die von ihm verwendeten Fluggeräte fliegen dürfen. Die Musterberechtigung stellt eine theoretische und praktische Einweisung auf ein bestimmtes Flugzeugmuster dar. Sie ist Bestandteil der erforderlichen Luftfahrerlaubnis, als Verkehrsflugzeugführer tätig zu sein (vgl. § 4 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz, § 20 Abs. 1 Luftverkehrszulassungsordnung), und wird in den Luftfahrtschein eingetragen (§§ 66 ff. Luftfahrtpersonalverordnung). Die Einweisung kann in einer Luftfahrerschule oder in einem Luftfahrtunternehmen erfolgen(Schmid/Roßmann Das Arbeitsverhältnis der Besatzungsmitglieder in Luftfahrtunternehmen Rn. 43). Für jeden unterschiedlichen Flugzeugtyp muß der Flugzeugführer eine neue Musterberechtigung erwerben. Deshalb entspricht die Interessenlage beim Erwerb einer Musterberechtigung nicht generell der beim Erwerb einer allgemeinen Erlaubnis als Verkehrsflugzeugführer. Diese ist Grundlage für jede zukünftige Tätigkeit als Pilot. Die Senatsentscheidung vom 16. Oktober 1974(– 5 AZR 575/73 – AP BBiG § 1 Nr. 1) zur Beteiligung an den Kosten für eine allgemeine Fluglizenz ist deshalb vom Landesarbeitsgericht zu Recht als nicht unmittelbar einschlägig angesehen worden.
bb) Der Erwerb der Musterberechtigung für die „Fokker 50” ist freilich nicht mit einer nur dem Arbeitgeber dienenden Einweisung auf das Arbeitsgerät gleichzusetzen. Immerhin wird diese Maschine europaweit von einer Reihe von Fluggesellschaften in nicht unerheblicher Anzahl geflogen. Ein europaweiter Einsatz ist dem Kläger als Pilot zumutbar. Ob bei den anderen Fluggesellschaften gerade Flugzeugführer gesucht werden, ist nicht ausschlaggebend. Vielmehr genügt es, daß sich überhaupt Einsatzmöglichkeiten für den Kläger bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Arbeitgebern eröffnen. Damit besteht keinesfalls nur ein einseitiges Interesse der Fluggesellschaft, Besatzungsmitglieder auf ihren Flugzeugen einsetzen zu können. Der Kläger hat nicht nur den Vorteil erworben, überhaupt von der Beklagten als Flugzeugführer eingestellt worden zu sein und sein Gehalt hier steigern zu können. Vielmehr könnte er seine Musterberechtigung durchaus auch bei anderen Fluggesellschaften einsetzen.
cc) Der Kläger hat darüber hinaus einen weitergehenden Vorteil auf dem Arbeitsmarkt erworben. Es handelt sich bei der „Fokker 50” nach den nicht bestrittenen Ausführungen der Beklagten um eine „Einsteigermaschine”. Faktisch ermöglicht regelmäßig erst eine ausreichende Flugerfahrung auf einem solchen kleineren Flugzeug, Musterberechtigungen für größere Flugzeuge wie zB die Boeing 737 zu erwerben. Damit besteht der berufliche Vorteil für den Kläger gerade nicht nur in der Einstellung bei der Beklagten, auch nicht nur im Erwerb von Berufserfahrung; vielmehr wird ihm eine kontinuierliche Berufsentwicklung ermöglicht. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen sich durch den Erwerb der in Rede stehenden Musterberechtigung deutlich, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat und wie auch der Fall des Klägers zeigt. Die Begrenzung der Gültigkeitsdauer der Musterberechtigung auf zwölf Monate bleibt demgegenüber ohne Belang, da die Überprüfung keinen besonderen Aufwand erfordert und der wesentliche Wert der Berechtigung erhalten bleibt.
dd) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kommt der Musterberechtigung nicht ein beschränkter Wert im Zusammenhang mit einer ständigen Modernisierung des Fluggeräts zu. Besitzt der Pilot bereits eine Musterberechtigung, kann die Interessenlage abweichend zu bewerten sein. Jedenfalls liegt die Situation im bestehenden Arbeitsverhältnis anders als bei einem externen Bewerber. Keinesfalls sind die Piloten gezwungen, sich immer wieder an den Kosten der Modernisierung des Fluggeräts zu beteiligen, wenn die vertragsgemäße Weiterbeschäftigung eine entsprechende Ausbildung erfordert.
ee) Das Landesarbeitsgericht weist auf die relativ geringe Vergütung des Klägers während der Ausbildungsphase hin. Demgegenüber wäre eine Ausbildung auf Kosten der Beklagten, aber ganz ohne Vergütungszahlung zulässig und nicht unangemessen gewesen, weil der Kläger offenbar keinerlei Arbeitsleistung erbracht hat und ein Fall des § 10 BBiG nicht vorlag. Der Kläger hat vorab nicht einmal den Betrag gezahlt, den die Beklagte allein als Entgelt während der Ausbildung für den Kläger in unstreitiger Höhe von 19.713,00 DM aufgewendet hat. Er hat im Ergebnis nur seinen eigenen Unterhalt während dieser Zeit vorfinanziert.
ff) Der Kläger hatte die Ausbildungskosten nur zu etwa einem Drittel zu übernehmen. Damit wird dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, daß es sich bei der „Fokker 50” nicht um einen sehr verbreiteten Flugzeugtyp handelt und der Erwerb der Musterberechtigung nicht unmittelbaren Zugang zu gut dotierten Arbeitsplätzen bei den großen Fluggesellschaften eröffnet(vgl. demgegenüber den Fall, der der Entscheidung des Achten Senats vom 24. Juni 1999 – aaO – zugrunde lag). Der Senat bewertet die Interessen beider Vertragsteile an dem Erwerb der Musterberechtigung als etwa gleichrangig. Das rechtfertigt in jedem Falle die vereinbarte Kostenbeteiligung.
e) Die genaue Höhe der Ausbildungskosten für den Erwerb der Musterberechtigung kann dahinstehen. Nach dem Vortrag der Parteien und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, daß der vereinbarte Betrag von 18.000,00 DM ca. 1/3 der tatsächlichen Kosten ausmacht. Die Beklagte hat die Kosten hinreichend substantiiert aufgeschlüsselt. Dem hat der Kläger nichts Konkretes mehr entgegengesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der angegebene Betrag sei realistisch. Dagegen erhebt die Revision keine Einwendungen. Ob in dem von der CLH gezahlten Betrag von 5,6 Mio. DM Kosten für das Type-Rating der Piloten „enthalten” sind, ist unerheblich. Unabhängig hiervon sind die Ausbildungskosten tatsächlich angefallen. Sie schlagen wirtschaftlich zu Lasten der Arbeitgeberseite zu Buche, ohne daß die genaue Berücksichtigung bei der Erstattung der Umstellungskosten aufgeklärt werden müßte.
3. Nicht zu entscheiden ist, ob die bisherige Rechtsprechung zum Erwerb von Musterberechtigungen uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. Jedenfalls macht der Kläger zu Unrecht eine Umgehung der Rechtsprechung zu den Rückzahlungsvereinbarungen anläßlich einer Aus- oder Weiterbildung geltend. Das Landesarbeitsgericht hat schon zutreffend auf die Unterschiede zwischen einer unbedingten Kostenbeteiligung und einer nachträglichen Zahlungsverpflichtung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf bestimmter Fristen hingewiesen(vgl. auch BAG 16. Oktober 1974 aaO, zu II der Gründe). Insbesondere wird der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluß mit dem Eintritt der Bedingung vielfach nicht rechnen.
II. Ob die weitergehende Rückzahlung nach Nr. 15.2 des Arbeitsvertrags neben der Kostenbeteiligung ganz oder zum Teil wirksam vereinbart werden konnte, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte verlangt keine nachträgliche Erstattung von Ausbildungskosten. Der Kläger hat während eines Teils der vereinbarten Bindung für die Beklagte gearbeitet, im übrigen haben sich die Parteien geeinigt. Ansprüche aus Nr. 15.2 Satz 1 des Arbeitsvertrags sind nicht Streitgegenstand. Die Wirksamkeit der Verpflichtung nach Nr. 6.1 ist unabhängig von der Wirksamkeit der Nr. 15.2 des Vertrags zu beurteilen. Beide Verpflichtungen stehen selbständig nebeneinander. Die Zahlungspflicht nach Nr. 6.1 ist vorrangig. Bei Vertragsabschluß war ungewiß, ob der Fall der Nr. 15.2 überhaupt eintreten wird. Die zusätzliche Zahlungspflicht nach Nr. 15.2 beeinflußt deshalb die Wirksamkeit der unbedingten Zahlungspflicht nicht. Das hebt Nr. 14.1 des Arbeitsvertrags noch hervor. Nur wenn der Fall der Nr. 15.2 eintritt, ist von Bedeutung, daß der Kläger bereits einen Teil der Kosten getragen hat; die Angemessenheit und damit Wirksamkeit der weitergehenden Rückzahlungsvereinbarung kann hiervon abhängen. Umgekehrt gilt das nicht.
III. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Landesarbeitsgericht den Aufhebungsvertrag der Parteien rechtsfehlerfrei ausgelegt hat oder ob die Parteien entgegen dem Vertragswortlaut alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Type-Rating erledigt haben. Ebenso kann dahinstehen, ob dem Begehren des Klägers der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wegen eines widersprüchlichen Verhaltens entgegensteht.
IV. Der unterlegene Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1, § 91 ZPO).
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, W. Hinrichs, E. Haas
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.11.2001 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 13 |
BB 2002, 628 |
DB 2002, 744 |
NWB 2002, 947 |
ARST 2002, 139 |
FA 2002, 125 |
NZA 2002, 551 |
SAE 2002, 251 |
ZTR 2002, 292 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 10 |
EzA |
MDR 2002, 953 |
PERSONAL 2002, 61 |
AUR 2002, 115 |