Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen einer Divergenz; Anforderungen an die schlüssige Rüge des Übergehens von Beweisanträgen
Leitsatz (NV)
1. Die für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gebotene Abweichung im Grundsätzlichen liegt nicht vor, wenn das FG die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten abstrakten Rechtsgrundsätze zum Ausgangspunkt seiner konkreten Würdigung genommen hat und lediglich im Rahmen der Einzelfallbeurteilung zu einem vom Beschwerdeführer nicht für zutreffend gehaltenen Ergebnis gelangt ist.
2. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. Ausführungen darüber erforderlich, - inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung habe führen können und - dass der Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt worden sei oder - falls dies nicht geschehen sein sollte - aus welchen (entschuldbaren) Gründen eine solche Rüge unterblieben sei.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 76
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 10.07.2007; Aktenzeichen 13 K 10132/03) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behaupteten Abweichungen des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen nicht vor (unten 1.). Die von ihr erhobene Sachaufklärungsrüge genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO; unten 2.).
1. a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Finanzgericht (FG) nicht von dem BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97 (BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663) abgewichen.
aa) Zutreffend hat die Klägerin bemerkt, der BFH habe in dem o.a. Urteil ausgeführt, dass die "ernsthafte Möglichkeit, dass ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt (werde), gegeben (sei), wenn (feststehe), dass der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten (könne)". Dies setze voraus, dass der Betrieb aus objektiven Gründen nicht zur Erzielung von Gewinnen geeignet (erscheine). Das subjektive Merkmal einer schlechten Betriebsführung stelle die Geeignetheit des Betriebs, Gewinne zu erzielen, nicht in Frage (BFH-Urteil in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663, unter II.2.b der Gründe).
bb) Von diesen Rechtssätzen ist das FG jedoch nicht abgewichen. Vielmehr hat es im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BFH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Entkräftung des Anscheinsbeweises für die Gewinnerzielungsabsicht dann "gegeben (sei), wenn (feststehe), dass der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten (könne) und trotzdem von dem Steuerpflichtigen unverändert fortgeführt (werde). Dies (sei) insbesondere dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige trotz langjähriger Verluste nichts (unternehme), um die Einnahmesituation nachhaltig zu verbessern und aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich (sei), dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen (ausübe)".
Diese Rechtsgrundsätze hat das FG sodann zum Ausgangspunkt seiner konkreten Würdigung der Umstände des Streitfalles genommen. Der Umstand, dass das FG bei dieser Einzelfallbeurteilung zu dem von der Klägerin nicht für zutreffend gehaltenen Ergebnis gelangt ist, dass der Klägerin in den Streitjahren die Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe, vermag die für eine Zulassung der Revision gebotene Abweichung im Grundsätzlichen (vgl. hierzu die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 55) nicht zu begründen.
b) Ebenso wenig ist das FG von den von der Klägerin zitierten abstrakten Rechtssätzen im BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83 (BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, unter 2.b und c) abgewichen.
aa) Dort heißt es u.a.:
"Die objektiven Verhältnisse (Wesensart des Betriebs, Art der Betriebsführung, Ertragsaussichten) sind lediglich Beweisanzeichen für die subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen in dem zu beurteilenden Veranlagungszeitraum. Maßgebend ist immer, wie sich die Verhältnisse aus der Sicht des an objektiven Gegebenheiten orientierten Steuerpflichtigen dargestellt haben (…).
Gewinnerzielungsabsicht kann deshalb auch dann gegeben sein, wenn ein Betrieb aus der Sicht eines objektiven, sachkundigen Beobachters nach seiner Wesensart oder der Art seiner Betriebsführung keinen Totalgewinn erzielen kann. In einem solchen Fall wird der Steuerpflichtige allerdings substantiiert Umstände darlegen und glaubhaft machen müssen, die ihn --aus seiner Sicht-- zu der Annahme berechtigen, die in der Vergangenheit angefallenen Verluste im Laufe der weiteren Entwicklung des Betriebs durch spätere Gewinne ausgleichen und ein positives Gesamtergebnis erzielen zu können."
(…)
"Die ernsthafte Möglichkeit, dass ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, ist jedenfalls dann gegeben, wenn feststeht, dass der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann.
Gelingt dem FA die Widerlegung des Anscheinsbeweises, so hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob der Kläger das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat …"
bb) Die Klägerin hat keinen abstrakten Rechtssatz aus der angefochtenen Vorentscheidung herausarbeiten können, der den unter aa zitierten Rechtsgrundsätzen widerspricht. Entgegen der von ihr vertretenen Ansicht kann dem FG-Urteil insbesondere nicht entnommen werden, dass das FG die im Streitfall vorliegenden Verhältnisse "allein aus seiner eigenen Sicht" betrachtet habe. Vielmehr hat das FG unter Heranziehung der ständigen Rechtsprechung des BFH aus den von ihm festgestellten objektiven Umständen geschlossen, dass der "vorhandene Anscheinsbeweis" für das Bestehen der Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin durch die in Betracht zu ziehende ernsthafte Möglichkeit entkräftet worden sei, "dass im konkreten Fall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive der Klägerin für die Fortführung des Unternehmens bestimmend (gewesen seien). Diese Schlussfolgerung (ergebe) sich daraus, dass der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen (habe arbeiten können) und trotzdem von der Klägerin jahrelang fortgeführt worden (sei). Hinzu (träten) weitere (vom FG im Einzelnen aufgeführte) Umstände, die es als möglich erscheinen (ließen), dass die Klägerin die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich ihrer Lebensführung liegenden, persönlichen Gründen ausgeübt (habe)".
cc) Im Kern richten sich die in diesem Zusammenhang erhobenen Einwendungen der Klägerin wiederum gegen die vom FG getroffene Würdigung im Einzelfall, welche --selbst wenn diese Würdigung, wie die Klägerin meint, lückenhaft und fehlerhaft wäre-- die für eine Zulassung der Revision wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Wahrung der Einheit der Rechtsprechung gebotene Abweichung im Grundsätzlichen nicht rechtfertigen kann.
2. Die von der Klägerin erhobene Sachaufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Wird --wie im Streitfall-- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 70) u.a. Ausführungen darüber erforderlich,
- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und
- dass der Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt worden sei oder --falls dies nicht geschehen sein sollte-- aus welchen (entschuldbaren) Gründen eine solche Rüge unterblieben sei.
An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.
Fundstellen