Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzungszinsen; Zinslauf
Leitsatz (NV)
Wird die Aussetzung der Vollziehung vor dem im Aussetzungsbescheid bestimmten Zeitpunkt durch Erfüllung (Zahlung, Aufrechnung) des Anspruches gegenstandslos, endet der Zinslauf von Aussetzungszinsen bereits mit der Erfüllung.
Normenkette
FGO § 69; AO 1977 § 237f
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) setzte nach rechtskräftigem Abschluß eines von der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ohne Erfolg betriebenen Klageverfahrens wegen der gewährten Aussetzung der Vollziehung gemäß §§ 237 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) durch Be scheid vom 3. Februar 1993 Aussetzungszinsen in Höhe von ... DM (ausgesetzter Steuerbetrag: ... DM; Zinszeitraum: 32 Mo nate zu je 0,5 v. H.) fest. Mit ihrem gegen den Zinsbescheid gerichteten Einspruch machte die Antragstellerin geltend, daß nur ein Zinszeitraum von vier Monaten zu berücksichtigen sei. Sie habe die im September 1989 entstandene streitige Lohnsteuer im Januar 1990 beim FA angemeldet und bezahlt. Gegen die diesen Einspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Az. ... eine Klage anhängig.
Das FA hat das Begehren der Antragstellerin darüber hinaus unter dem Gesichtspunkt einer anderweitigen Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen i. S. von § 163 AO 1977 geprüft und abgelehnt. Gegen die Beschwerdeentscheidung ist beim FG unter dem Az. ... eine Klage anhängig.
Im gegen den Zinsbescheid vom 3. Februar 1993 gerichteten Verfahren hat die Antragstellerin -- nach Ablehnung durch das FA -- beim FG Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der den Zinszeitraum von vier Monaten übersteigenden Aussetzungszinsen beantragt. Das FG gab dem Antrag statt. An der Rechtmäßigkeit des Zins bescheides bestünden in dem von der An tragstellerin dargelegten Umfang bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel. Wegen der besonderen Umstände des Falles sei es ermessensfehlerhaft, daß das FA die gemäß § 237 Abs. 4 AO 1977 i. V. m. § 234 Abs. 2 AO 1977 bestehende Möglichkeit des Zinsverzichts nicht schon bei der Zinsfestsetzung geprüft habe. Außerdem seien Billigkeitsmaßnahmen Grundlagenbescheide für die Steuerfestsetzung. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Aussetzung der Vollziehung geboten.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde rügt das FA, das FG sei bei seiner Entscheidung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. November 1987 VI R 140/84 (BFHE 152, 310, BStBl II 1988, 402) abgewichen.
Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und die Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheides in vollem Umfang abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Be schwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Vollziehung des angefochtenen Zinsbescheides hinsichtlich der den Zinszeitraum von vier Monaten übersteigenden Zinsen ausgesetzt.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanz gerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines an gefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes be stehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernst liche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu tage treten, die Unentschiedenheit oder Un sicherheit in der Beurteilung der Rechts- oder Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Im Streitfall kann offenbleiben, ob und inwieweit im Zusammenhang mit einem eine Billigkeitsmaßnahme i. S. von § 163 AO 1977 betreffenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheides selbständig betrieben werden kann. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheides ergeben sich bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung deshalb, weil das FA nach den Feststellungen des FG auch Aussetzungszinsen für den Zeitraum nach Anmeldung und Zahlung der streitigen Lohnsteuer festgesetzt hat. Gemäß § 237 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 sind Zinsen nur bis zu dem Tage zu erheben, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Dieses für den Zinslauf entscheidende Ende der Aussetzung der Vollziehung kann zum einen durch eine Maßnahme der Behörde bzw. des Gerichts eintreten. Die Aussetzung der Vollziehung kann aber auch wegen Erfüllung (Zahlung, Aufrechnung) der Schuld gegenstandslos werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. November 1991 X R 103/89, BFHE 166, 311, BStBl II 1992, 319, unter 3. b; von Wallis in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 237 AO 1977 Anm. 9; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 237 AO 1977 Tz. 6; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 237 AO 1977 Anm. 4; Höllig in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 237 Rz. 15). Eine Sollverzinsung -- wie z. B. bei § 233 a AO 1977 (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 9. Mai 1994 VI B 97/93, BFHE 174, 214, BStBl II 1994, 556) -- ist bei der Zinsfestsetzung nach § 237 AO 1977 nicht vorgesehen (z. B. Tipke/Kruse, a.a.O.).
Fundstellen
Haufe-Index 420358 |
BFH/NV 1995, 563 |