Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsfrist für Berlinzulage
Leitsatz (NV)
Eine Verlängerung der Antragsfrist auf Berlinzulage gemäß § 29 Abs. 2 Berlin FG war im Geltungsbereich der Reichsabgabenordnung (AO) über die in §§ 153, 158 AO genannte Zeitdauer hinaus jedenfalls nicht möglich. Wird die Berlinzulage später beantragt, so hat eine entsprechende Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Normenkette
BerlinFG §§ 28, 29 Abs. 1-2; AO §§ 153, 158; FGO § 142; ZPO §§ 114, 117
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bezog in den Streitjahren 1973 bis 1976 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei der Deutschen Reichsbahn in Berlin (West). Am 20. Januar 1978 beantragte sie für 1976 und 1977 die Festsetzung einer Zulage gemäß § 28 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG). Diese Anträge lehnte der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA - ) nach Aktenlage im März 1978 aus materiellen Gründen ab.
Am 7. November 1980 beantragte die Antragstellerin erneut die Festsetzung einer Zulage gemäß § 28 BerlinFG, und zwar nunmehr für den Zeitraum von Dezember 1973 bis Dezember 1980. Während das FA mit Bescheid vom 30. April 1984 die Zulagen für die Jahre 1977 bis 1980 (die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind) gewährte, lehnte es mit gleichem Bescheid unter Hinweis auf § 153 der Reichsabgabenordnung (AO) die Festsetzung einer Zulage für die Streitjahre 1973 bis 1976 ab, da die Anträge insoweit verspätet gestellt worden seien. Der hiergegen erhobene Einspruch, mit dem die Antragstellerin geltend gemacht hatte, sie sei keineswegs davon überzeugt, daß ihr erster Antrag auf Gewährung von Berlinzulage erst 1978 gestellt worden sei, blieb ohne Erfolg.
Das FA führte in seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Der Antrag auf Festsetzung der Zulage sei nach § 29 Abs. 2 BerlinFG bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Ende des Zeitraums zu stellen, für den die Zulage nach § 28 Abs. 3 Satz 3 BerlinFG - gemeint ist wohl richtig: § 28 Abs. 5 Satz 2 BerlinFG i. d. F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) bzw. § 28 Abs. 6 Satz 2 BerlinFG i. d. F. des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3656, BStBl I 1975, 2) - auszuzahlen sei. Diese Frist könne zwar gemäß § 29 Abs. 2 BerlinFG verlängert werden. Dabei seien aber die abgabenrechtlichen Vorschriften über das Erlöschen von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen und die Festsetzungsverjährung zu beachten. Für die vor dem 1. Januar 1977 endenden Lohnzahlungszeiträume sei der Erstattungsanspruch gemäß Art. 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) i. V. m. §§ 153 und 158 AO mit Ablauf des Jahres erloschen, das auf das Jahr folge, in dem der Anspruch hätte geltend gemacht werden können.
Hiergegen erhob die Antragstellerin, vertreten durch ihre Prozeßbevollmächtigte, Klage. Gleichzeitig beantragte sie die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und die Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten für das Klageverfahren. Mit der Klage machte sie hinsichtlich der Streitjahre 1973 bis 1976 im wesentlichen geltend, das FA habe verkannt, daß die Ausschlußfrist des § 153 AO im Streitfall nicht bereits mit dem Entstehen der Ansprüche auf Zahlung der Berlinzulage zu laufen begonnen habe. Denn vor der Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Januar 1965 VI 90/63 U, BFHE 82, 8, BStBl III 1965, 251) sei anerkannt, daß es für den Beginn des Laufes einer Ausschlußfrist darauf ankomme, wann der Erstattungsberechtigte die Tragweite der Ereignisse, die seinen Anspruch begründen, erkennen konnte und mußte. Im Streitfall habe sie, die steuerlich unerfahrene Antragstellerin, bis zur ersten Antragstellung von ihrem Anspruch auf Berlinzulage nichts gewußt.
Das Finanzgericht (FG), das über die Hauptsache noch nicht entschieden hat, wies den Antrag auf PKH betreffend die Streitjahre 1973 bis 1976 ab, da der Rechtsstreit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Das FA habe den Zulageantrag zutreffend abgelehnt. Die zweimonatige Antragsfrist könne (nur) im Rahmen der entsprechend anzuwendenden abgabenrechtlichen Vorschriften verlängert werden. Danach sei für Lohnzahlungszeiträume, die - wie im Streitfall - vor dem 1. Januar 1977 endeten, der Vergütungsanspruch mit Ablauf des Jahres erloschen, das auf das Jahr folge, in dem der Anspruch zuerst habe geltend gemacht werden können (Art. 97 § 2 EGAO 1977 i. V. m. §§ 153, 158 AO).
Selbst zur Wahrung der Antragsfrist für das letzte Streitjahr 1976 habe der Antrag spätestens bis zum Ablauf des Jahres 1977 gestellt werden müssen. Der Antrag vom 20. Januar 1978 sei mithin verspätet. Daß die Antragstellerin bereits früher, nämlich 1974, einen solchen Antrag gestellt habe, habe sie nicht glaubhaft gemacht. Entsprechende Nachforschungen des FA seien erfolglos geblieben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie im wesentlichen geltend macht, nach dem FA habe auch das FG nicht berücksichtigt, daß die Ausschlußfrist entsprechend dem Klagevortrag nicht mit dem Entstehen des Anspruchs auf Auszahlung der Berlinzulage, sondern erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt zu laufen begonnen habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Denn die Antragstellerin hat den Antrag auf PKH entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 117 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht auf amtlichem Vordruck gestellt.
Die Beschwerde ist aber auch deshalb zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO).
Allerdings hat das FG mit dem FA seine Ansicht zu Unrecht darauf gestützt, daß der Anspruch der Antragstellerin auf Berlinzulage nach §§ 153, 158 AO erloschen sei. Denn diese Vorschriften sind auf die in § 29 Abs. 2 und 3 BerlinFG genannten Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern jedenfalls nicht direkt anwendbar (vgl. Lukas, Arbeitnehmerzulage in Berlin, 1980, unter B. X. 2 - S. 85 f. -; Dasske in Betriebs-Berater - BB - 1980, 100 - letzter Absatz -; Sönksen / Söffing, Berlinförderungsgesetz, in der vor der 22. Ergänzungslieferung vom Dezember 1981 lautenden Fassung von Rdnr. 24 zu § 29).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat aber dennoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dabei kann es für die hier umstrittene Frage der Rechtzeitigkeit des Zulageantrags nur auf den Antrag vom 7. November 1980 ankommen, da der erwähnte frühere Antrag vom 23. Januar 1978 nach Aktenlage bereits im März 1978 aus materiellen Gründen bestandskräftig abgelehnt worden war.
Gemäß § 29 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BerlinFG kann der Arbeitnehmer beantragen, daß das FA, an das der Arbeitgeber die Lohnsteuer abzuführen hat, die Zulage durch schriftlichen Bescheid festsetzt. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß auch den bei der Deutschen Reichsbahn in Berlin (West) beschäftigten Arbeitnehmern trotz der Besonderheiten in diesen Fällen die Berlinzulage dem Grunde nach zusteht (vgl. Urteil vom 25. März 1983 VI R 270/80, BFHE 138, 231, BStBl II 1983, 463). Der Antrag ist bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Ende des Zeitraums zu stellen, für den die Zulage nach § 28 Abs. 5 Satz 2 BerlinFG i. d. F. bis 1974 bzw. nach § 28 Abs. 6 Satz 2 BerlinFG i. d. F. ab 1975 auszuzahlen ist. Bei - wie regelmäßig - monatlichen Lohnabrechnungszeiträumen, bei denen die Berlinzulage monatlich mit dem Arbeitslohn auszuzahlen ist, ist der Antrag mithin bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem jeweiligen Abrechnungsmonat zu stellen. Danach war bezüglich der Streitjahre 1973 bis 1976 der Antrag vom 7. November 1980 nicht fristgerecht gestellt worden.
Entsprechend dem bei der Antragstellung maßgebenden § 110 der Abgabenordnung (AO 1977), der an die Stelle des nach § 29 Abs. 1 BerlinFG anwendbaren § 86 Abs. 3 AO getreten ist, kam eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser gesetzlichen Frist nicht in Betracht. Denn ein solcher Antrag war nicht gestellt worden; Wiedereinsetzungsgründe sind aus den Akten auch nicht ersichtlich. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte zudem nach § 110 Abs. 3 AO 1977 am 8. November 1980 auch nicht gestellt werden können, da zu diesem Zeitpunkt ein Jahr seit dem Ende der versäumten Fristen jeweils abgelaufen war.
§ 29 Abs. 2 Satz 3 BerlinFG i. d. F. ab 1975 sieht allerdings vor, daß die Frist zur Beantragung der Zulage verlängert werden kann. Sollte man der Ansicht sein, daß es im Hinblick hierauf keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf, ein Antrag auf Fristverlängerung also auch nach Ablauf der in § 29 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG, § 110 Abs. 3 AO 1977 genannten Fristen noch zulässig ist, so hätte die beabsichtigte Rechtsverfolgung ebenfalls keinen Erfolg.
In § 29 BerlinFG ist ein Endtermin für die auf Antrag mögliche Verlängerung der Frist nicht bestimmt. Vielmehr muß das FA hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (vgl. Sönksen / Söffing, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 29; Dasske, BB 1980, 100).
Im Streitfall wird eine gerichtliche Überprüfung voraussichtlich dazu führen, daß nur die Ablehnung der Fristverlängerung ermessensfehlerfrei möglich war. Denn der Gesetzgeber hat mit der ungeachtet dieser Verlängerungsmöglichkeit grundsätzlich anzuwendenden und auch gegenüber §§ 153, 158 AO (für die dortigen Fälle) vergleichsweise sehr kurzen zweimonatigen Antragsfrist zu erkennen gegeben, daß die Zulage möglichst zeitnah beantragt werden muß. Aus der Verweisung des § 29 Abs. 1 BerlinFG auf die Vorschriften des Ersten und Zweiten Teils der AO, zu denen auch die §§ 150 bis 159 AO gehören, kann darüber hinaus geschlossen werden, daß jedenfalls eine Verlängerung der Antragsfrist über die in §§ 153, 158 AO genannte Zeit hinaus nicht möglich sein soll. Auch die Finanzverwaltung hat die Regelung des zwar nicht unmittelbar anwendbaren § 153 AO in der Vergangenheit offenbar als Maßstab für die größtmögliche Fristverlängerung angewandt (vgl. Sönksen / Söffing, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 29). Selbst wenn man deshalb im Streitfall von dieser im Hinblick auf die grundsätzlich zweimonatige Antragsfrist eher großzügigen Verlängerungsmöglichkeit ausgeht, wäre der Antrag der Antragstellerin vom 7. November 1980 auch für den letzten Lohnabrechnungszeitraum im Jahr 1976 viel zu spät gestellt worden.
Etwas anderes ergibt sich für den Streitfall auch nicht aus der Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 82, 8, BStBl III 1965, 251 zur Anwendung des § 152 Abs. 3 AO. Dort ist ausgeführt, daß die Ausschlußfrist des § 152 Abs. 3 AO betreffend die Erstattung von Steuern entgegen dem engen Wortlaut erst zu laufen beginne, wenn der Steuerpflichtige die Tragweite der anspruchsbegründenden Ereignisse erkannt habe. Selbst wenn man diesen Gedanken zugunsten der Antragstellerin auf die Antragsfrist des BerlinFG übertragen wollte, wäre im Streitfall der Antrag vom 7. November 1980 verspätet, da der Antragstellerin spätestens mit ihrem - abgelehnten - Antrag vom 20. Januar 1978 die Tragweite der anspruchsbegründenden Ereignisse bekannt war.
Fundstellen
Haufe-Index 415674 |
BFH/NV 1988, 621 |