Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prozeßzinsen bei Verschiedenheit von Kläger und Zollschuldner
Leitsatz (NV)
Prozeßzinsen sind nach dem klaren Wortlaut des § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 in entsprechender Anwendung von § 236 Abs. 1 AO 1977 nur zu zahlen, wenn der rechtshängig gemachte Bescheid als Grundlagenbescheid für den Folgebescheid Bindungswirkung hatte. Die einem anderen als dem Zollschuldner erteilte verbindliche Zolltarifauskunft ist in bezug auf den gegen den Zollschuldner ergangenen Abgabenbescheid kein Grundlagenbescheid.
Normenkette
AO 1977 § 236 Abs. 1, 2 Nr. 2 Buchst. a
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist jedenfalls unbegründet.
Die Rechtsfrage, ob der Importeur einer Ware, nachdem er einen Rechtsstreit über eine diesbezüglich erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) durchgeführt hat, aus eigenem oder übertragenem Recht einen Anspruch auf Prozeßzinsen gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) hat, wenn die Ware im offenen Zollager eines Lagerhalters eingelagert war, der Lagerhalter - nicht die Klägerin - sie aus dem offenen Zollager unter Abgabenentrichtung entnommen und der Lagerhalter später infolge des durchgeführten Rechtsstreits eine Erstattung unrichtig erhobenen Zolls erhalten hat, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Beantwortung dieser Frage ergibt sich, wie das Finanzgericht (FG) überzeugend ausgeführt hat, unmittelbar aus § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977). Danach sind Prozeßzinsen in entsprechender Anwendung des § 236 Abs. 1 AO 1977 nur zu zahlen, wenn der rechtshängig gemachte Bescheid als Grundlagenbescheid für den Folgebescheid Bindungswirkung hatte. Das traf jedoch im Streitfall für die der Klägerin erteilte vZTA nicht zu, weil diese nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 2 Satz 1 des Zollgesetzes (ZG) nur gegenüber demjenigen verbindlich ist, der sie beantragt hat. Die von der Klägerin vertretene gegenteilige Meinung, die darauf hinausläuft, daß es im Falle des § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 nur darauf ankommt, wer wirtschaftlich mit der Zollerhebung belastet wird, findet im Gesetz keine Stütze und wird auch sonst in Literatur und Rechtsprechung nicht vertreten. Die von der Klägerin angeführten Zitate aus der Kommentarliteratur (Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 236 Rz. 15; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 236 AO 1977, Rz. 12; Schwarz, Abgabenordnung, § 236 Rz. 12) bestätigen die Auffassung der Klägerin nicht; sie gehen wie das HZA davon aus, daß die in Betracht kommenden Bescheide im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid zueinander stehen müssen, also die Aufhebung des Grundlagenbescheids rechtlich zwingend die Aufhebung des Folgebescheids erforderlich machen muß. Diese Fallgestaltung war im Streitfall jedoch nicht gegeben, weil der Grundlagenbescheid - wie ausgeführt - für den Lagerhalter nicht bindend war.
Der ausdrückliche Wortlaut der Vorschrift verbietet eine über seinen Inhalt hinausgehende Auslegung dahin, daß im Sinne einer Drittschadensliquidation (zum Begriff vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 52. Aufl., Vor § 249 Rz. 111ff.) die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung der Zinsen aus § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 geltend machen kann.
Die Frage, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation (Erichsen-Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 IX am Ende, m.w.N. - Zitat der Klägerin -) zusteht (Tipke/Kruse, a.a.O., § 236 AO 1977 Rz. 1 vertritt die Auffassung, daß § 236 AO 1977 keine abschließende Regelung enthält, sondern daneben ein Schadensersatzanspruch bestehen kann), wäre im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil die Klägerin diesen Gesichtspunkt erst mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde eingeführt und Tatsachen, die einen solchen Anspruch rechtfertigen könnten, in der Vorinstanz nicht vorgebracht hat. Im Revisionsverfahren müßte ein solches Vorbringen mangels einer begründeten Verfahrensrüge als im Revisionsverfahren unzulässiger neuer Tatsachenvortrag zurückgewiesen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. März 1986 II R 5/84, BFHE 146, 27, 31, BStBl II 1986, 462).
Fundstellen