Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen, einen Verfahrensmangel zu bezeichnen; die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im UStG
Leitsatz (NV)
1. Die Verfahrensrüge, das FG habe seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und damit gegen § 96 FGO verstoßen, muß Angaben dazu enthalten, inwiefern das Urteil des FG - ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts - auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (ständige Rechtsprechung des BFH).
2. Macht der Kläger geltend, das Urteil sei grob lückenhaft und daher nicht mit Gründen versehen, so beruft er sich auf einen absoluten Revisionsgrund (§ 116 Nr. 5 FGO), auf den eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässigerweise mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH).
3. Das UStG gibt für seinen Anwendungsbereich eine eigene Begriffsbestimmung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, für die eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht bedeutsam ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3; UStG 1980 § 2 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind von einer Rundfunkanstalt damit beauftragt, in einem festgelegten Gebiet zu überwachen, ob die gebühren-rechtlichen Bestimmungen eingehalten worden sind. Zu diesem Zweck können sie aufgrund des Rundfunkgebühren-Staatsvertrages und der Satzung der Rundfunkanstalt Auskünfte von den Rundfunkteilnehmern einholen und Rundfunkanmeldungen aufnehmen. Die Kläger führen ihre Tätigkeit - ohne hoheitliche Befugnisse zu besitzen - nach der mit der Rundfunkanstalt getroffenen Vereinbarung selbständig aus und unterliegen hinsichtlich der Gestaltung ihrer Tätigkeit und ihrer Arbeitszeit keinem Weisungrecht der Rundfunkanstalt. Die Kläger erhielten für ihre Tätigkeit 1. eine Vergütung für jede auf ihrer Tätigkeit beruhenden unbefristete Anmeldung eines Rundfunkempfanggeräts, die eine Gebührenpflicht auslöste, 2. eine prozentuale Vergütung, die an den aufgrund ihrer Ermittlungen geleisteten Gebührenzahlungen bemessen werden, 3. Vergütungen für jede gemeldete Anschriftenänderung und die Umstellung von Barzahlung auf das Lastschriftverfahren und 4. Aufwendungsersatz, der an der Anzahl der Gebührenberechnungen in ihren Bereichen gemessen wurde. Zusätzlich zahlte die Rundfunkanstalt eine Jahresprämie und einen Jahresbonus. Die Zahlungen erfolgten mit Ausnahme des Aufwendungsersatzes zuzüglich Umsatzsteuer.
Nach einer Außenprüfung unterwarf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) auch den von der Rundfunkanstalt gezahlten Aufwendungsersatz der Umsatzsteuer und erließ für 1985 erstmals einen Gewerbesteuermeßbescheid.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machten die Kläger u.a. geltend, sie seien im Hinblick auf die Gebührenzahlungen besorgende Unternehmer i.S. von § 3 Abs. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 gewesen. Überdies seien sie nicht gewerblich, sondern hoheitlich tätig gewesen.
Ihre Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Kläger seien gewerblich und nicht hoheitlich tätig gewesen. Sie hätten sonstige Leistungen gegenüber der Rundfunkanstalt erbracht. Auch bei dem Aufwendungsersatz handelte es sich um eine Gegenleistung der Rundfunkanstalt für die Leistungen der Kläger als Rundfunkbeauftragte.
Ihre Nichtzulassungsbeschwerde stützten die Kläger auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die nach ihrer Auffassung insbesondere dem Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zukomme.
Entscheidungsgründe
1. Das Verfahren betreffend Gewerbesteuermeßbescheid 1985 ist abzutrennen, da der V.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hierfür nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 1993 (Teil A. Sachliche Zuständigkeit der Senate, Ergänzende Regelungen, I. Übergreifende Zuständigkeiten, Nrn. 1, 3 und 4, BStBl II 1993, 72ff.) nicht zuständig ist. In der Gewerbesteuersache sind gegenüber der Umsatzsteuer materiell unterschiedliche Rechtsfragen streitig. Zuständig ist insoweit der I.Senat des BFH (Geschäftsverteilungsplan des BFH für das Jahr 1993, Teil A. Sachliche Zuständigkeit der Senate, I.Senat, Nr. 2 Buchst. e).
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Umsatzsteuer 1983 bis 1986 zurückzuweisen.
a) Die Kläger haben die Verfahrensmängel, die die Zulassung der Revision rechtfertigen sollen, nicht i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend bezeichnet.
Ihre sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und damit gegen § 96 FGO verstoßen, enthält keine Angaben dazu, inwiefern das Urteil des FG - ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts - auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann und was deren voraussichtliches Ergebnis gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I B 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 120 Rz. 40 m.w.N.). Allein das Bemerken, die tatsächliche Grundlage für eine Entscheidung des Senats wäre dadurch völlig verändert worden, reicht hierfür nicht aus.
Sollten die Kläger gerügt haben wollen, das Urteil sei grob lückenhaft und daher nicht mit Gründen versehen, berufen sie sich auf einen absoluten Revisionsgrund (§ 116 Nr. 5 FGO), auf den eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässigerweise mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679 m.w.N.). Soweit die Kläger vortragen, die Vorentscheidung habe die eingereichten Klageunterlagen zur tatsächlichen Vertragsdurchführung nicht ausreichend gewürdigt, machen sie mit der fehlerhaften Beweiswürdigung durch das FG einen materiell-rechtlichen Fehler des Urteils geltend (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
b) Die Nichtzulassungsbeschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen.
Ihre mit der Nichtzulassungsbeschwerde herausgehobene Rechtsfrage, ob sich ein Rundfunkermittler am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, ist im Rahmen der Umsatzsteuer 1983 bis 1986 nicht klärbar.
Das UStG gibt für seinen Anwendungsbereich eine eigene Begriffsbestimmung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit. Darunter ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen zu verstehen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980). Der Gewerbebegriff des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und auch des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat wegen der selbständigen Begriffsbestimmung des UStG für die Umsatzsteuer keine Bedeutung: Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622; Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz. 53 m.w.N.; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - 77/388/EWG - 6. Richtlinie -).
c) Soweit die Kläger rügen, die Vorinstanz habe materielles Recht verletzt, machen sie damit keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO geltend.
Fundstellen