Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung des Feststellungsinteresses bei einer Feststellungsklage
Leitsatz (NV)
- Unabhängig davon, ob es sich um einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO handeln kann, wenn das FG zu Unrecht ein Prozeß- statt eines Sachurteils erlassen hat (vgl. dazu Gräber/Ruban, FGO, 4. Aufl., § 115 Anm. 25a), erfordert die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels die substantiierte Bezeichnung des Fehlers und die Darlegung, daß das Urteil auf ihm beruhen kann.
- Im Rahmen der Prüfung des Feststellungsinteresses bei einer Feststellungsklage hat das FG in summarischer Weise auch zu prüfen, ob möglicherweise ein unwirksamer Verwaltungsakt vorliegt.
Normenkette
FGO §§ 41, 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben Klage mit dem Antrag erhoben, die Nichtigkeit der jeweils an sie gerichteten Bescheide 1986 und 1987 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festzustellen, hilfsweise, die Bescheide als rechtswidrig ersatzlos aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Für die Feststellungsklage fehle es am berechtigten Interesse an der Feststellung (§ 41 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Im Streitfall erscheine es bereits auf der Grundlage des Vortrags der Kläger unter Berücksichtigung des Akteninhalts nicht möglich, daß die ihnen zugestellten Gewinnfeststellungsbescheide wegen Bekanntgabemängeln unwirksam seien. Die Kläger rügten nicht hinreichend substantiiert, daß der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Vorschriften der Bekanntgabe nicht eingehalten habe. Daß die Bescheide weder die Namen der Gesellschafter noch die Höhe der jeweiligen Anteile enthielten, stelle keinen Bekanntgabemangel dar.
Unzulässig sei die Feststellungsklage, soweit die Kläger die örtliche Zuständigkeit des FA und eine mangelnde Begründung der Verwaltungsakte rügten. Derartige Mängel könnten nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen.
Soweit die Kläger rügen, daß die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen unberechtigt seien, hätten sie Anfechtungsklage erheben müssen. Derartige Fehler könnten nicht mit der Feststellungsklage gerügt werden, da sie lediglich die Frage beträfen, ob das geltende Steuerrecht richtig angewendet worden sei.
Die mit dem Hilfsantrag erhobene Anfechtungsklage sei ebenfalls unzulässig, weil das nach § 44 Abs. 1 FGO erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden ist.
Von einer Beiziehung der übrigen Gesellschafter sei abzusehen, weil die Klage offensichtlich unzulässig sei.
Von der Beiziehung weiterer Akten, die die Kläger beantragt haben, habe der Senat abgesehen, da nicht ersichtlich sei, über welche in diesem Verfahren rechtserhebliche Tatsachen die Akteninhalte Aufschluß geben könnten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger Beschwerde eingelegt, mit der sie Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen:
1. Der Vorsitzende Richter habe den Klägern die Formulierungen der Anträge aufgedrängt.
2. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23. September 1998 sei nicht vermerkt, daß der Kläger A bestritten habe, daß der vom Berichterstatter vorgetragene Inhalt der Akten weder den "Schriftsatzbehauptungen" noch dem Inhalt der Akten entspreche.
3. Das FG habe "durch Auslassung entscheidungserheblichen Sachverhalts" einen angeblichen Tatbestand unterstellt und dadurch § 96 Abs. 2 FGO verletzt. Es habe Willens- bzw. Steuererklärungen sowie Verträge unterstellt und diese ausgelegt, obwohl dafür überhaupt kein Raum gewesen sei. Dadurch habe es den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Willkürverbot verletzt.
4. Das Gericht habe heimlich und in Täuschungsabsicht unter Ausschluß der Kläger die Gerichtsakten … beigezogen, auch dadurch sei der Anspruch auf rechtliches Gehör und das Willkürverbot verletzt worden.
5. Das FG habe die Klage zu Unrecht unter Berufung auf die Subsidiarität nach § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO als unzulässig verworfen. Die Kläger hätten ihre Rechte nicht gegenüber dem FA I durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage geltend machen können, weil dieses FA unzuständig gewesen sei.
Es sei im Klagewege versucht worden, das zuständige FA II zum Erlaß von Feststellungs- bzw. Grundlagenbescheiden zu veranlassen; es habe nicht gleichzeitig eine Klage mit dem gleichen Ziel gegen das FA I erhoben werden können.
6. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sei gegeben, wenn das FG zu Unrecht ein Prozeßurteil statt eines Sachurteils fälle. Ob die streitigen Bescheide nichtig sind, sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der materiellen Begründetheit.
7. Zu Unrecht seien die streitigen Feststellungs- bzw. Grundlagenbescheide statt an die namentlich angeführten Gesellschafter an die "Phantasiebezeichnung …-gemeinschaft" adressiert worden. Diese Gemeinschaft habe in Ermangelung einer Rechtspersönlichkeit sowie eines gesetzlichen Vertreters die streitigen Verwaltungsakte überhaupt nicht erhalten. Die Bescheide seien nichtig. Das hätten die Kläger auch in ihren Anträgen zum Ausdruck gebracht. Ob sich die Kläger ―angeblich― als Adressaten angesehen haben, sei unerheblich.
Tatsächlich handele es sich bei den streitigen Bescheiden um "Gefälligkeitsbescheide" zum Zwecke der Beihilfe zum Betrug, die offenkundig willkürlich seien.
Die Kläger seien durch die streitigen Bescheide weder beschwert noch begünstigt, weil sie darin nicht erwähnt seien.
8. Das FG habe auch unter Verletzung der Amtsermittlungs- und Sachaufklärungspflicht sowie der Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, daß die Gesellschaft bürgerlichen Rechts keinen gesetzlichen Vertreter oder Geschäftsführer habe (§ 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―); daher sei auch seine Unterstellung unzutreffend, der geschäftsführende Gesellschafter der Gesellschaft sei am kollusiven Zusammenwirken mit Behörden beteiligt gewesen.
9. Die Beiladung der Beteiligten der Grundstücksgemeinschaft habe sich nicht wegen der Unzulässigkeit der Klage erübrigt, sondern weil sie in den streitigen Bescheiden nicht namentlich genannt worden seien.
10. Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht und die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs sowie das Willkürverbot verletzt, weil es trotz Anregung durch die Kläger nicht die vollständigen Akten des FA zur Steuernr. … angefordert habe. Soweit Akten Informationen enthielten, die entscheidungserheblich sein könnten, sei das FG aber von Amts wegen verpflichtet, sie anzufordern. Im Streitfall habe sich die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung aufgedrängt.
11. Das Urteil des FG weiche von einer Vielzahl von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ab und beruhe auf diesen Abweichungen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 FGO nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, wenn das finanzgerichtliche Urteil von einer BFH-Entscheidung oder BVerfG-Entscheidung abweicht oder bei einem Verfahrensmangel, wenn das finanzgerichtliche Urteil darauf beruhen kann. Diese Voraussetzungen muß der Beschwerdeführer gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO darlegen oder bezeichnen. Die Kläger haben in ihrer Beschwerde nur Divergenz und Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO) gerügt.
Zur Bezeichnung der Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 3 FGO genügt die bloße Behauptung, das finanzgerichtliche Urteil weiche von BFH-Urteilen und BVerfG-Urteilen ab, nicht (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 89). Auch die Rüge der Verletzung materiellen Rechts unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 FGO. Da es sich bei § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO um einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung handelt (BFH-Beschluß vom 28. April 1988 V B 11/88, BFHE 153, 213, BStBl II 1988, 734), setzt Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO Abweichung der vom FG zugrunde gelegten (abstrakten) Rechtssätze von solchen des BFH oder des BVerfG voraus; das muß in der Beschwerde gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO dargelegt werden (BFH-Beschluß vom 29. Juni 1987 X B 26/87, BFH/NV 1988, 239).
Auch die Rügen der Verfahrensfehler genügen nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO:
Zu 1.
Es fehlt die Darlegung, weshalb die vom FG vorgeschlagene Formulierung der Anträge unzutreffend ist und die Entscheidung auf diesen Fehlern beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Zu 2.
Einwände gegen die Richtigkeit des Protokolls sind im Rahmen der Protokollberichtigung gemäß § 94 FGO i.V.m. § 164 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geltend zu machen.
Zu 3.
Die Kläger hätten substantiiert darlegen müssen, welches Vorbringen das FG nicht berücksichtigt hat (§ 96 Abs. 1 FGO) und wozu sie sich nicht äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO) und schließlich, inwiefern die Entscheidung des FG ―unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des FG (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Februar 1995 V B 62/94, BFH/NV 1995, 861)― darauf beruhen konnte.
Zu 4.
Diese Behauptung kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie völlig unsubstantiiert ist.
Zu 5.
Diese Rügen betreffen die Verletzung materiellen Rechts und keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Zu 6.
Unabhängig davon, ob es sich um einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO handeln kann, wenn das FG zu Unrecht ein Prozeß- statt eines Sachurteils erlassen hat (zum Streitstand vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 25 a) erfordert die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels die substantiierte Bezeichnung des Fehlers und die Darlegung, daß das Urteil auf ihm beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Hier tragen die Kläger hinsichtlich der Verpflichtungsklage (Hilfsantrag) selbst vor, daß sie im Ergebnis unzulässig sei. Hinsichtlich der Feststellungsklage ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß es im Rahmen der Prüfung des Feststellungsinteresses in summarischer Weise zu prüfen hat, ob möglicherweise ein unwirksamer Verwaltungsakt vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 1976 VIII R 66/74, BFHE 119, 36, BStBl II 1976, 606, zu III. 1.). Wenn das FG im Streitfall dies in diesem Zusammenhang verneint hat, hat es nicht gegen Verfahrensregeln verstoßen.
Zu 7. und 8.
Diese Rügen betreffen die Verletzung materiellen Rechts und können nicht gemäß § 115 Abs. 2 FGO zur Zulassung der Revision führen.
Zu 9.
Bei dieser Rüge ist nicht dargelegt, inwiefern das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Zu 10.
Die gerügten Verfahrensmängel sind nur dann schlüssig vorgetragen, wenn substantiiert dargelegt wird, was die angeblich nicht angeforderten Akten enthalten konnten und inwiefern die Nichtbeiziehung der Akten, wenn man die Rechtsauffassung des FG zugrunde legt, zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
Fundstellen
Haufe-Index 302485 |
BFH/NV 1999, 1353 |