Entscheidungsstichwort (Thema)
Niedrig verzinsliches Darlehen als freigebige Zuwendung
Leitsatz (NV)
Die Einräumung eines niedrig verzinslichen Darlehens stellt eine unentgeltliche Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Als schenkungsteuerrechtliche Bereicherung ist der Kapitalwert mit einem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils ergibt sich gemäß § 15 Abs. 1 BewG, wenn kein anderer Wert feststeht, aus dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem Zinssatz von 5,5 v.H..
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1; BewG § 15 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt im Jahr 1994 ein mit 0,3 v.H. verzinsliches Darlehn zum Kauf von Aktien einer bestimmten Gesellschaft. Die Laufzeit des Darlehns betrug zehn Jahre; das Recht zur ordentlichen Kündigung war ausgeschlossen. Das Darlehn sollte jährlich jeweils in Höhe der von der Aktiengesellschaft ausgeschütteten Erträge getilgt werden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) beurteilte den Umstand der niedrigen Verzinsung als freigebige Zuwendung und berechnete deren Wert nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz (0,3 v.H.) und dem Zinssatz des § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes ―BewG― (5,5 v.H.) mit 5,2 v.H. Den Kapitalwert des Zinsvorteils ermittelte das FA in Anwendung der Tabelle 3 zu § 12 Abs. 1 BewG (gleichmäßige Ratentilgung bei 10-jähriger Laufzeit).
Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, der Zinsvorteil betrage nicht 5,2 v.H., sondern nur 2,7 v.H. Denn ein niedrig verzinsliches Darlehn sei beim Darlehnsgeber gemäß § 12 Abs. 1 BewG in der Weise zu bewerten, dass der Nennwert der Kapitalforderung um den Kapitalwert des jährlichen Zinsverlustes zu kürzen sei, wobei der Zinsverlust dem Differenzbetrag zwischen dem Zinssatz von 3 v.H. und dem tatsächlich vereinbarten niedrigeren Zinssatz entspreche (vgl. Abschn. 18 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien ―VStR― 1995). Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die teilweise unentgeltliche Gewährung der Nutzungsmöglichkeit des dem Kläger als Darlehn überlassenen Kapitals unterliege als freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) der Schenkungsteuer. Soweit die vereinbarten Zinsen zum Stichtag unter den am Kapitalmarkt üblichen Zinsen gelegen hätten, sei die Zuwendung unentgeltlich. Da es sich um die Nutzung einer Geldsumme handele, sei ―weil kein anderer Wert feststehe― der einjährige Betrag ihrer Nutzung gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 BewG mit 5,5 v.H. anzunehmen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf grundsätzliche Bedeutung und Divergenz stützt. Er beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der Erfolg der Beschwerde beurteilt sich nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor Änderung durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757). Denn gemäß Art. 4 2.FGOÄndG richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Dies ist hier der Fall; das Urteil des FG ist am 15. Oktober 1999 zugestellt worden.
2. Die Revision kann nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt daher nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere, wenn sich die streitige Rechtsfrage aus dem Gesetz und der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den Bundesfinanzhof (BFH) erforderlich machen. Solche Gesichtspunkte können z.B. vorliegen, wenn einzelne FG der Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt sind oder in der Literatur beachtliche Argumente gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragen wurden, die der BFH noch nicht erwogen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 9, mit Nachweisen der Rechtsprechung).
a) Soweit der Kläger als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage herausstellt, in welcher Höhe bei einem niedrig verzinslichen Darlehn der Zinsvorteil und damit die teilweise unentgeltliche Gewährung der Nutzungsmöglichkeit des darlehnsweise überlassenen Kapitals zu berechnen ist, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit.
Die Einräumung eines zinslosen Darlehns ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631; vom 30. März 1994 II R 105/93, BFH/NV 1995, 70, und vom 7. Oktober 1998 II R 64/96, BFHE 187, 53, BStBl II 1999, 25) als unentgeltliche Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Gegenstand der Zuwendung ist die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehn überlassene Kapital zu nutzen. Wird ein Geldbetrag als Darlehn auf bestimmte Zeit zinslos überlassen, ist als schenkungsteuerrechtliche Bereicherung gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 BewG der Kapitalwert mit einem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils beträgt nach § 15 Abs. 1 BewG, wenn kein anderer Wert feststeht, 5,5 v.H.
Der Senat hat diese Grundsätze nicht nur im Falle eines unverzinslichen Darlehns, sondern im Urteil vom 17. April 1991 II R 119/88 (BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586) auch auf niedrig verzinsliche Darlehn angewendet. Dem Umstand, dass die vorbezeichnete Entscheidung in einer Grunderwerbsteuersache ergangen ist, kommt ―entgegen der Ansicht des Klägers― keine Bedeutung zu. Denn die Vorschrift des § 15 Abs. 1 BewG gilt ―unabhängig von der Steuerart― uneingeschränkt für die Ermittlung des Jahreswerts der Nutzung einer Geldsumme. Die für die Steuerberechnung maßgebliche Zinsdifferenz ist demnach aus dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem Zinssatz von 5,5 v.H. zu bilden. Dieser Auffassung folgen die Finanzverwaltung (vgl. Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass vom 20. Januar 2000 S 3104/6, Deutsches Steuerrecht 2000, 204) und überwiegend das Schrifttum (Viskorf/Glier/Knobel, Bewertungsgesetz, § 15 Rdnr. 3; Moench, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 7 Rnz. 16; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 7 Anm. 50 f.; zweifelnd Troll/ Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 7 Rn. 32, § 12 Rn. 58).
b) Soweit der Kläger die Rechtsfrage aufwirft, ob bei Vereinbarung eines unter 5,5 v.H. liegenden Zinssatzes "ein anderer Wert" i.S. des § 15 Abs. 1 BewG feststehe, fehlt es ebenfalls an der Klärungsbedürftigkeit, da sich die Beantwortung der Rechtsfrage aus dem Gesetz ergibt. Der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz ist der gemeine Jahreswert der Nutzung. Ein anderer Wert im Sinne der Vorschrift kann demnach nur ein anderweitig feststehender gemeiner Wert sein, nicht jedoch ein von den Vertragsparteien vereinbarter Zinssatz.
c) Die vom Kläger herausgestellte Rechtsfrage, ob die Zuwendung dem Differenzbetrag zwischen dem Zinssatz von 3 v.H. und dem tatsächlich vereinbarten niedrigeren Zinssatz entspreche (vgl. Abschn. 18 Abs. 3 VStR 1995), ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Es ergibt sich aus dem Gesetz, dass die in Abschn. 18 Abs. 3 VStR enthaltenen Erwägungen nur den Fall des § 12 Abs. 1 BewG betreffen, nämlich die Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden. Diese sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Abschn. 18 Abs. 3 VStR will die Frage beantworten, wann besondere Umstände im vorbezeichneten Sinne, die eine Abweichung vom Nennwert rechtfertigen, vorliegen. Diese Rechtsfrage stellt sich in § 15 Abs. 1 BewG, der sich mit der Bewertung der Nutzung einer Geldsumme und nicht der Kapitalforderung selbst befasst, nicht. Abweichend von § 12 Abs. 1 BewG kommt es in § 15 Abs. 1 BewG darauf an, ob ein anderer als der dort bezifferte gemeine Wert der Nutzung einer Geldsumme anzunehmen ist. Die in § 12 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 BewG zu beantwortenden Rechtsfragen sind unterschiedlich und können deshalb auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
3. Zur Darlegung einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO beruft sich der Kläger auf das BFH-Urteil vom 17. Oktober 1980 III R 52/79 (BFHE 132, 298, BStBl II 1981, 247). Dieses Urteil erging zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen besondere Umstände i.S. des § 12 Abs. 1 BewG, die eine vom Nennwert abweichende Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden rechtfertigen, gegeben sind. Das FG befasst sich hingegen nur mit der Frage, ob "ein anderer Wert" i.S. des § 15 Abs. 1 BewG feststehe. Unter Berücksichtigung der vorstehend unter 2. c dargelegten Erwägungen können sich zwischen dem angefochten Urteil und der angeführten Entscheidung des BFH keine divergierenden Rechtssätze ergeben.
Die Ausführungen des FG zu § 15 Abs. 1 BewG stimmen mit der Rechtsprechung des BFH überein. Es besteht deshalb keine Divergenz zu der Entscheidung des Senats in BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631.
Fundstellen
Haufe-Index 601526 |
BFH/NV 2001, 1122 |