Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine grundsätzliche Bedeutung bei nur behauptetem Verfassungsverstoß
Leitsatz (NV)
1. Zur Berichtigung des Rubrums des vorinstanzlichen Urteils durch den BFH im Rahmen einer NZB.
2. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, sofern diese nicht offenkundig ist.
Normenkette
FGO § 107 Abs. 1, § 115 Abs. 3 S. 3; MinöStG § 8 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Fluggesellschaft und betreibt die Durchführung von Lufttransporten aller Art im gewerblichen Bedarfsverkehr einschließlich Personenbeförderung. Für ihre grenzüberschreitenden Flüge nimmt sie die Abgabenfreiheit für Luftfahrtbetriebsstoffe im Rahmen einer allgemein bewilligten Verwendung in Anspruch.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA -) bei einer Außenprüfung festgestellt hatte, daß die Klägerin den abgabenbegünstigten Treibstoff auch für sog. Messeflüge im Inland eingesetzt hatte, forderte das HZA von der Klägerin Mineralölsteuer wegen Verwendung des Flugbetriebsstoffs zu nichtbegünstigten Zwecken an. Einspruch und Klage blieben im wesentlichen ohne Erfolg.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG habe zu Unrecht § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. a des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) als verfassungsgemäß angesehen. Die Vorschrift verstoße gegen Art.3 GG, weil nach ihrem Wortlaut die Abgabenfreiheit nicht an das Tun eines Unternehmens, sondern an das Sein angeknüpft werde. Messeflüge eines Linienflugunternehmens seien hiernach ungerechtfertigt privilegiert, was nicht durch verfassungskonforme Auslegung heilbar sei. Die erneute Änderung des § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. a MinöStG zum 1. Januar 1990, wonach jetzt die Steuerbefreiung für alle Luftfahrtunternehmen gelte, die gewerbsmäßig Personen oder Sachen beförderten, zeige, daß der Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit erkannt und folgerichtig behoben habe.
Für die Klägerin sei es von erheblicher Bedeutung, ob § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. a MinöStG a.F. verfassungsgemäß sei oder nicht. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei anerkannt, daß bei Zweifeln über die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift des Steuerrechts die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Allerdings ist das Rubrum des vorinstanzlichen Urteils dahin zu berichtigen, daß Beklagter nicht das Finanzamt (FA), sondern das HZA ist. Für die Beurteilung der Beteiligung am finanzgerichtlichen Verfahren, auch am Verfahren aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht allein auf die Angaben im Rubrum des angefochtenen Urteils an; diese können vielmehr, wenn sie den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen, auch vom Rechtsmittelgericht berichtigt werden (vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 122 FGO Tz.3). Im vorliegenden Fall ist nicht zweifelhaft und auch nicht streitig, daß beteiligte Behörde am Verfahren der Vorinstanz das bezeichnete HZA und nicht ein FA war und daß dieses HZA auch am Verfahren aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde beteiligt ist. Bei der falschen Bezeichnung der Behörde im Rubrum des angefochtenen Urteils handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler, der gemäß § 107 Abs. 1 FGO vom Amts wegen zu berichtigen ist. Hierfür ist auch das Rechtsmittelgericht zuständig (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Mai 1964 3 AZR 412/63, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1964, 1864, Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Juni 1964 VII ZR 152/62, NJW 1964, 1858; Beschluß vom 9. Februar 1989 V ZB 25/88, BGHZ 106, 370, 373). Die Berichtigung dient hier der Rechtsklarheit.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil das Vorbringen der Klägerin nicht die Mindestanforderungen an die gesetzlich vorgeschriebene Begründung erfüllt.
a) Die Klägerin stützt die grundsätzliche Bedeutung allein auf die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. a MinöStG. Das steht für sich zwar der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht entgegen (BFH, Beschluß vom 4. Februar 1987 III B 151/86, BFHE 148, 530, BStBl II 1987, 339). Es entbindet jedoch nicht von der Einhaltung der Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO (BFH, Beschluß vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27).
Die hiernach erforderliche Darlegung muß zu erkennen geben, daß eine Entscheidung im angestrebten Revisionsverfahren geeignet ist, im Hinblick auf weitere Streitfälle Rechtsklarheit zu schaffen, zur Wahrung der Rechtseinheit beizutragen oder die Rechtsfortbildung zu fördern (BFHE 148, 530, 532, BStBl II 1987, 339). Es muß also erkennbar sein, daß über den konkreten Fall hinaus ein Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts besteht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm.7 m.w.N.). Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind. Sie hat in der Beschwerdeschrift lediglich ihr persönliches Interesse an einer Klärung der Rechtsfrage in ihrem Sinne kundgetan.
b) Allerdings ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, daß von einer Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dann abgesehen werden kann, wenn diese offenkundig ist und das Verlangen, konkrete Angaben zur Grundsätzlichkeit der Sache zu machen, eine unnötige Förmelei bedeutete (BFH, Beschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725; vgl. dazu auch Schuhmann, Die Nichtzulassungsbeschwerde aus der Sicht des BFH, Deutsche Steuer-Zeitung 1992, 28, 30).
Im Streitfall ist die grundsätzliche Bedeutung jedoch nicht offenkundig; sie drängt sich nicht auf. Die Klägerin behauptet zwar die Verfassungswidrigkeit einer Norm des Steuerrechts. Daraus allein ergibt sich aber kein Anspruch aus Art.19 Abs. 4 GG auf Zulassung einer Grundsatzrevision (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 19. November 1991 2 BvR 1545/91, NJW 1992, 224).
Es sind vielmehr vor allem zwei Gründe, die eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht offenkundig erscheinen lassen.
Soweit ersichtlich, ist nur die Klägerin der Ansicht, die bezeichnete Norm sei verfassungswidrig; Unterstützung für ihre Ansicht aus Literatur und Rechtsprechung führt sie nicht an. Demgegenüber sind die vom FA angestellten verfassungsrechtlichen Erwägungen, insbesondere die Ausführungen zu einer verfassungskonformen Auslegung der angegriffenen Norm, mit denen sich die Klägerin im übrigen nicht auseinandersetzt, nicht von vornherein abwegig oder ungeeignet, eine entsprechende Überzeugung herbeizuführen.
Außerdem ist zu beachten, daß es sich bei § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. a MinöStG um am 31. Dezember 1989 ausgelaufenes Recht handelt und daß es im Streitfall, anders als in BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725, von vornherein gerade nicht offenkundig ist, daß die Frage der Rechtsgültigkeit der Norm noch für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung ist und deswegen eine höchstrichterliche Entscheidung notwendig erscheint.
Da mithin die Nichtzulassungsbeschwerde bereits wegen mangelnder Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung unzulässig ist, kommt es auf die weitere Frage, ob die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs. 3 Nr.4 Buchst. a MinöStG in einem Revisionsverfahren überhaupt klärungsbedürftig wäre, weil die Abgabenfestsetzung im Streitfall auf Entnahmen infolge zweckwidriger, nicht bewilligter Verwendung des Luftfahrtbetriebsstoffs beruht (vgl. Senat, Urteil vom 31. Juli 1990 VII R 3/89, BFH/NV 1991, 487; Beschluß vom 18. April 1991 VII B 39/91, BFH/NV 1992, 139) nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 418675 |
BFH/NV 1993, 312 |