Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids
Leitsatz (NV)
Zum Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids, wenn FA und Steuerpflichtiger übereinstimmend davon ausgehen, daß die Steueransprüche erloschen sind.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2; FGO §§ 115, 142; ZPO § 114
Tatbestand
Nach den Entscheidungsgründen des mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) hat das beklagte Finanzamt (FA) die Erteilung des von der Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) beantragten Abrechnungsbescheids zur Umsatzsteuer 1968 bis 1982 zu Recht abgelehnt, weil zwischen den Beteiligten kein Streit über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bestehe. Zwischen der Antragstellerin und dem FA bestehe vielmehr aufgrund eines entsprechenden Schreibens des FA Einigkeit, daß die Umsatzsteueransprüche 1968 bis 1982 verjährt und damit erloschen seien (§ 47 AO 1977). Die Antragstellerin mache hinsichtlich der streitbefangenen Steuern auch keine Erstattungsansprüche geltend. Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids sei aber, daß der Steuerpflichtige einen bestimmten Anspruch oder bestimmte Ansprüche möglichst nach Art, Entstehungszeitpunkt, Geldbetrag, Fälligkeit und Er löschensgrund jeweils im einzelnen genau bezeichne, und daß darüber mit dem FA Streit bestehe.
Im Falle der Übereinstimmung darüber, daß die Steueransprüche verjährt seien, bestehe kein Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids. Ein Abrechnungsbescheid sei nur dann zu erteilen, wenn FA und Steuerpflichtiger über den Grund des Erlöschens einer Zahlungsverpflichtung -- etwa Verjährung oder Zahlung -- uneinig seien. Dann sei im Abrechnungsbescheidverfahren darüber zu entscheiden, wodurch eine Zahlungsverpflichtung erloschen sei (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. März 1968 VII 306/64, BFHE 92, 160, BStBl II 1968, 501). Da im vorliegenden Fall die Prozeßbeteiligten unmittelbar keinerlei Ansprüche mehr hinsichtlich der Umsatzsteuer 1968 bis 1982 geltend machten, habe die Antragstellerin auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids, in dem über den Grund des Erlöschens ihrer Zahlungsverpflichtung entschieden werde.
Die Antragstellerin könne einen Abrechnungsbescheid auch nicht deswegen beanspruchen, weil das FG gegen den für sie bestellten Notliquidator einen Haftungs bescheid erlassen habe und darüber gegenüber dem Haftungsschuldner noch Forderungen von ... DM ableite. Das Haftungsschuldverhältnis betreffe nur das FA und den Haftungsschuldner, nicht aber die Antragstellerin. Diese könne dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sein und deswegen daraus auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids herleiten. Im übrigen seien die Verjährungsfristen gegenüber dem Steuerschuldner und gegenüber dem Haftenden getrennt zu berechnen.
Die Antragstellerin hat gegen das Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie beantragt, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht sie geltend, das Urteil des FG weiche ab von der Entscheidung des BFH vom 1. August 1979 VII R 115/76 (BFHE 128, 251, BStBl II 1979, 714) und von dem Urteil in BFHE 92, 160, BStBl II 1968, 501.
Der Begriff Meinungsverschiedenheiten i. S. des § 218 Abs. 2 AO 1977 sei nach der Rechtsprechung des BFH weit zu fassen. Sie resultierten für den Steuerpflichtigen im Verhältnis zum FA im Hinblick auf einen etwaigen Ausgleich bzw. Regreß zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner auch in bezug auf die Existenz etwaiger Haftungsschulden. Der Steuerpflichtige habe ein Interesse daran zu erfahren, inwieweit das FA Dritte noch für seine Steuerschulden in Haftung nehme und wie das Verhältnis der entrichteten bzw. erloschenen Steuerschuld zu den Haftungsschulden sei. Durch Abrechnungsbescheid müsse ihm mitgeteilt werden, welche Zahlungen von wem auf welche Schuld und in welcher Höhe angerechnet wurden bzw. ob und wann die Schulden -- auch die Haftungsschulden -- verjährt seien. Das Schreiben des FA erfülle nicht die Funktion eines Abrechnungsbescheids, da es keine umfassende Aufstellung über die Schulden nach Steuerart, Jahr und Betrag enthalte.
Die Revision sei auch wegen grundsätz licher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, ob der Begriff der Meinungsverschiedenheit so weit zu fassen sei, daß auch die rechtlichen Interessen der für den Steuerpflichtigen Haftenden in den Interessens- und Rechtskreis des Steuerpflichtigen für die Erteilung eines Abrechnungsbescheids einzubeziehen seien. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage sei zur Erhaltung der Rechtseinheit und Weiterentwicklung des Rechts notwendig. Sie sei nicht nur theoretisch; ihre allgemeine Nutzanwendung sei greifbar.
Entscheidungsgründe
Der Antragstellerin kann die beantragte PKH für das Beschwerdeverfahren nicht gewährt werden, weil ihre Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §§ 114, 116 Satz 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).
1. a) Soweit die Beschwerde auf eine Abweichung der Vorentscheidung von dem Senatsurteil in BFHE 128, 251, BStBl II 1979, 715 gestützt wird (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), sind bereits die formellen Anforderungen (Zulassungsvoraussetzungen) für die Begründung einer Divergenzrüge nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht erfüllt. Danach muß der Beschwerdeführer dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen (abstrakten) Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit dem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. In der Beschwerdebegründung müssen die einander gegenübergestellten abstrakten Rechtssätze im Urteil des FG und in der Divergenzentscheidung des BFH so genau gegenübergestellt werden, daß eine Abweichung erkennbar wird (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rz. 162 m. w. N.). Die von der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift zitierten Rechtssätze aus dem FG-Urteil und der Senatsentscheidung lassen aber eine Divergenz nicht erkennen.
Nach den zitierten Ausführungen in dem Senatsurteil kann demnach ein Abrechnungsbescheid dann verlangt werden, wenn zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob eine Zahlungsverpflichtung erloschen ist; der Abrechnungsbescheid muß die nach Ansicht der Behörde noch bestehenden Ansprüche im einzelnen bezeichnen, damit geprüft werden kann, wie weit das FA zu Recht vom Steuerpflichtigen noch etwas verlangt und worauf spätere Zahlungen des Steuerpflichtigen oder eines Dritten anzurechnen sind; die Forderungen des FA sind im Abrechnungsbescheid nach Steuerart, Jahren und Beträgen aufzugliedern. Demgegenüber wird in dem FG-Urteil, wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, der Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung eines Abrechnungs bescheids deshalb verneint, weil nach übereinstimmender Auffassung beider Beteiligten wegen Verjährung keinerlei Ansprüche hinsichtlich der Umsatzsteuer 1968 bis 1982 mehr bestehen und auch nicht geltend gemacht werden.
Eine Divergenz ist somit nicht erkennbar dargelegt worden, weil das Senatsurteil noch bestehende Ansprüche bzw. Meinungsverschiedenheiten über ihr Er löschen betrifft, während nach dem FG- Urteil sowohl das FA als auch die Steuerpflichtige die Umsatzsteueransprüche übereinstimmend als erloschen betrachten. Den unterschiedlichen Entscheidungen über den Anspruch auf Erlaß eines Abrechnungsbescheids und dessen notwendigen Inhalt liegen deshalb unterschiedliche Sachverhalte zugrunde. Die Besonder heiten beim Erlaß eines Haftungsbescheids gegenüber einem Dritten, auf die die Antragstellerin ihr rechtliches Interesse an dem Erlaß eines Abrechnungsbescheids im Streitfall stützt, sind in dem wegen angeblicher Divergenz zitierten Senatsurteil in BFHE 128, 251, BStBl II 1979, 714 nicht angesprochen worden.
b) Das zur Begründung der Divergenz ebenfalls herangezogene Urteil des Senats in BFHE 92, 160, BStBl II 1968, 501 enthält zwar den Rechtssatz, Meinungsverschiedenheiten zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen über das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung lägen nicht nur dann vor, wenn die eine Seite das Erlöschen bejaht, die andere es verneint, sondern auch dann, wenn zwar Gläubiger und Schuldner eine Verpflichtung als erloschen ansehen, aber jeder aus einem anderen Grunde. Ein Abrechnungsbescheid ist demnach auch dann zu erlassen, wenn über die Frage zu entscheiden ist, wodurch die Zahlungsverpflichtung erloschen ist. Diese Ausführungen sind aber nicht geeignet, eine Divergenz der angefochtenen Vorentscheidung zu dem zitierten Senatsurteil zu begründen.
In dem genannten BFH-Urteil war (im Hinblick auf die Kostentragungspflicht) darüber zu entscheiden, ob die vom FA geltend gemachten Steuerforderungen nicht durch Zahlung, sondern bereits vorher durch Verjährung erloschen waren. In derartigen Fällen ist die Entscheidung über den Erlöschensgrund durch Abrechnungsbescheid schon deshalb geboten, weil sich bei vorausgegangenem Eintritt der Verjährung ein Rückzahlungsanspruch des leistenden Steuerpflichtigen ergeben kann (§ 37 Abs. 2 AO 1977). Dagegen ist im Streitfall nach den den Senat bindenden Feststellungen im FG-Urteil (§ 118 Abs. 2 FGO) zwischen den Beteiligten nicht streitig, daß die Umsatzsteueransprüche 1968 bis 1982 des FA durch Verjährung erloschen sind; die Antragstellerin macht auch insoweit keine Erstattungsansprüche geltend. Wenn das FG aus diesem Grunde einen Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids abgelehnt hat, so besteht im Hinblick auf die unterschiedlichen Sachverhalte und die abweichende Interessenlage der Steuerpflichtigen -- wie das FG zutreffend erkannt hat -- keine Divergenz zu dem Senatsurteil in BFHE 92, 160, BStBl II 1968, 501.
Soweit die Antragstellerin ihr Interesse an der Erteilung eines Abrechnungsbescheids daraus ableiten will, daß ein Dritter, der frühere Geschäftsführer und jetzige Notliquidator, als Haftungsschuldner herangezogen worden ist, kann die Zulassung der Revision auch nicht auf eine Divergenz zu dem vorgenannten BFH-Urteil gestützt werden. Denn in dem Urteilsfall war über die Haftung eines Dritten für die im Verhältnis zum Steuerpflichtigen erloschenen Steuerschulden und die Auswirkung etwaiger Regreßansprüche zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner im Hinblick auf den Anspruch auf Erlaß eines Abrechnungsbescheids nicht zu entscheiden, so daß auch insoweit die Divergenzrüge nicht begründet ist.
2. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ist die Beschwerde unzulässig, da den Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift insoweit nicht genügt ist.
Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache "dargelegt" werden. Das "Darlegen" erfordert substantielle Angaben darüber, weshalb die zu der Rechtsfrage zu treffende (Revisions-)Entscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Hat der Senat über einen Sachverhalt der streitigen Art bisher noch nicht entschieden, so muß der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist und inwieweit sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluß vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 115 FGO Tz. 56). Hierzu ist es im allgemeinen erforderlich, daß der Beschwerdeführer mehrere die Streitfrage betreffende Entscheidungen der FG und (oder) einschlä gige Schrifttumsstellen einander gegenüberstellt. Dagegen genügen nur allgemein gehaltene Hinweise auf die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage -- wie sie die Antragstellerin vorgebracht hat -- zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Juni 1992 III B 72/91, BFH/NV 1992, 722, 723).
Aus den Ausführungen der Antragstellerin läßt sich lediglich entnehmen, welche Rechtsfrage diese als grundsätzlich ansieht: Berücksichtigung eines Haftungsschuldverhältnisses bei den für den Abrechnungsbescheid erforderlichen Streitigkeiten des Steuerpflichtigen mit dem FA über die Verwirklichung von Steueransprüchen gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977. Die Antragstellerin hat aber nicht im vorstehend dargestellten Sinne dargelegt, inwieweit diese Rechtsfrage umstritten und über den Streitfall hinaus von Bedeutung ist. Ihre Ausführungen enthalten im wesentlichen Einwendungen gegen die Rechtsauslegung des FG, auf die es für die Frage der Zulassung der Revision nicht ankommt.
Fundstellen
Haufe-Index 420322 |
BFH/NV 1995, 474 |