Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erlaßbedürftigkeit bei Pfändungsschutz
Leitsatz (NV)
Die Rechtsfrage, ob der Erlaß eines Steueranspruchs aus persönlichen Billigkeitsgründen bei einem Steuerpflichtigen in Betracht kommt, dessen wirtschaftliche Verhältnisse so gestaltet sind, daß -- wegen des Pfändungsschutzes, den er genießt -- eine Durchsetzung von Steueransprüchen ausgeschlossen ist, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt und folglich nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
AO 1977 § 227; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf Erlaß eines Steuerrückforderungsanspruchs aus persönlichen Billigkeitsgründen unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Oktober 1988 X B 54/88 (BFH/NV 1989, 285) und vom 12. Juli 1989 X B 111/88 (BFH/NV 1990, 213) im wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen:
Die Klägerin sei nicht erlaßbedürftig. Erlaßbedürftigkeit sei nach der Rechtsprechung des BFH dann gegeben, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde ... Gefährdet sei die wirtschaftliche Existenz, wenn ohne die Billigkeitsmaßnahme der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden könne. Voraussetzung für die Erlaßbedürftigkeit sei demnach, daß sich die Billigkeitsmaßnahme auf die wirtschaftliche Existenz überhaupt auswirken könne. Davon könne jedoch bei der Klägerin nicht ausgegangen werden, weil sie in wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, die, wegen des Pfändungsschutzes, die Durchsetzung des in Frage stehenden Rückforderungsanspruchs ausschließen würden. Da die Klägerin geringe, unter der Pfändungsgrenze liegende Einkünfte habe und keine nennenswerten Vermögensgegenstände besitze, sei der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) gehindert, die streitige Rück forderung beizutreiben. Ein Erlaß würde hieran nichts ändern und auch nicht die wirtschaftliche Situation der Klägerin verbessern. Unerheblich für die Erlaßbedürftigkeit sei der Vorteil, der sich aus dem Erlöschen der Schuld ergebe. Denn § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) betreffe nach Wortlaut, Gesetzeszusammenhang und systematischer Stellung im Erhebungsver fahren nur die in der Einziehung liegenden Unbilligkeiten (BFH-Entscheidung in BFH/NV 1989, 285).
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die vom FG auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH vorgenommene Begriffsbestimmung der Erlaßbedürftigkeit einer Überprüfung bedürfe. Auch im übrigen Rechtsleben werde die Erlaßbedürftigkeit so definiert, daß sie immer dann gegeben sei, wenn der Schuldner nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sei, eine bestimmte Schuld zu begleichen. Eine Existenzgefährdung ergebe sich bereits aus dem Bestehen der Schuld. Es könne deshalb nicht darauf abgestellt werden, ob die Steuerschuld wegen der bestehenden Pfändungsgrenzen durch Zwangsmaßnahmen realisiert werden könne. Denn die Verpflichtung der Klägerin, die Steuerschuld zu tilgen, bestehe und bleibe bestehen, ob die Realisierung durch staatliche Zwangsmaßnahmen möglich sei oder nicht. Da der Umfang des notwendigen Lebensunterhaltes sich nicht allein durch die Pfändungsgrenzen, sondern durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimme, würde der Lebensunterhalt der Klägerin im Streitfall auch dann vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden können, wenn Pfändungsmaßnahmen bei geringfügiger Überschreitung der Pfändungsfreigrenze möglich würden.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig, da die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf die sie ihre Nichtzulassungsbeschwerde allein stützt, nicht dargelegt hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Vielmehr muß der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 61, mit Hinweisen auf die BFH- Rechtsprechung).
Die hier streitige Rechtsfrage, ob der Erlaß eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis aus persönlichen Billigkeitsgründen bei einem Steuerschuldner in Betracht kommt, dessen wirtschaftliche Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung so gestaltet sind, daß -- wegen des Pfändungsschutzes, den er genießt -- eine Durchsetzung von Steueransprüchen ausgeschlossen ist, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt. Das FG hat -- wie auch die Beschwerde nicht verkennt -- auf der Grundlage dieser Rechtsprechung und mit der vom BFH in den zitierten Entscheidungen in BFH/NV 1989, 285 und BFH/NV 1990, 213 gegebenen Begründung die Ablehnung des Erlaßantrags der Klägerin durch die Finanzbehörden gebilligt, weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die persönliche Unbilligkeit in Erlaßsachen in der Einziehung selbst liegen muß und eine solche im Streitfall wegen des nach den Einkommensverhältnissen der Klägerin bestehenden Pfändungsschutzes nicht zu befürchten war.
Hat der BFH -- wie hier -- bereits früher über die streitige Rechtsfrage entschieden, so ist darzulegen, weshalb der Beschwerdeführer gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu der Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält. In einem solchen Fall ist die grundsätzliche Bedeutung nur schlüssig dargetan, wenn die Beschwerdebegründung eine eingehende Auseinandersetzung mit dem betreffenden Rechtsproblem enthält und darlegt, worin der Beschwerdeführer noch eine ungeklärte Frage sieht (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 62, m. w. N.). Die vorliegende Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat lediglich zum Ausdruck gebracht, daß sie die vom FG zitierte BFH-Rechtsprechung für fehlerhaft und überprüfungsbedürftig hält. Sie hat sich aber -- abgesehen von der nicht näher belegten Behauptung, auch im übrigen Rechtsleben werde die Erlaßbedürftigkeit anders definiert, -- nicht unter Angabe etwa entgegenstehender Auffassungen in Rechtsprechung oder Schrifttum mit den vom FG zitierten BFH-Entscheidungen zum Erlaß von nicht realisierbaren Steuerschulden auseinandergesetzt. Insbesondere ist nicht dargelegt worden, weshalb im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung eine erneute höchstrichterliche Entscheidung zu der hier streitigen Frage erforderlich sein soll.
Die Beschwerde argumentiert vielmehr streitfallbezogen, indem sie ausführt, daß eine Existenzgefährdung der Klägerin auch deshalb gegeben sei, weil Pfändungsmaßnahmen dann möglich würden, wenn sie mit ihren Einkünften die Pfändungsgrenzen geringfügig überschreite, und daß dann der notwendige Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet sei. Abgesehen davon, daß hiermit auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abgestellt wird, kann die Frage der Erlaßbedürftigkeit für den Fall, daß die Einkünfte die pfändungsfreien Beträge übersteigen, hier nicht einer höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden, weil das FG, das auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen hatte, über einen anderen Sachverhalt entschieden hat.
Aus demselben Grund muß auch das nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgte Vorbringen, das FA habe nunmehr ein Bankkonto der Klägerin gepfändet, das nur freigegeben werde, wenn die monatlichen Einnahmen unter dem Existenzminimum einer Sozialhilfeberechnung lägen, für die Frage der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung außer Betracht bleiben. Die Pfändung des Bankkontos beinhaltet einen neuen Lebenssachverhalt und eigenständigen Verwaltungsakt, der nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits über den von der Klägerin beantragten Billigkeitserlaß ist und der ggf. mit eigenständigen Rechtsmitteln angefochten werden muß.
Fundstellen
Haufe-Index 421929 |
BFH/NV 1997, 323 |