Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Einordnung eines Fahrzeuges als PKW oder LKW
Leitsatz (NV)
Der Umstand, dass die Ladefläche eines umgerüsteten PKW die Hälfte der Nutzfläche überschreitet, stellt zwar ein für die Einstufung als LKW gewichtiges, jedoch nicht allein entscheidendes Indiz dar. Eine Einordnung des Fahrzeuges als PKW kann deshalb gleichwohl in Betracht kommen, wenn weitere gewichtige Merkmale, wie z.B. Sitzgurte und Sitzhalterungen sowie unverblechte Fenster im rückwärtigen Bereich, hinzutreten, die für eine überwiegende Bestimmung und Eignung zum Personentransport sprechen.
Normenkette
KraftStG §§ 8, 9 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 2
Verfahrensgang
FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 2 K 2393/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Halter eines von der Verkehrsbehörde als LKW eingestuften VW-Transporters, der neben dem Fahrersitz nur noch über zwei weitere Sitzplätze verfügt. Im rückwärtigen Teil des Fahrzeuges befindet sich eine Ladefläche, die ca. 70 v.H. der Nutzfläche ausmacht. Auf der Ladefläche sind nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwölf Sechskantmuttern statt der Halterungen für die hinteren Sitze verschraubt. Sicherheitsgurte sind im hinteren Bereich noch vorhanden. Die Seitenfenster im hinteren Bereich der Ladefläche sind verblecht, im vorderen Bereich dagegen unverblecht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sieht das Fahrzeug als PKW an und hat dementsprechend dafür Kraftfahrzeugsteuer festgesetzt. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb ebenfalls erfolglos. Das FG urteilte, dass das FA das Fahrzeug zu Recht als PKW besteuert habe, denn es könne ohne größeren Aufwand zur Personenbeförderung umgerüstet werden. Aus den vorliegenden Fotografien ergebe sich eindeutig, dass auf der Ladefläche mit Muttern verschraubte Halterungen für Sitzbänke vorhanden und dass die Fenster im vorderen Bereich der Ladefläche nicht verblecht seien. Bei diesem Befund könne keine Rede davon sein, dass der jetzige Zustand auf Dauer angelegt sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wendet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er geltend macht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und aufgrund von Verfahrensmängeln zuzulassen sei. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob ein Fahrzeug nicht oder nur untergeordnet für die Personenbeförderung konzipiert und geeignet und daher als LKW zu besteuern sei, wenn auf der mit 70 v.H. deutlich überwiegenden Ladefläche drei weitere Sitze montiert werden dürften, wobei jeder Komfort fehle und die verbleibende Ladefläche nach der Umrüstung immer noch über 50 v.H. der Gesamtnutzfläche betrage. Da das FG das Fahrzeug trotz einer vorhandenen Ladefläche von über 50 v.H. und einer fehlenden Verglasung im rückwärtigen Teil als PKW eingestuft habe, weiche es von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. August 2000 VII R 26/99 (BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72) und vom 5. Mai 1998 VII R 104/97 (BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489) ab. Zudem habe das FG das Fahrzeug nicht in Augenschein genommen und unter Verletzung der Sachaufklärungspflicht unzutreffend angenommen, dass das Fahrzeug problemlos umzurüsten sei. Es habe auch nicht berücksichtigt, dass die linke Tür zu den hinteren Sitzen, ein Gebläse, Aschenbecher sowie Beleuchtungs- und Ablagemöglichkeiten fehlten. Den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs habe das FG deshalb verletzt, weil es dem Kläger in der mündlichen Verhandlung keine Gelegenheit gegeben habe, seinen Rechtsstandpunkt anhand der Inaugenscheinnahme des Fahrzeuges darzulegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat lässt offen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) der von ihm formulierten Frage in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt hat. Jedenfalls ist die Frage nicht klärungsfähig.
Denn in dem angestrebten Revisionsverfahren könnte die Entscheidung des FG nicht ausschließlich im Hinblick auf die in der Frage angesprochenen Kriterien --Größe der Ladefläche, Zulässigkeit der Montage von drei weiteren Sitzen und mangelnder Komfort-- überprüft werden. Die auf die Besonderheiten des vorliegenden Streitfalles zugeschnittene Frage lässt nämlich unberücksichtigt, dass das FG in einer wertenden Zusammenschau weitere Kriterien, wie den Umrüstungsaufwand sowie das Vorhandensein von zwei unverblechten Fenstern, Sicherheitsgurten und verschraubten Muttern im Bereich der Ladefläche berücksichtigt und Aussagen zum Komfort überhaupt nicht getroffen hat. Als entscheidendes Kriterium wurde dabei angesehen, dass der gegenwärtige Zustand des Fahrzeuges nicht auf Dauer angelegt sei. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, obliegt die Einordnung eines Fahrzeuges als PKW oder LKW aufgrund einer komplexen Würdigung von Bauart und Einrichtung sowie der Herstellerkonzeption im Wesentlichen dem Tatrichter und ist deshalb einer revisionsrechtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich (Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2003 VII B 65/03, BFH/NV 2004, 536). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der BFH den Umstand, dass die Ladefläche eines umgerüsteten PKW die Hälfte der Nutzfläche überschreitet, nur als gewichtiges, aber nicht allein entscheidendes Indiz für eine Einstufung als LKW angesehen hat, wobei beim Hinzutreten weiterer, gewichtiger Merkmale, die für eine überwiegende Bestimmung und Eignung zum Personentransport sprechen, gleichwohl eine Einordnung als PKW in Betracht kommen kann (Senatsentscheidung in BFHE 194, 257, 263, BStBl II 2001, 72).
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen. Denn die behauptete Divergenz zu den genannten BFH-Entscheidungen liegt nicht vor.
Das erstinstanzliche Urteil beruht nicht auf einem dem Senatsurteil in BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72 widersprechenden Rechtssatz. Vielmehr hat das FG in Erwägung gezogen, dass das Fahrzeug eine große Ladefläche besitzt und in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats darauf hingewiesen, dass die Ladefläche ein gewichtiges Abgrenzungsmerkmal bildet. Dennoch kam es aufgrund der festgestellten anderen Merkmale zu dem Schluss, dass eine Einstufung des Fahrzeuges als LKW ausgeschlossen sei. Ebenso wenig liegt eine Abweichung vom Senatsurteil in BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489 vor. In dieser Entscheidung hat der Senat das völlige Fehlen von Seitenfenstern im rückwärtigen Teil des Innenraums als gewichtiges Zuordnungsmerkmal angesehen, das aufgrund der dadurch hervorgerufenen mangelhaften Belichtung und Belüftung des Fahrzeuginnenraums für eine Einstufung des Fahrzeuges als LKW spreche. An dem Erfordernis einer Gesamtwürdigung aller für die Einstufung als PKW oder LKW entscheidenden Merkmale hat der BFH ausdrücklich festgehalten. Zu dieser Entscheidung steht das erstinstanzliche Erkenntnis bereits deshalb nicht in Widerspruch, weil das streitgegenständliche Fahrzeug im rückwärtigen Bereich zwei unverblechte Fenster aufweist. Daraus erhellt, dass das FG einen von einer fehlenden Verglasung im rückwärtigen Fahrzeugteil ausgehenden Rechtssatz nicht aufstellen konnte.
3. Verfahrensmängel, auf denen das angefochtene Urteil beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), sind nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet.
Zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung gehört nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhaltes und die Nichterhebung weiterer (angebotener) Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung) hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung eines Beweisantrages oder die mangelhafte Sachaufklärung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).
Die Beschwerde legt weder dar, wo und wann ein Beweisantrag auf Inaugenscheinnahme des vor dem Gericht geparkten Fahrzeuges gestellt worden ist, noch lässt sie erkennen, dass die unterlassene Inaugenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb dies nicht möglich gewesen sein soll. Auch dem Sitzungsprotokoll ist eine entsprechende Rüge nicht zu entnehmen. Die Beschwerde vermag darüber hinaus nicht substantiiert darzulegen, warum dem Kläger das rechtliche Gehör verweigert worden sein soll. Denn ausweislich des Protokolls haben die Beteiligten das Wort erhalten und ihre Anträge begründet. Dass das Urteil nach § 96 Abs. 2 FGO auf Tatsachen und Beweisergebnissen beruht, zu denen sich der Kläger nicht hat äußern können, wird durch den bloßen Hinweis auf die unterlassene Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Fahrzeuges nicht belegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1503743 |
BFH/NV 2006, 1352 |